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»Wenn wir den Zusammenbruch der menschlichen Zivilisation verhindern wollen, brauchen wir nichts Geringeres als eine Umwälzung der herrschenden kulturellen Muster.«

Erik Assadourian, Nachhaltigkeitsforscher, Worldwatch Institute

6. Die Software in unseren Köpfen

Der im Mai 2010 in die Kinos gekommene Dokumentarfilm The Age of Stupid117 war kein Kassenschlager. Der Film verfolgt jedoch einen interessanten Ansatz. Die Dokufiktion blickt aus der Perspektive des Jahres 2055 zurück auf das erste Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts. Die Lebensgrundlagen im Jahr 2055 sind zerstört, und die Menschheit ist ausgestorben. Der Film fragt: Warum haben die Menschen nichts getan? War das frühe 21. Jahrhundert das Zeitalter der Dummheit?

Das Zeitalter der Dummheit. Werden so unsere Kinder und Kindeskinder mal über uns urteilen? Warum tun wir also nichts? Welches Sedativum haben wir genommen?

Keins, sagen viele. Und verweisen auf einen harten Fakt: Der Tag hat nun einmal nur 24 Stunden. Und in dieser Zeitspanne kann man nur einer begrenzten Zahl von Aktivitäten nachgehen. Neben der Alltagsorganisation plagen viele Menschen Probleme mit der Gesundheit, Ängste um den Arbeitsplatz oder finanzielle Engpässe. Außerdem muss Zeit aufgewendet werden für die Pflege der Partnerschaft und für das Wohl der Kinder. Zusätzlich locken attraktive Freizeitangebote.

Und einer Arbeit nachgehen muss man natürlich auch. In vielen Berufen steigen die Belastungen, gefordert ist der flexible Mensch.118 Stress, Eile und Zeitnot greifen um sich. Da bleibt nicht viel Zeit für Reflexion, um über das Schicksal der Erde nachzudenken.

Stets die Weltreichweite vergrößern

Eine andere Antwort jenseits von zeitökonomischen Überlegungen lautet schlicht: Menschen im reichen Europa wollen nicht auf ihr derzeitiges Leben verzichten, weil sie dieses als attraktiv empfinden. Und attraktiv ist dieses Leben, weil es ihnen »dionysische« Gefühlszustände ermöglicht: Begeisterung, Entgrenzung, Rausch, Übermacht, Ekstase. Mit anderen Worten, die nicht-nachhaltige Lebensweise ist »leider geil«, um es mit den Worten einer bekannten deutschen Musikgruppe auszudrücken. Und diese Attraktivität wird nur selten dadurch gemildert, dass sie unter moralischen oder politischen Gesichtspunkten fragwürdig geworden ist.119

Der im wohlhabenden Westen lebende Homo consumens möchte nicht auf industrielle Bequemlichkeiten wie das Auto, das Flugzeug oder das Smartphone verzichten. Daher handelt er nach der Devise »Nach mir die Sintflut«. Motto: »Hauptsache, ich habe noch schöne Erlebnisse.«

Der Befund ist hart, aber sicher teilweise zutreffend. Jeder Mensch ist ein Stück weit Egoist – das gilt auch für die größten Altruisten. Es mag stimmen, dass viele Menschen in den reichen Ländern von einer Versäumnisangst getrieben werden, sie möchten sich von dem (vermeintlich) überwältigenden Angebot der Multioptionsgesellschaft120 so wenig wie möglich durch die Lappen gehen lassen.

Der kategorische Imperativ der Moderne lautet nämlich: »Handle jederzeit so, dass deine Weltreichweite größer wird.« Dies erfolgt durch die Vermehrung von Gütern, Kontakten und Optionen. Wenn der Mensch vor einer Entscheidung steht, dann wählt er im Regelfall die größere Verfügbarkeit der Welt. Warum ist ein Smartphone interessant? Weil ich meine Weltreichweite vergrößere, denn ich habe alle meine Freunde und die Kontakte zu ihnen in der Hosentasche und bin selbst erreichbar für alle. Ich kann alle Musik der Welt hören, bringe sie in meine Reichweite.121

Dennoch ist diese zweite These wie auch die erste in vielerlei Hinsicht unbefriedigend. Die Antwort auf die Frage danach, warum wir passiv sind und uns an die Zuschauerrolle gewöhnt haben, ist schwieriger, als es auf den ersten Blick erscheint.

Wissen allein verändert nichts

Fehlt es vielleicht an Wissen, wie manche meinen? Müsste man die Bevölkerung nur ausreichend informieren, damit sich Veränderungen ergeben?

Wissen und Information – beide Begriffe gilt es zu trennen. Eine Information kann alles Mögliche sein, zum Beispiel die Nachricht, dass Angela Merkel Urlaub in der Toskana macht, dass Bayern München gegen Werder Bremen gewonnen hat oder dass Britney Spears unten ohne gesichtet wurde. Das sind Nachrichten ohne Belang. Es ist Informationsmüll. Eine Nachricht ist aber ebenso, dass sich das Artensterben beschleunigt oder dass der Meeresspiegel bis zum Ende des Jahrhunderts um bis zu einem Meter steigen könnte.

Die Menschen haben das Problem der kontinuierlichen, schnellen und variantenreichen Informationsübermittlung gelöst, aber sie wissen nicht, wie sie mit der enormen Menge an Informationen, die sie tagtäglich erreicht, umgehen sollen.122 Wissen ist organisierte Information, genauer eine in einen Kontext eingebettete Information; eine Information, die einen Zweck hat und die einen dazu bringt, sich weitere Informationen zu verschaffen, um etwas zu verstehen. Ohne organisierte Information mögen wir etwas von der Welt wissen, aber nichts über sie. Wer über Wissen verfügt, weiß, wie er Informationen einzuschätzen hat, weiß, wie er sie in Beziehung zu seinem Leben bringt. Vor allem weiß er aber, welche Informationen ohne Bedeutung sind.123

Die Medien überhäufen uns mit Informationen, stellen aber kaum Zusammenhänge her. Sie präsentieren uns eine Welt, die voll ist mit Unds. Dies geschah und dann das und dann etwas anderes. Es fehlt die Einbettung, es fehlt das Weil.124 Eine erste wesentliche Handlungsschranke ist also Nichtwissen. Wissen muss man sich häufig mühevoll aneignen, es fällt nicht vom Himmel. Ist diese erste Schranke überwunden, gibt es weitere. Oder anders formuliert: Wissen ist eine notwendige, aber allein nicht ausreichende Bedingung für Handlungen und Verhaltensänderungen.

»Nicht die Fakten sind entscheidend, sondern die Vorstellung, die sich die Menschen von den Fakten machen«, sagte einst die Publizistin Marion Gräfin von Dönhoff. Damit hat die ehemalige Grande Dame der deutschen Publizistik zweifellos recht. Es gibt viele Menschen in den Industrieländern (wir alle kennen welche – und wir kennen uns auch selber), die wissen, dass ihr Lebenswandel der Natur Schaden zufügt, die aber dennoch systemtreu bleiben. Zwischen dem Wissen und dem Handeln besteht oft ein immenser Graben (in der Forschung spricht man vom »Mind-Behavior-Gap«). Dieser Graben ist auf zahlreiche intervenierende Faktoren zurückzuführen. Der Mensch ist komplex – er ist nicht vergleichbar mit dem Pawlow’schen Hund, bei dem ein Reiz sofort einen Reflex auslöst.125

Wenn eine tierische Metapher hilft, dann diese: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, das sich kulturell und biologisch in eingefahrenen Bahnen bewegt. Evolutionstheoretisch betrachtet ist der Mensch immer auf die Gegenwart ausgerichtet. Die Gattung Homo sapiens hat sich vor 300.000 Jahren in Afrika entwickelt. Sie hat nur überlebt, indem sie sich immer auf das unmittelbar Bevorstehende konzentriert hat. Mit dem Leben kam davon, wer sich auf den herannahenden Säbelzahntiger fokussiert hat und schleunigst verschwunden ist – und nicht, wer darüber gegrübelt hat, wie die Wolken am Himmel in zehn Jahren aussehen mögen.

Psychologische Studien der letzten Jahre zeigen zudem, dass der Mensch Veränderungen in der Zukunft unterschätzt – und zwar systematisch. Eine großangelegte Studie der Harvard University, an der 19.000 Personen im Alter von 18 bis 63 Jahren teilnahmen, belegt dies eindrucksvoll.126 Viele Menschen glauben, dass der Rhythmus der persönlichen Veränderungen genau heute angehalten wird. Die Probanden der Studie erkannten zwar die Veränderungen in den letzten Lebensjahren und Lebensjahrzehnten, aber die Mehrheit der Befragten war der Ansicht, dass die Zukunft deutlich weniger Veränderungen mit sich bringen werde. Die Zukunft wurde von ihnen als etwas Stabiles begriffen. Motto: »Bis heute hat sich sehr viel verändert – aber ab jetzt gilt das nicht mehr.«

Die meisten Menschen halten die eigene Persönlichkeit, den eigenen Geschmack, die Haltung zu politischen Fragen für stabil. Und auch den eigenen Zukunftsentwurf. Ein statisches Zukunftsbild in den meisten Köpfen der meisten Erdenbürger bedeutet für die Lösung der Umweltkrise nichts Gutes.

Erschwerend kommt hinzu, dass Wissen sich vorzugsweise dann richtig festsetzt, wenn es gebraucht wird. Nur Gebrauchswissen manifestiert sich in den Menschen. Man kann das vergleichen mit einem Computer, der einen Arbeitsspeicher und eine wesentlich größere Festplatte hat. Was im Arbeitsspeicher ist, befindet sich im Bewusstsein. Viele Menschen kennen die Hintergründe der Umweltprobleme, können aber damit meist nur wenig anfangen. Jenes Wissen hilft einem nicht bei der Bewältigung des eigenen Alltags. Es wandert auf die menschliche Festplatte. Anders ist die Sachlage bei Menschen, die beruflich dieses Wissen brauchen. Der Alpinist, der das Schmelzen der Gletscher beobachtet, hat die Zusammenhänge zum Klimawandel stets im Bewusstsein. Gleiches gilt für den Klimawissenschaftler oder den Umweltjournalisten.

Ohne Gebrauchszusammenhänge hängt Wissen in der Luft. Aber selbst wenn jene Zusammenhänge gegeben sind, muss dies noch nicht zu Verhaltensänderungen führen. Denn selbst wenn das Wissen im Bewusstsein ziemlich präsent ist – der Mensch hat im Laufe der Evolution Schutzmechanismen entwickelt, die immer dann aktiv werden, wenn eine Lähmung durch bedrohliche Gefühle droht.

Verleugnen und verdrängen

Der Mensch ist kein widerspruchsfreies Wesen. In der Moralphilosophie und auch in der Theologie wird genau das unterstellt, aber psychologisch ist diese Vorstellung nicht haltbar. Der Mensch kann ein bestimmtes Maß an Widersprüchen und Konflikten aushalten. Jeder Mensch hat innere Konflikte und trägt Widersprüche mit sich herum.127 Die Strategien, die der Mensch anwendet, um ein lähmendes und krankmachendes Übermaß an Widersprüchen zu vermeiden, sind nicht sehr zahlreich: Die eine ist Verleugnung, das Nicht-Wahrhaben-Wollen von Sachverhalten, weil es unser Selbstgefühl stört. Veränderungen in der Umgebung werden zwar wahrgenommen, aber ihre reale Bedeutung wird emotional nicht erlebt und rational nicht anerkannt.

Verleugnung geschieht intuitiv – sie ist kein Ergebnis einer bewussten Handlung.128 Verleugnung funktioniert besonders gut durch Ablenkung. Gerne flüchten wir uns in Freizeitaktivitäten, Sport, Internet und Fernsehen.

Die Schwester der Verleugnung ist die Verdrängung. Verdrängen heißt nicht vergessen. Jeder Mensch ist in der Lage, zu verdrängen – folglich kennen wir den Mechanismus, auch wenn jedes Verdrängen ein unbewusster Vorgang ist. Bedrohliche Wahrheiten oder unangenehme Tatsachen, die unser Funktionieren verhindern oder stören, halten wir von uns fern. Das Paradebeispiel in diesem Kontext ist sicher der eigene Tod. Jeder Mensch weiß, dass er sterblich ist. Das Nachdenken über den Tod löst bei den meisten Menschen allerdings Ängste aus, so dass wir den Fakt unserer eigenen Sterblichkeit mit Nachdruck verdrängen und ausblenden.

Man erspart sich durch den Vorgang des Verdrängens die Auseinandersetzung mit Problemen und die Schwierigkeit, sich in einem Dilemma bewusst zu entscheiden. So bleibt der Konflikt ungelöst. Zwar beschäftigt er uns nicht mehr bewusst, aber er schwelt unkontrolliert weiter. Er kann sich dem Wandel der äußeren Umstände nicht anpassen, sondern erhält sich unverändert. In Träumen, in Fehlleistungen, in Neurosen oder psychosomatischen Krankheiten macht er sich mehr oder weniger unerkannt bemerkbar.129

Es versteht sich von selbst, dass man nur etwas verdrängen kann, das man weiß oder erfahren hat. Im Falle von Nichtwissen spart man sich die Verdrängung. Eng verbunden mit der Verdrängung wie auch mit der Verleugnung ist das Phänomen der kognitiven Dissonanz. Wenn Menschen eine Diskrepanz zwischen ihren Überzeugungen und Einstellungen auf der einen Seite und der Wirklichkeit auf der anderen Seite erleben, erzeugt das ein tiefes Unbehagen und damit das dringende Bedürfnis, die Dissonanz zu beseitigen oder wenigstens zu reduzieren. Psychologen sprechen von Dissonanzreduktion. Daher wird die Wahrnehmung der Wirklichkeit der eigenen Überzeugung angepasst. Man weiß aus zahlreichen Studien, dass Raucher Lungenkrebsstatistiken für überbewertet halten. Genauso weiß man, dass Anlieger von Kernkraftwerken das Strahlungs- und Unfallrisiko niedriger einschätzen als Menschen, die weit von Atomkraftwerken entfernt leben.130

Mentale Infrastrukturen

Verdrängung und kognitive Dissonanz dürften vor dem Hintergrund der heraufziehenden Umweltkrise wirkmächtige Faktoren sein. Dennoch ist damit die Reihe der Ursachen für unser passives Verhalten längst noch nicht vollständig. Anders formuliert: Es gibt noch mehr Schwierigkeiten. Zwischen dem, was wir wissen, und dem, was wir wahrnehmen oder erfahren, liegt ein überaus großer Graben.

Unsere Infrastrukturen funktionieren ganz wunderbar, wie wir tagein, tagaus feststellen können. Busse fahren, Flugzeuge fliegen, Metzger und Bäcker machen pünktlich auf, Zeitungen erscheinen, die Müllabfuhr holt regelmäßig den Abfall ab, der Strom kommt aus der Steckdose und das Wasser aus dem Hahn – alles prima.

»Die Außenwelt übersetzt sich bei Menschen (…) immer auch in ihre Innenwelt«, betont Harald Welzer in einer brillanten Kurzstudie für die Heinrich-Böll-Stiftung.131 »Mentale Infrastrukturen« nennt das der deutschlandweit bekannte Sozialpsychologe – in Analogie zu den oben exemplarisch angesprochenen materiellen Infrastrukturen. Nicht nur der Begriff ist sperrig, die mentalen Infrastrukturen sind es auch. Diese sind nach Harald Welzer

»keine Frage von Wahl und Entscheidung (…), sondern schlicht eine massiv so-seiende Welt, in die man hineingeboren wird und deren Geschichte über sich selbst man pausenlos mit seiner eigenen Biographie, seinen Werten, seinen Konsumentscheidungen, seiner Karriere weitererzählt. Über diese Qualität der mentalen Infrastrukturen muss man sich bewusst sein, wenn man sich daranmachen möchte, sie zu verändern. In gewisser Hinsicht sind sie, zumal wenn der materielle Reichtum so groß und die gesellschaftliche Benutzeroberfläche so attraktiv ist wie in den frühindustrialisierten Gesellschaften, sogar massiver als die materiellen Infrastrukturen, von denen sie geprägt sind.«132

Zugespitzt formuliert: Jedes Autohaus, jede McDonalds-Filiale, jeder Handyladen prägen unsere Wahrnehmung von der Welt sehr viel stärker als jeder noch so stark geschriebene konsumkritische Text.

Die uns allgegenwärtig umgebenden materiellen und institutionellen Infrastrukturen haben eine enorme Macht, weil wir uns täglich in ihnen bewegen und sie deshalb zwangsläufig bejahen – oder zumindest passiv unterstützen. Wenn die Menschen schon als Kind durch Spielzeuge lernen, dass das Auto einfach zum Leben dazugehört; wenn sie durch Sportsendungen und Autowerbung mental so programmiert werden, dass Geschwindigkeit und Autogröße Erfolg und Status symbolisieren, dann wird bei ihnen ein autofreier Sonntag oder der Flyer über nachhaltige Mobilität wenig bewirken oder gar auf Ablehnung stoßen. Das Problem liegt nicht im Menschen selbst, sondern an der Art und Weise, wie seine mentalen Einstellungen »programmiert« werden.

Lineares Denken

Hinzu kommt: Wir erleben unsere Umwelt als weitgehend intakt. Die etwas Älteren bemerken sogar Verbesserungen gegenüber vergangenen Jahrzehnten. Unsere Flüsse sind zum Beispiel sauberer als vor 60 Jahren, es gibt praktisch nirgendwo mehr wilde Müllhalden und die Luftqualität ist mancherorts gestiegen.

Die Generationen, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben oder die in den ersten beiden Nachkriegsjahrzehnten zur Welt kamen, haben einen beispiellosen materiellen Aufstieg erlebt. Die letzten 75 Jahre waren eine Epoche stetiger Wohlstandssteigerungen.

Horrormeldungen in der Tageszeitung können da nur bedingt beeindrucken, schließlich sieht unsere Lebenswirklichkeit ganz anders, eben viel freundlicher, aus.

Wenn wir zurückblicken, so stellen wir fest, dass die schon erwähnten Infrastrukturen in den letzten Jahrzehnten nicht nur da waren, sondern auch ganz hervorragend funktioniert haben. Wir unterstellen, dass es auch in Zukunft so weitergeht.

Erfahrungen aus der Vergangenheit in die Zukunft zu projizieren, kann trügerisch sein.

Man kann sich, wie es Nassim Nicholas Taleb in seinem berühmten Buch »Der Schwarze Schwan« tut, einen Truthahn vorstellen, der 1.000 Tage lang täglich gefüttert wird. Jede einzelne Fütterung wird die Überzeugung des Tiers stärken, dass die Menschen friedfertige Wesen sind, vor denen man sich nicht fürchten muss. Am Nachmittag vor dem Erntedankfest wird der Truthahn allerdings diese Einschätzung gründlich revidieren müssen.


Abbildung 19: 1.000 Tage sichere Fütterung sagen nichts über die Zukunft

Eigene Darstellung auf Basis der Idee von Nassim Nicholas Taleb (»Der Schwarze Schwan«).

Das Vertrauen des Truthahns in Menschen wuchs mit der Zahl der Fütterungen; er fühlte sich immer sicherer, obwohl seine Schlachtung immer näher rückte. Sein Gefühl, in Sicherheit zu sein, erreichte also gerade dann seinen Höhepunkt, als das Risiko am größten war. 1.000 Tage Fütterung beweisen nicht, dass er recht hatte, und schon ein Tag genügt für den Nachweis seines Irrtums.133

Erfahrungen über Umwege

Wir sind keine Truthähne. Aber wir können uns auch irren. Dafür gibt es viele Gründe. Einer davon: Unsere Lebenswirklichkeit ist häufig komplett künstlich und liefert keine guten Informationen. Die meisten Menschen in den Industrieländern leben in einer abgeschotteten Welt. Ihre Fähigkeit, zu spüren, was in der Natur passiert, ist verkümmert. Sie sind von der Natur abgeschnitten und entfremdet. Ihre Erfahrungen stammen aus dritter oder vierter Hand. Ein großer Teil der Menschen lebt in Städten. Sie nehmen die Brüche in ihrer Umwelt nicht wahr. Wir steigen in unsere klimatisierten Autos, arbeiten in klimatisierten Gebäuden, gehen in riesigen Supermärkten ohne Fenster einkaufen. Wir sehen nicht, wie das Gemüse, das wir kaufen, erzeugt und geerntet wird. Abends schalten wir das Fernsehgerät ein oder setzen uns vor den Computer – auch diese Geräte vermitteln keine echten Erfahrungen. Seit einigen Jahren kann man beobachten, wie Menschen, wenn sie unterwegs sind, ständig auf ihre Smartphones starren. Ob in der Bahn, in der Bibliothek, im Massagesalon oder beim Waldspaziergang. Jene »Weltersatzmaschinen« zerstören den Kontakt zu unserer Umwelt.134

Es ist zu befürchten, dass die fortschreitende Digitalisierung die Entfremdung zur Natur noch weiter verschärft. Schon jetzt verbringen viele Menschen einen Großteil ihrer Wachzeit mit digitalen Endgeräten. Vieles deutet darauf hin, dass Mobiltelefone und Computer die Empathie zur Natur wie auch zu anderen Menschen vermindern.

Erfahrungen machen wir an unserer unmittelbaren Umwelt fest. Besonders wichtig sind die Menschen, die uns täglich umgeben. Menschen sind Gruppenwesen, sie haben das Grundbedürfnis, Teil einer Gruppe bzw. der Gesellschaft zu sein. Kein Kind steht gerne alleine auf dem Schulhof, und auch die Erwachsenen sind um Anpassung und Anerkennung bemüht. Gesellschaften entwickeln starke Zentrifugalkräfte. Und sie achten darauf, dass ihre Normen eingehalten werden. Niemandem muss das Phänomen des Gruppenzwangs mehr erklärt werden – wer im Urlaub nicht verreist oder wer auf das Auto verzichtet, gilt schnell als Sonderling und riskiert, ausgestoßen zu werden.

Umgekehrt gilt natürlich: Warum soll ich nicht mit dem Flieger verreisen, wenn es alle anderen doch auch tun? Warum soll ich auf das Auto verzichten, wenn alle anderen fröhlich durch die Gegend gondeln? Sind diese Fragen erst einmal gestellt, landet man sehr schnell bei den nächsten: Was ist mein Beitrag denn schon wert? Wird die Welt gerettet, wenn ich nicht fliege oder Auto fahre? Die Antwort ist eindeutig – und lässt leicht Ohnmachtsgefühle aufkommen.135

Gefühle der Ohnmacht entstehen auch, weil unsere Welt so komplex wie noch nie ist (siehe dazu auch das noch folgende Kapitel 11). Wir leben in einer arbeitsteiligen Gesellschaft. Die schönen bunten Geschäfte, in denen wir unsere Waren kaufen, sind weit entfernt von den Leidensorten – den Orten, wo viele Güter produziert werden. Die räumliche Entfernung trägt wesentlich dazu bei, dass wir nicht wahrnehmen, dass wir auf Kosten anderer leben. Die Journalistin Tanja Busse formuliert in diesem Zusammenhang treffend:

»Eigentlich wollen wir auch keine Mobiltelefone, an denen das Blut von Kindersoldaten klebt, und keine Steaks und Taschentücher aus abgeholzten Regenwäldern. Geschähe das unmittelbar vor unseren Augen, wir würden es nicht ertragen. So aber schiebt sich die hippe heile Welt der Werbung zwischen uns und unsere Waren, und die weltweite Arbeitsteilung tut ein Weiteres. Wir sehen nicht, wie unsere Kleider in Südostasien genäht werden. (…) Wir sehen nicht einmal, wie Kühe und Schweine in deutschen Ställen gehalten werden.«136

Der Mensch als Dopaminjunkie

Naturwissenschaftlich geschulte Menschen verweisen gerne darauf, dass unser Körper ein Steinzeitmodell sei. Unrecht haben sie nicht. Wir sitzen in einem Gebrauchtwagen, der Millionen Jahre alt ist.

Mit der enormen Entwicklung des Menschen hält unser Körper nur bedingt Schritt. Die längste Zeit in der Menschheitsgeschichte waren der Mangel elementarer Güter und Hunger an der Tagesordnung. Die jüngere Geschichte des Menschen im Industriezeitalter ist dagegen eine Geschichte des Überflusses und des Mehr. »Egal, was wir haben – wir wollen mehr. Und wir wollen es jetzt«, schreibt der Neurowissenschaftler Peter Whybrow.137

Unser Gehirn ist nicht so konstruiert, dass es sich selbst Grenzen auferlegt. Die Gehirnstrukturen der Menschen sind seit Zehntausenden von Jahren auf unmittelbare Belohnung ausgerichtet. Wir mussten überleben und uns fortpflanzen. Die Neurowissenschaften haben gezeigt, dass seit den Anfängen der Menschheit Dopamin eine wichtige Rolle in unserem Körper spielt. Dopamin motiviert uns und stimuliert unser Belohnungs- und Lustzentrum. Wer im steinzeitlichen Urwald schmackhafte Früchte entdeckte, bekam ebenso einen Dopaminschub wie der, der ein Wildtier erlegte und mit nach Hause schleppte. Gewinne im modernen Aktienhandel sorgen für eine vergleichbare Reaktion. Oder das Shoppen im Großkaufhaus.138


Abbildung 20: Wahrheit in der Werbung?

Werbung der Coca-Cola-Company in Deutschland. Freiburg im Breisgau, im Februar 2013.

Das Foto stammt von Alexandre de Robaulx de Beaurieux, Creative Commons BY 2.0. Online unter: http://aspo-deutschland.blogspot.be/2013/02/alles-jetzt-nichts-spater.html [Stand: 14.11.2020].

Für Mensch und Sippe kam es lange Zeit nur darauf an, nahe Räume zu überblicken. Nur der Nahraum bot Nahrung. Langzeitentwicklungen waren weder abschätzbar, noch hatten sie eine Bedeutung für das Überleben.139 Unser Verstand ist nicht geschaffen dafür, hochkomplexe Sachverhalte und Systeme mit Rückkopplungseffekten zu begreifen. Unsere kognitiven Leistungen wurden durch die Evolution an eine Welt angepasst, in der es nicht von Vorteil war, sich mit nicht-linearen Prozessen zu beschäftigen.

Unsere Entscheidungen werden stark beeinflusst von den limbischen Hirnteilen. Das sind jene Bereiche weit unter der Hirnrinde, die die von außen kommenden Reize mit Gefühlsempfindungen und Gedächtniserinnerungen verbinden. Die limbischen Systeme gehören zu den ältesten Bestandteilen unseres Gehirns. Die limbischen Schichten legen uns Tag für Tag Entscheidungen nach einem archaischen Belohnungssystem nahe, das kurzfristige Befriedigung weit höher einschätzt als langfristigen Nutzen.140

Der Programmierung in unseren Köpfen sind wir allerdings nicht willen- und schutzlos ausgeliefert. Dem Menschen ist es möglich, sich künftiger Bedürfnisse bewusst zu werden und Vorsorge zu treffen. In der Steinzeit wie auch heute versuchen Menschen, Vorsorge für den Fall von Hunger, Durst oder Krankheiten zu treffen. Was den Umgang mit der ökologischen Krise und eine entsprechende Vorsorge erschwert, ist der Zeithorizont. Die Zukunft scheint noch sehr weit weg zu sein. Was wird im Jahr 2040 sein? Was 2050? Und was 2100? Gefühlt sind das Ewigkeiten.

Die Gegenwart zählt für unser Gehirn viel stärker als eine weit entfernte Zukunft. Je weiter ein Vorteil in der Zukunft entfernt ist, umso weniger wert ist er für unser Gehirn. Dieses Phänomen ist in der Psychologie als zeitliche Diskontierung bekannt.141

Shifting Baselines

Menschen wie Tiere reagieren durchaus auf eindeutige und klar wahrnehmbare Gefahren. Da die globale Mitteltemperatur und der Meeresspiegel aber nur sehr langsam steigen, fehlt der Erfahrungs- bzw. Wahrnehmungsbezug. Ein Leidensdruck ist damit ebenso wenig vorhanden wie ein Schmerz- oder Mangelgefühl.

Eng mit diesem Themenkomplex verbunden ist ein Konzept aus der Umweltforschung. Es nennt sich Shifting Baselines. Mit diesem Begriff wird ein Phänomen beschrieben, wonach sich die Orientierungspunkte, anhand derer die Menschen ihre Umwelt beurteilen, schleichend und unbemerkt verschieben.142 Menschen halten immer jenen Zustand ihrer Umwelt für den »natürlichen«, der mit ihrem Lebens- und Erfahrungshorizont zusammenfällt. Und Menschen verändern sich mit ihrer Umwelt in ihren Wahrnehmungen und Werten gleitend, ohne dass sie dies selber bemerken.143 Shifting Baselines sind insofern auch dafür verantwortlich, was wir für normal halten und was nicht.

Im Zusammenhang mit Shifting Baselines – mit unmerklichen schleichenden Veränderungen unserer Wahrnehmung also – wird zur Veranschaulichung immer wieder eine Studie aus dem Jahr 2005 zitiert.144 Diese untersuchte die Wahrnehmung von Fischbeständen an der kalifornischen Küste. Forscher befragten hier drei Generationen von kalifornischen Fischern, wie sich der Fischbestand in ihrer Bucht ihrer Meinung nach verändert hatte. Allen war bewusst, dass sich der Fischreichtum verschlechtert habe. Während die ältesten Fischer sich noch an elf Arten erinnerten, die sie früher vor der Küste fingen und die verschwunden waren, nannten die jüngsten Fischer nur zwei Fischarten, die es früher einmal gab und jetzt nicht mehr. Ihre Wahrnehmung von Umweltveränderungen setzte an einem ganz anderen Referenzpunkt an, sie nahmen nur die Verschlechterung der Fischbestände von ihren verschobenen Referenzpunkten aus wahr. Das Fehlen der Fischarten gegenüber dem früheren Zustand in unmittelbarer Küstennähe war ihnen gar nicht mehr bewusst.

Das Beispiel belegt, wie schwer der Umgang mit langfristigen Umweltproblemen wird, wenn sich die Referenzpunkte zu ihrer Bewertung kontinuierlich verschieben.145 Das Konzept kann unter dem Strich erklären, warum Menschen ökologische Veränderungen nicht oder nur unzureichend registrieren.

Und dann gibt es noch ein Problem. Die Menschen in den Industrieländern haben in der Vergangenheit allzu häufig die Erfahrung gemacht, dass viele Schreckensmeldungen nicht eintreten. Krisen- und Katastrophenmeldungen gibt es in den Medien häufig – oft genug erweisen sich diese jedoch als Sturm im Wasserglas. Die »Schweinegrippe« ist ein Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit. Manche werden sich auch an den Hype um den globalen Computerabsturz im Zuge des Jahrtausendwechsels erinnern (Stichwort: Millenium-Bug). Der befürchtete Mega-Absturz kam nie.

Angesichts dieser und anderer Beispiele ist es nicht verwunderlich, dass sich bei vielen Menschen ein Denkreflex auf Schreckensmeldungen herausbildet: »Es wird schon nicht so schlimm kommen.« Erst in Krisen beginnen die Menschen zu handeln. Das hat das Ozonloch gezeigt. Oder die Kuba-Krise, die erst zur Rüstungskontrolle und dann zur atomaren Abrüstung führte.

Das Problem ist nur: Wir haben keine Zeit. Veränderungen in der Sphäre der Umwelt vollziehen sich nur sehr langsam und machen sich oft erst nach Jahrzehnten bemerkbar. Abzuwarten, bis die schlimmsten Konsequenzen der ökologischen Krise eingetreten sind, ist keine Option. Und dennoch wählen die (nicht-)handelnden Politiker genau diesen Weg des Abwartens. Gründe dafür gibt es viele. Der vielleicht wichtigste ist der Einfluss der Lobbyisten der alten Industrien auf die politischen Entscheidungsträger. Die politischen Systeme der »westlichen Demokratien« sind vom ganz großen Geld durchsetzt.

Früher galt einmal: one person, one vote. Vorbei. Heute gilt: one Dollar, one vote. Oder: one Euro, one vote. Der US-amerikanische Investigativjournalist Greg Palast schrieb vor einigen Jahren ein Buch zu diesem Problemkomplex. Der Titel des Schmökers ist äußerst treffend: The Best Democracy Money Can Buy.146

Vor allem die Auto-, Energie- und Ölindustrie nehmen beträchtliche Summen in die Hand, um selbst kleine Fortschritte im Keim zu ersticken. So gab der berüchtigte Ölkonzern ExxonMobil in der Vergangenheit mehr Geld für Lobbyarbeit in Washington aus als alle Hersteller von Solarzellen und Windrädern zusammengenommen.147 Zusammen mit Chevron, Royal Dutch Shell und anderen Akteuren aus dem Öl-Business finanziert ExxonMobil in den USA Lobbygruppen, marktradikale Think Tanks148 und klimaskeptische Gruppen. Mit Summen, an die weder Unternehmen aus dem Bereich der erneuerbaren Energien noch Umweltschutzgruppen auch nur annähernd heranreichen.149

Die Lobbyarbeit der Unternehmen zielt natürlich auch auf die Bürger und den schon beschriebenen Mechanismus der Dissonanzreduktion. Beim Bürger soll sich die Überzeugung einstellen: »Die einen Wissenschaftler sagen das, die anderen behaupten das Gegenteil. Warten wir ab, bis sie sich geeinigt haben.« Gerade in den USA sind die Erfolge der Lobbyarbeit spektakulär: Im Jahr 2007 glaubten einer Harris-Umfrage zufolge 71 Prozent der US-Amerikaner, dass der Einsatz fossiler Brennstoffe das Klima erwärme. Im Jahr 2009 waren nur noch 51 Prozent der Menschen dieser Ansicht, und im Jahr 2011 teilten nur noch 44 Prozent der Bevölkerung diese Auffassung.150 In Europa sieht das Meinungsbild glücklicherweise noch anders aus.

Für die politischen Entscheidungsträger, für die Merkels, Macrons und Bidens, ergibt sich das Problem, dass die Kosten, jetzt etwas zu tun, aus persönlicher Sicht höher sind, als nichts zu tun. In ein paar Jahren sind sie nicht mehr im Amt. Sie schreiben dann ihre Memoiren – oder arbeiten vielleicht selbst als Lobbyisten.

Kulturelle Scheuklappen

Kulturelle Einflussfaktoren sind extrem wichtig. Unsere Kultur prägt unsere Wahrnehmung der Welt sowie unsere Wahrnehmung von Risiken. Unsere Kultur bestimmt, was »normal« und »angemessen« ist. Kultur ist, so formulierte es einst Terrence McKenna, für den Menschen das, was ein Betriebssystem für den Computer ist.151 Wir leben in einer kapitalistischen Kultur. Wir haben kapitalistische Verhaltensmuster erlernt und verinnerlicht. Folglich sind wir alle auf Gelderwerb und Geldvermehrung fokussiert.

Der Geograph Jared Diamond hat sich in seiner äußerst gründlichen Studie Kollaps u. a. mit dem Niedergang der Osterinsel befasst.152 Er fragt: »Was sagte der Bewohner der Osterinsel, der gerade dabei war, die letzte Palme zu fällen?«153 Die Antwort liefert Diamond fast 400 Seiten später,154 aus der Sicht eines Bewohners der Osterinsel lautet sie wie folgt: »Weil Bäume aus religiösen Gründen schon immer gefällt wurden und es als völlig normal empfunden wurde, dass auch der letzte fällt.«

Menschen sind – und das wurde nun schon mehrfach erwähnt – Gruppenwesen. Und die Gruppe, in der sie leben, prägt ihre Sicht der Welt. Wir wachsen mit vielen nützlichen Dingen auf und halten sie für das Normalste der Welt. Dass diese Dinge uns eines Tages nicht mehr zur Verfügung stehen könnten, kommt uns nicht in den Sinn. Es ist die kulturelle Lebensform selbst, die manchmal ausschließt, dass bestimmte Sachverhalte gesehen oder schädliche Gewohnheiten geändert werden können. Aus der Außenperspektive erscheint völlig widersinnig, was aus der Binnensicht große Rationalität besitzt.155 Um bei dem Beispiel der Osterinsel zu bleiben: Die soziale Katastrophe der Osterinsel beginnt nicht mit dem Fällen des letzten Baumes, sondern deutlich vorher, nämlich mit dem Fällen des ersten Baumes. Für die Insulaner war freilich das Ende nicht absehbar.

Zu den gepflegten Mythen unserer Kultur gehört schließlich unsere Überzeugung, dass wir in der besten aller möglichen Welten leben, dass wir so, wie wir leben, richtig leben. Wir sind davon überzeugt, die Krone der Schöpfung zu sein. Daraus leitet der Mensch die Schlussfolgerung ab, dass er Tiere und Pflanzen für seine Zwecke benutzen darf. Diese Überzeugung, der Schriftsteller Daniel Quinn spricht in diesem Zusammenhang von der »gefährlichsten Geschichte überhaupt«156, nehmen wir mehr oder weniger mit unserer Muttermilch auf. Sie gehört seit Jahrtausenden zu den unhinterfragten Grundsätzen der meisten menschlichen Lebensweisen. Im Grunde lässt sich die Idee bis zur Neolithischen Revolution zurückverfolgen. Davon handelt das nächste Kapitel.

117 The Age of Stupid, Großbritannien 2009, Regie: Franny Armstrong, 89 Minuten.

118 Siehe dazu Sennett, Richard: The Corrosion of Character. The Personal Consequences of Work in the New Capitalism, New York 1998.

119 Vgl. Deflorian, Michael/Haderer, Margaret et al.: Gutes Leben, geiles Leben. Zur Attraktivität und Dialektik (nicht-)nachhaltiger Lebensweisen, Institut für Gesellschaftswandel und Nachhaltigkeit, Wirtschaftsuniversität Wien, Wien 2019. Online unter: https://www.wu.ac.at/fileadmin/wu/o/urban-experiments/Abschlusskonferenz-Jena_Gutes-Leben-Geiles-Leben_Feld-der-Transformation_Abstract.pdf [Stand: 10.12.2020].

120 Vgl. dazu Gross, Peter: Die Multioptionsgesellschaft, 3. Auflage, Frankfurt am Main 1994.

121 Vgl. dazu Reichert, Steffen: Auf eine andere Art mit der Welt in Beziehung treten – ein Gespräch mit Hartmut Rosa, Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung UFZ. Text online unter: https://www.ufz.de/export/data/2/204287_Interview_HartmutRosa.pdf [Stand: 29.5.2020].

122 Vgl. Postman, Neil: Die zweite Aufklärung. Vom 18. ins 21. Jahrhundert, 2. Auflage, Berlin 2007, S. 114.

123 Vgl. ebenda, S. 118.

124 Vgl. ebenda, S. 120.

125 Vgl. Leggewie, Claus/Welzer, Harald: Das Ende der Welt, wie wir sie kannten. Klima, Zukunft und die Chancen der Demokratie, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Band 1042, Bonn 2009, S. 97.

126 Eine Zusammenfassung der Studienergebnisse findet sich in: Gilbert, Daniel T./Quoidbach, Jordi/Wilson, Timothy D.: The End of History Illusion, in: Science, Volume 339, 2013, S. 96–98.

127 Vgl. Leggewie, Claus/Welzer, Harald: a. a. O., S. 74.

128 Vgl. Meißner, Andreas: Mensch – was nun?, Münster 2009, S. 125.

129 Vgl. dazu Kalle, Matthias/Lebert, Stephan: Das Glück der Verdrängung – Interview mit dem Psychoanalytiker Wolfgang Schmidbauer, in: Die Zeit vom 19.3.2009, Nr. 13. Vgl. dazu auch o. V.: Verdrängung. Online unter: http://www.psychology48.com/deu/d/verdraengung/verdraengung.htm [Stand: 29.5.2020].

130 Vgl. Leggewie, Claus/Welzer, Harald: a. a. O., S. 78.

131 Welzer, Harald: Mentale Infrastrukturen, a. a. O., S. 12.

132 Ebenda, S. 32.

133 Vgl. Taleb, Nassim Nicholas: Der Schwarze Schwan. Die Macht höchst unwahrscheinlicher Ereignisse, 2. Auflage, München 2015, S. 88–91.

134 Vgl. Scheidler, Fabian: Chaos, a. a. O., S. 27.

135 Fairerweise muss an dieser Stelle auch ein ethisches Gegenargument eingebracht werden, das sich an den kategorischen Imperativ von Immanuel Kant anlehnt. Was wäre, wenn alle Erdenbürger fliegen oder Auto fahren würden? Das hätte gravierende Konsequenzen für den Planeten.

136 Busse, Tanja: Die Einkaufsrevolution. Konsumenten entdecken ihre Macht, München/Zürich 2006, S. 20.

137 Whybrow, Peter: Dangerously Addictive: Why We Are Biologically Ill-Suited to the Riches of Modern America, in: Heinberg, Richard/Lerch, Daniel: The Post Carbon Reader: Managing the 21st Century’s Sustainability Crises, Healdsburg 2010. Den Text gibt es auch online unter: https://www.resilience.org/stories/2011-09-24/culture-and-behavior-dangerously-addictive-why-we-are-biologically-ill-suited-ric/ [Stand: 29.5.2020].

138 Vgl. Heinberg, Richard: Das Ende des Wachstums. Alte Konzepte – neue Realitäten, Waltrop/Leipzig 2013, S. 271.

139 Vgl. Meißner, Andreas: a. a. O., S. 103.

140 Vgl. ebenda, S. 104–105.

141 Vgl. Bohler, Sébastien: Le cerveau va-t-il détruire notre planète?, in: Cerveau & Psycho, Nr. 109, April 2019, S. 64–70.

142 Vgl. Welzer, Harald: Klimakriege. Wofür im 21. Jahrhundert getötet wird, 2. Auflage, Frankfurt am Main 2010, S. 211–218.

143 Vgl. ebenda, S. 214.

144 Sáenz-Arroyo, Andrea et al.: Rapidly shifting environmental baselines among fishers of the Gulf of California, in: Proceedings, Royal Society of London, 272/2005, S. 1957–1962.

145 Natürlich sind auch andere Beispiele vorstellbar. Man denke etwa an die Systeme der Überwachung: Die Generation, die in diesem Jahrzehnt aufwächst, wird Videokameras, Gentests und die Abfrage persönlicher Daten für normale Vorgänge halten.

146 Palast, Greg: The Best Democracy Money Can Buy, London 2002.

147 Vgl. Konicz, Tomasz: Lobby gegen Klimaschutz, in: Junge Welt vom 6.1.2010, S. 9.

148 Als Beispiele seien die Heritage Foundation, das Cato Institute oder das Heartland Institute genannt.

149 Von erneuerbaren Energien zu reden, ist streng genommen nicht korrekt. Die Gesetze der Thermodynamik (auf die noch einzugehen sein wird) besagen, dass es keine neue Energie gibt. Was sich ändern kann, sind lediglich die Formen, in denen Energie für einen gewissen Zeitraum zwischengespeichert werden kann. Bei erneuerbaren Energien erfolgt der Nachschub an Primärenergie schnell, während er bei fossilen Millionen Jahre dauert.

150 Vgl. Klein, Naomi: Klima vs. Kapitalismus. Was die linke Umweltbewegung von den rechten Think Tanks lernen kann, S. 77, in: Blätter für deutsche und internationale Politik, Nr. 1, 2012, S. 75–88.

151 »Jeder von uns nimmt die Wirklichkeit um sich herum so wahr, wie er programmiert wurde«, pflegte McKenna zu sagen. McKenna empfahl die Einnahme bewusstseinsverändernder Drogen, um das Betriebssystem zu transzendieren.

152 Jared Diamond arbeitete fünf entscheidende Faktoren für einen Zusammenbruch von Kulturen in der Vergangenheit heraus: Probleme mit der Umwelt und ein zu starkes Bevölkerungswachstum liegen immer vor. Dazu addieren sich, so Diamond, ein sich wandelndes Klima, geschwächte Handelsbeziehungen und schlechte Beziehungen zu den Nachbarn. Werden diese Herausforderungen nicht gemeistert, kommt es zum Kollaps.

153 Diamond, Jared: Kollaps. Warum Gesellschaften überleben oder untergehen, Frankfurt am Main 2006, S. 147.

154 Vgl. ebenda, S. 533.

155 Vgl. Leggewie, Claus/Welzer, Harald: a. a. O., S. 87.

156 Das Zitat stammt aus dem folgenden Film: What a Way to Go: Life at the End of Empire, USA 2007, Regie: Timothy S. Bennett, 123 Minuten. Der US-amerikanische Dokumentarfilm ist übrigens ausgesprochen sehenswert.

Adieu, Wachstum!

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