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Satt machende Pulver aus dem Web

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Im Jahr 2013 beschloss der US-amerikanische Softwareentwickler Rob Rhinehart, keine normalen Lebensmittel mehr zu essen. Er wollte seine persönliche Ernährung als ein rein technisches Problem angehen und ein zeitsparendes Ernährungsprodukt für seinen Körper entwickeln. Eine Art Astronautennahrung, die alles enthält, was sein Organismus braucht. Als Grundlage dafür diente die offizielle Ernährungsempfehlung des Landwirtschaftsministeriums der Vereinigten Staaten (USDA). Nach diesen Vorgaben mischte er sich ein Pulver aus pflanzlichen Eiweißen wie etwa Sojamehl und Reisproteinen, aus Kohlenhydraten wie Maltodextrin, Vitamin-Präparaten und Ballaststoffen zusammen, das, mit Wasser zu einer Art Shake gemischt, seine einzige Nahrung sein sollte. Nach einigen Wochen stellte er fest, es reichte zum Leben und er fühlte sich gut dabei. Mit dieser Erfahrung, wonach er lediglich sein Konzentrat benötigte, um alle wichtigen Ernährungsbestandteile zu bekommen, gründete Rhinehart das Startup Soylent.

Rhineharts Pulvervollnahrung schuf damit nicht nur eine neue Produktgruppe, die heute Complete Food (CF) genannt wird. Er schuf damit auch einen neuen Massenmarkt und einen populären Lifestyle. Denn CF-Mahlzeiten sind im wahrsten Sinn des Wortes etwas für Erbsenzähler: Sie ermöglichen eine genaue Messung der jeweiligen Nährstoffe und damit eine genaue Kontrolle der Nahrungsaufnahme. Genau richtig für ihre Fans. CF-Mahlzeiten reduzieren außerdem die Komplexität der Auswahl, den Einkauf und die Zubereitung auf ein Minimum. Es genügt das Anrühren mit Wasser. Das findet gerade unter dauergestressten und am Computer arbeitenden Menschen großen Anklang. Complete Food ist das ultimative Fast Food: technologisch optimiert, zeitsparend, billig, unkompliziert. Getreu dem Motto: Ich muss mich um nichts mehr kümmern, denn es ist ja alles enthalten, was man braucht.

An Rhineharts Startup ist heute unter anderem die Firma GV, die Risikokapitalgesellschaft von Googles Mutterkonzern Alphabet, als Investor beteiligt. Wettbewerb gibt es auch schon: das von dem Briten Julian Hearn gegründete Startup Huel (steht für »Human + Fuel«, also Mensch + Treibstoff), das französische Startup Feed und Yfood aus Deutschland.

Die Studie zu Complete Food von Markéta Dolejšová »From Silicon Valley to Table: Solving Food Problems by Making Food Disap pear« sowie ein Selbstexperiment der tschechischen Forscherin kommen zu dem Ergebnis: »Complete Foods lehnen das als ungenau und emotional beeinflussbar betrachtete Bauchgefühl ab und folgen stattdessen der Idee, Brennstoff für den Verdauungstrakt zu sein, der auf exakten Daten basiert.« Diese Trinkmahlzeiten sind ein Beispiel für »Nutritionism«: die reduktionistische Sichtweise von Nahrung als eine Summe von Nährstoffen. Lebensmittel, Kochen, Essen sind aber komplexe Vorgänge, die soziale und kulturelle Bedeutung haben.

Auf Online-Vergleichsportalen wie etwa Blend Runner tauschen sich die Nutzer von CF über die ideale Zusammensetzung und Wirkung von Pulvernahrung aus. Man kann auf solchen Plattformen aufs Gramm genau die Rezepturen vergleichen und in Rankings nachvollziehen, welche Version derzeit als die beste von den Online-Fans bewertet wird. Ganz oben rangieren etwa »Plenny Shake v2.1« aus den Niederlanden und »Ruffood RTD v3.5« aus China.

Denn abgeglichen werden die Zusammensetzungen der Cocktails mit den persönlichen Selbstüberwachungsdaten der Fitness- und Gesundheits-Apps der Nutzer. Markéta Dolejšová stellt dazu fest: »Die Online-Weitergabe von persönlichen Körperdaten ist ein üblicher Bestandteil quantifizierter Ernährungspraktiken. Statt offizieller Lebensmittel- und Gesundheitsempfehlungen bevorzugten die Anhänger von CF datengestützte Nachweise, die durch ihre diätetischen Selbstversuche und Peer-to-Peer-Fehlersuche gewonnen wurden.«

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