Читать книгу Ströme meines Ozeans - Ole R. Börgdahl - Страница 228

Sydney, 9. Juni 1895

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Wenn ich nicht an der Reling stehe, widme ich mich wieder meinen Büchern. Mit Melvilles »Moby Dick« habe ich keine gute Wahl getroffen. Ich überspringe viele Seiten, weil ich immer auf den Kampf mit dem Wal warte, der einfach nicht kommen will, denn Melville erzählt alles, nur nichts über den Kampf mit der Bestie. Die Geschichte wird gebremst, wenn Melville über die Riten der Walfänger oder über die Anatomie der Wale berichtet. Das Buch ist an manchen Stellen schon wie ein Lexikon, ein Philosophiebuch. Ich musste mich bereits mit der Farbe Weiß als Symbol für das Böse auseinandersetzen. Ich überlege schon den »Moby Dick« wieder beiseitezulegen und mir ein anderes Werk zu nehmen, aber ich glaube, dafür bin ich zu stur, denn was ich einmal zu lesen begonnen habe, will ich um jeden Preis zu Ende bringen. Ich habe jetzt auch endlich meine Reiseroute wieder nachgezeichnet. Ich habe den letzten Punkt direkt mit der Stadt Perth als eine gerade Linie verbunden. Ich weiß nicht, ob der Kapitän tatsächlich dieser Linie gefolgt ist, ich nehme es aber an, da es ja keine Hindernisse zu umschiffen gab. Mrs. Bly hat auf ihrer Reise weitaus mehr Orte besucht. Wir haben erst wieder hier in Perth Kohle aufgenommen und haben daher seit Port Said keinen weiteren Stopp mehr benötigt. Vom Kapitän wissen wir, dass dies gut sechstausendfünfhundert Seemeilen oder zwölftausend Kilometer sind, ohne dass wir einen Hafen gesehen haben oder gar sonst irgendwelches Land. Mrs. Bly konnte in Aden, Colombo, Singapur, Hongkong, Yokohama und wo nicht alles noch, Station machen. Sie hat auf ihrer Reise Theater besucht, die Städte kennengelernt, die Landschaften und Menschen der fremden Länder und vieles mehr. Ihren Weihnachtsausflug von Hongkong nach Canton fand ich allerdings nicht sehr angenehm und hätte ich an Mrs. Blys Stelle vorher gewusst, dass mich an diesem Ort Geschichten von Hinrichtungen und der Besuch einer Leprakolonie erwarten, wäre ich nicht dorthin gereist. Aber Mrs. Bly ist ja Journalistin und muss auch solche Dinge sehen und erleben. Ich fand es schon sehr unangenehm nur davon zu lesen. Insgesamt haben die Schiffe, mit denen Mrs. Bly gefahren ist, siebenmal in Häfen geankert und jedes Mal konnte sie von Bord gehen. Unser Stopp in Perth war dagegen ein Nichts. Bei all diesem sehe ich für mich nur einen Vorteil gegenüber der Reise von Mrs. Bly, ich verliere nicht unnütz Zeit, denn mein Ziel ist ja nicht, eine Weltreise zu unternehmen, sondern, so schnell wie möglich wieder mit Victor zusammen zu sein.

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