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Die Corona-Krise.

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Da gibt es zwei Ebenen. Die eine ist die faktische: Wir kämpfen mit der Bedrohung und waren auf eine solche Krise nicht vorbereitet – aber wer war das schon?

Die andere ist die emotionale Ebene. Der Leiter des Rheingold Instituts, das sich mit Markt- und Medienforschung befasst, Stephan Grünewald, analysiert als Experte die Situation in Deutschland und, konkreter, das deutsche Lebensgefühl. Ähnlich wie wir in der Zukunftsforschung führt er intensive Interviews mit den Menschen durch, um herauszubekommen, was sie fühlen, wovor sie Angst haben und was sie von der Zukunft erwarten. Grünewald hat für sein Buch Wie tickt Deutschland? Psychologie einer aufgewühlten Gesellschaft, das im März 2019 erschienen ist, Tausende Interviews durchgeführt und kommt zu dem Schluss:

Wir Deutschen leben, wie viele andere westliche Staaten, in einer Art Auenland. In Anlehnung an das friedliche und knuddelige Land der Hobbits aus J. R. R. Tolkiens Buch Herr der Ringe leben auch wir im Idyll:

Stabile Wirtschaft, viele Konsumangebote. Viel Urlaub, ein engmaschiges soziales Netz. Die realen Nöte sind überschaubar. Ein Ärgernis, das Grünewald nennt, ist die enttäuschte Digital-Sehnsucht:

»Das Smartphone ist für die Menschen ein Zepter der Macht. Es verleiht ihnen einen magischen Zeigefinger. Im Handstreich können wir das Weltwissen ergoogeln, geschäftliche Transaktionen tätigen oder mit der App Tinder Liebespartner finden. Doch in der Realität ist der Single weiter einsam, die Kinder schreien weiter am Abendbrottisch, der Nachbar hat noch immer ein größeres Auto. Wir kippen so ständig aus der digitalen Allmacht in die analoge Ohnmacht. Und das erzeugt Wut.«3

Es läuft dennoch ziemlich gut. Wir leben im Auenland mit einer »Vollkaskomentalität«, wie Grünewald sagt.

Aber natürlich gibt es die Angst vor der anderen Welt, dem Grauenland. Dort gibt es die Flüchtlingskrise, den Terror. Und jetzt kann man noch eine Bedrohung hinzuzählen: die Pandemien.

Wir waren nicht vorbereitet auf diese Pandemie hier. Denn wir hatten keine Ahnung, wie schlimm es werden würde. Wir hatten viele Meinungen und keine Masken.

Doch genau zum richtigen Zeitpunkt entdecken die Menschen weltweit eine Stärke: Wir halten in Krisenzeiten zusammen, sind sehr schnell sehr gut organisiert und halten uns an Regeln (auch wenn wir ständig über sie meckern). Aber das Wichtigste ist eben: Wir helfen einander.

Rutger Bregman, ein niederländischer Historiker, zeigt in seinem 2020 erschienen Buch Im Grunde gut am Beispiel verschiedener Kriege, dass das schon immer so war: Unabhängig zu welchem Staat sie gehörte, hielt die Bevölkerung umso enger zusammen, desto schwerer Angriffe und Bombardements auf sie waren. Was lernen wir daraus? In Krisenzeiten wächst die Bevölkerung zusammen.

Nehmen wir an, die Corona-Krise ist faktisch handhabbar und in ihrer Bedrohung begrenzt. Dann ist das Hauptproblem der Krise immer noch, dass sie wie ein Brandbeschleuniger gleich weitere Krisen auslöst, die schon länger vor sich hin schwelten. In den USA lässt sich das sehr gut beobachten: hohe Arbeitslosigkeit in einem ohnehin löchrigen sozialen Netz, denn mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses läuft hier auch die Krankenversicherung aus. Ein Teufelskreis. In dieser Situation werden jetzt auch die alten Probleme überdeutlich, die man vorher, in den vermeintlich guten alten Zeiten, noch erfolgreich verdrängen konnte. Jetzt wird der tägliche, hässliche Rassismus demaskiert. Eine Welle der Wut schwappt über das Land und kein Stein bleibt auf dem anderen. Amerika ist gespalten und jetzt, in der Krise, wird das überdeutlich.

Auch in Deutschland gibt es eine Diskussion über Ungerechtigkeit und Ungleichheit während der Corona-Pandemie. Denn natürlich wurden nicht alle durch die Krise gleich hart getroffen. Mit finanziellen Reserven und einer großen Wohnung ausgestattet, kann man eine solche Zeit besser bewältigen als auf Kurzarbeit gesetzt und mit der Familie in eine kleine Sozialwohnung gepfercht.

Doch in dieser Zeit gibt es eben auch eine Renaissance des Wir. Nachbarschaftshilfen schossen überall aus dem Boden, die Menschen halfen einander schnell und ohne zu zaudern. Unternehmen zahlten Boni an ihre Mitarbeiter*innen, die im Lockdown arbeiten mussten, die Bundesregierung unterstützte überraschend schnell und unbürokratisch Selbstständige und kleine Unternehmen mit einem Zuschuss. Der Arbeit des medizinischen Personals wurde viel Respekt gezollt. All das lief nicht perfekt und auch das soziale Netz ist nicht perfekt, aber unter dem Strich kann sich das Ergebnis sehen lassen.

Markus Söder, der bayerische Ministerpräsident, hat von einem Charaktertest gesprochen. Die meisten von uns haben diesen Test bestanden.

Wir unterstützen uns in der Corona-Krise gegenseitig, es geht also. Diese Eigenschaft müssen wir uns bewahren. Nicht nur der Nächstenliebe wegen: Wenn wir das Gefühl haben, dass wir einander vertrauen und auf gegenseitige Hilfe setzen können, dann ist es auch leichter, mit der Unsicherheit klarzukommen.

Die Gefahr ist, dass wir von diesem guten Wir-Gefühl wieder zum Ich, zum Egoismus, zurückkehren. Das können wir nämlich auch gut, wie die Vergangenheit gezeigt hat. Solange wir im Ich stecken bleiben, wird es keine Zukunft geben – weder in Bezug auf eine nachhaltige und gerechte Wirtschaft noch in Bezug auf eine lebenswerte, vielfältige und offene Gesellschaft. Und schon gar nicht, wenn wir die Herausforderungen der Klimakatastrophe in den Griff bekommen wollen. Dazu brauchen wir ein weltweites, sich gegenseitig stützendes und helfendes Wir. Die Corona-Krise sollte uns Mut machen. Wir können die Welt zum Positiven verändern, wenn wir uns einig sind. Wir können das.

Wir lernen eine Menge aus der Corona-Krise – nicht nur dass wir uns mit der Unsicherheit arrangieren müssen. Auch, und das ist die Chance, dass es noch ein »Wir« gibt. Das sollte uns Hoffnung machen. Gemeinsam wird jede Krise überwindbar sein. Freuen wir uns über die Entdeckung der gemeinsamen Stärke und sehen sie als die Chance, gut durch die kommende Zeit zu navigieren.

So geht Zukunft

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