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Die Pod-People und ihre Do-it-yourself-Machines

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Das Werkeln in der Küche, das Ausprobieren von Rezepten, inspiriert von einer weltweit vernetzen Koch-Community, hat Konjunktur. Dazu gehören neben dem klassischen Braten und Kochen auch immer mehr Do-it-yourself-Techniken wie Brotbacken, Bierbrauen oder der eigene Gemüseanbau im Minigewächshaus. Das Digitale ermöglicht dabei immer mehr Präzision und eine automatische Fernsteuerung, die Anwendung von Techniken in der häuslichen Küche möglich macht, die vorher der Lebensmittelindustrie, Profiköchen, dem spezialisierten Handwerk oder dem Profigärtner im Gewächshaus vorbehalten waren.

Eine dieser Techniken, die man noch vor wenigen Jahren nur in der gehobenen Gastronomie sehen konnte, ist das Garen von Gemüse oder Fleisch bei niedrigen Temperaturen im Wasserbad, eingeschweißt in einen Beutel. 2014 riefen die Gründer Stephen Svajian, Jeff Wu und Natalie Vaughn Foodies dazu auf, sie bei ihrer Idee eines neuen Präzisionskochers auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter zu unterstützen. Ihr Ziel war es, mithilfe von Technologie jedem diese Art der Zubereitung mit einfachsten Mitteln möglich zu machen. Der Name ihres Start-ups: Anova. Heraus kam ein mit Heizfunktion und Pumpe ausgestattetes, stabähnliches Gerät, das wie ein Tauchsieder in ein Wasserbad gehängt wird. Dort sorgt es dann für konstante Temperatur über viele Stunden oder Tage. Zum Konzept gehörte von Anfang an die Vernetzung des Gerätes mit einer Smartphone-App. Ambitionierte Hobbyköche können so den Kochvorgang, der bei diesen niedrigen Temperaturen oft sehr lange dauern kann, aus der Ferne starten, steuern und timen. Alles, was dazu notwendig ist: ein Smartphone und eine Internetverbindung. Wie bei vielen Apps können Nutzer ihre Sous-vide-Rezepte teilen oder sich von anderen inspirieren lassen. Gründer Stephen Svajian bezeichnet diese Art zu kochen als »Cloud Cooking«. Die Anova-Algorithmen registrierten bislang über 100 Millionen Kochvorgänge von Nutzern des Geräts. Der smarte Heizstab entwickelte sich zum Bestseller, und die Gründer verkauften ihr Startup Anfang 2017 für 250 Millionen Dollar an den schwedischen Küchengerätehersteller Electrolux.

Nicht nur neue ausgefeilte Kochtechniken der Sterneküche, sondern auch komplexe Fermentationstechniken können dank digitaler Steuerung in die Küche einziehen. Der Deutschen liebste Fermenta tionstechnik, das Brauen von Bier, gehört ebenfalls dazu.

Auf der Internationalen Funkausstellung 2019 in Berlin stellten die Koreaner von LG Electronics ihre Zukunftsvision des Bierbrauens für zu Hause vor. Mit dem »HomeBrew«-System sollen alle Schritte möglich werden, angefangen bei der Fermentation des Gerstenmalzes über die Kohlensäurebildung bis hin zur Reifung des Bieres in kompakter Form auf dem Küchenschrank. Temperatur, Zeit und Druck werden dabei durch den »LG-Algorithmus« kontrolliert und gesteuert. Das System, das am Ende des Brauvorgangs fünf Liter Bier zum Zapfen produziert, ist seit Sommer 2020 erhältlich und kostet 1.660 US-Dollar.

Ein ähnlicher Brauautomat ist schon mehrere Jahre am Markt: Der Picobrew, entwickelt von dem Startup des Ex-Vizepräsidenten von Microsoft, Bill Mitchell, hat das Format eines kleinen Backofens. Aus der Seite ragen zwei Schläuche, die mit einem kleinen Fass neben dem Hauptgerät verbunden sind. Um mit dem Bierbrauen zu starten, muss man den Pico, ähnlich wie das geplante LG-Electronics-Gerät, mit Startersets füttern, ganz so, wie man es von den Kapseln einer Espressomaschine kennt – nur größer. Die Packs enthalten vorgefertigte Mischungen aus Biermalz und Hopfen, die jeweils mit einem RFID-Chip auf der Oberseite versehen sind. Den Chip nutzt die Maschine, um das passende Braurezept aus dem PicoBrew-Katalog herunterzuladen und die richtigen Schritte des Brauvorgangs einzuleiten. Ein paar Tage später kann nach Hefezugabe und Reifung bereits das fertige Bier getrunken werden. Wer eigene Bierstile kreieren will, sein Bier etwas bitterer, dunkler oder anders gehopft haben möchte, kann sich auf der Homepage des Startups von Bill Mitchell eigene Starterpacks mit einfachen Reglern konfigurieren. Zum System gehört, wie bei vielen neuen Küchengeräten, eine Online-Community-Plattform, auf der sich die Heimbrauer vernetzen und Rezepturen austauschen können. An die 20.000 Hektoliter braute die Pico-Community bis jetzt. Das ist immerhin so viel, wie eine kleine deutsche Brauerei pro Jahr herstellt.

Systeme wie Pico und vergleichbare Produkte wie der BeerDroid oder Brewbot muten an wie digitale Enkel der in den Neunzigern aufgekommenen Brotbackautomaten. Neben Bier mischen diese vernetzten Geräte heute auch Drinks oder Smoothies aus fertig gelieferten Zutaten. Neu ist, dass die Hersteller ihre Geräte direkt mit einem Online-Lieferabo verknüpfen und die Kunden damit in ein praktisches, aber auch abhängig machendes System bringen. Beobachter der Szene sprechen bereits von »Pod People« in der Küche, also Menschen, die nur noch Nachfülldosen für ihre Geräte bestellen. Im Fall von PicoBrew begann im April 2020 das Zittern vieler Kunden mit der Ankündigung der Insolvenz der Firma und dem Verkauf an einen neuen Inhaber. Wer sorgt jetzt für die nächsten Updates von App und Gerät? Wird die digitale Plattform weitergeführt? Was stelle ich mit einem Gerät an, für das ich in Zukunft vielleicht keine Kapseln mehr bekomme?

Wie groß und begeisternd der Traum vom eigenen Butler in der Küche sein kann, zeigt das Beispiel einer Kaffeemaschine, die sich 2015 in Facebook-Anzeigen als »Orenda – your personal Barista« präsentiert. Das glänzend-silberne Gerät versprach, ein voll programmierbarer Teil des IoT (Internet der Dinge) zu sein, eine eigene App für verschiedene Rezepte direkt vom Kaffeeröster zu besitzen sowie eine eingebaute Kaffeemühle. Mit jeweils 424 US-Dollar sollten Inter essenten das Projekt damals auf der Crowdfunding-Plattform Kickstarter unterstützen, um am Ende eine der fertigen Maschinen ihr Eigen nennen zu können.

Das machte der Programmierer Peter Naulls und erhielt nach endlosen Verschiebungen des Produktionsstarts und Verzögerungen bei der Auslieferung schließlich ein Gerät, aus dem nach Inbetriebnahme ein halber Becher unappetitlicher, brauner und lauwarmer Brühe tropfte. Die zum Gerät gehörige App stellte sich als praktisch unbrauchbar heraus, obwohl sie zur Steuerung des Gerätes notwendig war – einen An- und Ausschalter am Gerät gab es nicht. Nutzer eines Android-Smartphones konnten noch nicht einmal lauwarmen Kaffee produzieren. Für ihr Betriebssystem funktionierte die App und damit die gesamte Kaffeemaschine nicht.

Naulls berichtet auf seinem Blog von der abenteuerlichen Geschichte, die dann folgte. Nachdem Reklamation und Rücksendungen fehlschlugen, begann Peter Naulls das Gerät schließlich auf zuschrauben und Kabel, Pumpen und Computerchip-Wirrwarr zu begutachten. Als Programmierer konnte er auf zwanzig Jahre Erfahrung in Sachen Firmware zurückgreifen. Am Ende gelang es ihm durch Anzapfen und Hacking des fehlerhaften Betriebssystems, immerhin heißes Wasser von der Maschine produzieren zu lassen. Es schmeckte allerdings nach Gummi. Die von ihm offengelegte und überarbeitete Software stellte er anschließend in ein Onlineforum zum freien Download.

Am Ende fand Naulls heraus, dass nicht nur die Likes auf der Facebook-Seite des Startups offensichtlich gekauft waren und negative Bewertungen bewusst verborgen wurden, sondern dass auch die gesamte Gründergeschichte hinter dem vielversprechenden Projekt mehr als fadenscheinig war. Schlussendlich begrub er seine Hoffnungen vom digitalen Barista in seiner Küche und kaufte sich eine Kaffeemaschine ohne WLAN im nächstgelegenen Supermarkt. »Ja, sie kann eine Sauerei machen, wenn man den Deckel nicht richtig aufgesetzt hat«, schreibt er, »aber sie macht extrem schnell Kaffee. Und habe ich erwähnt, dass sie 20 Dollar gekostet hat?«

Dieses Beispiel mag extrem sein, aber es zeigt, dass zur Hausarbeit der Zukunft auch das Aufräumen und Pflegen »des Digitalen« gehören könnten. Habe ich schon das neue Update für den Backofen her untergeladen? Ist der Küchenmixer richtig mit meiner Liefer-App verbunden? Das sind mögliche Fragen, die das »digitale housekeeping« der Zukunft beantworten muss. Wir sollten also wachsam sein, um später nicht vor unliebsamen Herausforderungen durch digitale Störungen zu stehen, die den Spaß am Kochen, Brühen oder Brauen vermiesen.

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