Читать книгу So geht Zukunft - Oliver Leisse - Страница 13
Die beispiellose Situation.
ОглавлениеEs sollten die Goldenen Zwanziger werden. Wenn man sich die Situation im Sommer 2020 im Handel ansieht, in der die Kassierer*innen in Kabinen sitzen, geschützt von Plexiglas, werden das wohl eher die Plexiglas-Zwanziger. Nicht nur der Einkauf macht einigen keinen Spaß mehr. Das Leben hat sich in dieser Zeit völlig verändert. So hatten wir uns das nicht vorgestellt.
Was ist passiert?
Wir hatten die Weihnachtszeit 2019 gerade noch im totalen Konsumrausch erlebt. Meine Kund*innen waren auf der Suche nach der Produktvariante, die die verwöhnten Kund*innen jetzt noch interessieren könnte. Sie neugierig machen in einer Welt, in der Aufmerksamkeit die knappste Ressource ist.
Was kann man jetzt noch an Geschmacksvarianten kombinieren, damit mein Drink im Regal interessanter wird? Oder sollten wir etwas herausnehmen, weil »frei von«, also das Signal der Reinheit, gerade im Trend ist? Wir als Trendforscher*innen werkelten mit Kund*innen an Lösungen für den sogenannten roten Ozean.
Der rote Ozean ist ein Bild, das die Autoren der Blue Ocean Strategy entwickelt haben, W. Chan Kim und Renée Mauborgne.2
Es geht darum, dass die meisten Märkte ziemlich vollgestopft sind mit sehr ähnlichen Angeboten. Es gibt nur noch kleine Verbesserungen, und die vielen Konkurrenten zerfleischen sich gegenseitig. Wie zu viele Haifische in einem zu kleinen Ozean. Deshalb ist dieser Ozean rot.
Besser ist es, neue Ozeane zu finden, mit einem ordentlichen Innovationsvorsprung, und sich in diesen unbedrängt zu entwickeln. Das geht natürlich nur so lange gut, bis immer mehr Konkurrenten auftauchen, es immer enger wird und der Kampf von vorne beginnt.
Ein Beispiel? Nintendo kommt am 3. März 2017 mit der mobilen Spielekonsole Switch auf den Markt. Die ist technisch den bestehenden Konsolen im Markt deutlich unterlegen. Die Konkurrenz jubelt. Zu früh. Denn die Switch erreicht auf einmal eine neue Zielgruppe: Die Casual Gamer*innen, die hochwertige Spiele einfach zwischendurch oder auch unterwegs spielen wollen. Im Zug, mit den Kindern bei Regen in der Ferienwohnung. Also kreiert Nintendo mit der Switch einen blauen Ozean. Aktuell gibt es noch keinen weiteren Dickfisch in diesem Ozean, die Aktien von Nintendo steigen.
Die Situation Ende 2019? Überall sind die Märkte übervoll, die Ozeane blutrot. Es war schon vor der Pandemie schwierig.
Wohin man blickte: Produkte, die auf sich aufmerksam machen wollten, und dort, wo es an Kreativität in der Innovationskraft und Intelligenz im Marketing fehlte, gab es dann Rabatte und Schnäppchen-Angebote, um die Kund*innen doch noch zum Kauf zu drängen.
Und dann kommt die Corona-Krise – und die Konsument*innen nehmen ein Blatt vor den Mund und gehen erst einmal in sich. Das Blatt ist die Maske, die nötig ist, damit die Ansteckungsgefahr sinkt, es ist aber auch ein Symbol:
Weniger Kommunikation. Kein Lächeln zu sehen, sondern nur eine Stirn, die oberhalb der Maske in Sorgenfalten liegt. Und der Markt merkt es in diesem Jahr: Die Kauflust erlischt. Märkte brechen ein – im Fashionbereich in Deutschland ging der Umsatz in der Spitze um bis zu 71 Prozent zurück.
Der Premiumbereich bricht ebenfalls ein. Selbst die in der Lockdown-Zeit noch offenen Drogerien berichten von Umsatzrückgängen.
Das Leben, die Wirtschaft, Beziehungen, Verkehr, alles bremst von 100 auf 0 herunter. Ansteckungsgefahr. Alles ist geschlossen. Wir bleiben zu Hause. Ein irritierender Ausnahmezustand. Die Situation läuft blitzschnell und doch wie in Zeitlupe ab.
Der Satz, der so oft zu hören war:
Diese Situation ist beispiellos. Oder im Englischen: »unprecedented«.
Wir waren auf einmal Gestrandete in einer Welt der Unsicherheit, voller Masken, beunruhigender Nachrichten, leerer Straßen, geschlossener Restaurants und Flugzeugen, die nicht mehr fliegen. Dazu Bilder von Intensivstationen aus aller Welt, die uns in Panik versetzten, und dann auch noch ein Stakkato von Expertenmeinungen zu jedem Aspekt der Pandemie.
Eine besondere Melange. Wir können sie analysieren und einige Schlüsse für unsere Zukunft daraus ziehen.