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3. Die Adoption des Besten

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Schon Octavian wurde von Caesar testamentarisch adoptiert. Als Augustus nahm er seinerseits verschiedene Mitglieder seiner Familie an Sohnes Statt an. Die Herrschaft geriet nämlich immer dann in Gefahr, sobald andere die Gelegenheit sahen, eigene Herrschaftsansprüche durchsetzten zu können. Caesar wurde ermordet, als er keinen Nachfolger zu haben schien. Augustus, der keinen leiblichen Sohn hatte, war immer auf einen Nachfolger bedacht. Verstarb einer der Kandidaten, wurde ein anderer ausgewählt. So wurden etwa die Enkel Gaius und Lucius Caesar sowie der Schwiegersohn Marcellus als gewünschte Nachfolger gesehen. Nachdem diese verstorben waren, wurde schließlich der Stiefsohn Tiberius adoptiert und gezwungen, Germanicus, den Großneffen des Augustus, zu adoptieren. Mit der Adoption wurden wichtige Imperien und die tribunizische Amtsgewalt übertragen. Der privatrechtlich Adoptierte wurde somit staatsrechtlich als der künftiger Kaiser designiert.

Kaiserliche Adoption

Augustus fand seine Nachfolger in der eigenen Familie, Galba hingegen Kaiserliche Adoption hatte seinen Nachfolger im Volk gesucht und Lucius Calpurnius Piso Frugi adoptiert. In einer fiktiven Rede Kaiser Galbas, die tatsächlich aber die Meinung des Historikers Tacitus wiedergibt, projiziert der Historiker Elemente der Adoption Trajans auf die Adoption Pisos. Dabei verdeutlichte er, dass nicht die Volksversammlung oder der Senat die Wahl des Nachfolgers traf, sondern dass dies die Aufgabe einer vorgeschalteten Volksversammlung bezüglich der Herrschaft (comitia imperii) war. Diese bestand aber lediglich aus den engsten Vertrauten des Kaisers. Diesen präsentierte Galba seinen Kandidaten. Die Anwesenden wählten nicht aus, sondern Galba teilte ihnen seine Wahl mit.

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Die Rede Galbas

(Tacitus, Historien 1,15,1f.; 16,1f.)

Galba fasste also Piso an der Hand und begann, wie man berichtet, folgendermaßen zu sprechen: „Wenn ich dich als Privatmann nach dem Kuriatsgesetz vor den Pontifices, wie es Brauch ist, adoptierte, so hätte es ebenso für mich eine Ehre bedeutet, …, wie für dich eine Auszeichnung … Da ich aber nun mit Zustimmung der Götter und Menschen zur Herrschaft berufen worden bin, haben mich dein vortrefflicher Charakter und deine Vaterlandsliebe bewogen, den Prinzipat, um den unsere Vorfahren mit Waffengewalt kämpften, nunmehr, da ich selbst ihn in einem Krieg errungen habe, dir in Friedenszeiten anzutragen – nach dem Beispiel des Divus Augustus, der Marcellus, den Sohn seiner Schwester, dann seinen Schwiegersohn Agrippa, hierauf seine Enkel und schließlich seinen Stiefsohn Tiberius auf die nach ihm höchste Stufe der Würde erhoben hat. Aber Augustus suchte in seinem eigenen Haus einen Nachfolger, ich im Gemeinwesen (sed Augustus in domo successorem quaesivit, ego in re publica), nicht etwa weil ich keine eigenen Verwandten oder Kriegskameraden hätte: Vielmehr habe ich selbst die Herrschaft ohne persönlichen Ehrgeiz übernommen, und Beweis für mein klares Urteil sollen nicht nur meine verwandtschaftlichen Beziehungen sein, die ich deinetwegen zurückgestellt habe, sondern auch die deinen.

[…] Unter Tiberius, Gaius und Claudius waren wir gewissermaßen einer einzigen Familie Erbgut: als Ersatz für die Freiheit wird es gelten, dass mit uns die Wahl eingesetzt hat; und nach dem Aussterben des Hauses der Julier und Claudier wird jeweils den Besten die Adoption herausfinden. Denn Abstammung und Geburt herrschen zu verdanken ist Zufall, und es wird auch nicht anders bewertet. Bei der Adoption ist das Urteil ungetrübt, und wenn man jemanden erwählen will, liegt der Beweis in der allgemeinen Zustimmung (consensus).

Die kaiserliche Nachfolgeradoption unterschied sich von da an grundlegend von der Privatadoption. Galba adoptierte Piso nicht, wie es Brauch gewesen wäre, vor der Kuriatsversammlung in Anwesenheit der Pontifices, sondern spontan bei einer Audienz enger Vertrauter. Er nutzte seine kaiserlichen Befugnisse und erweiterte seine kaiserlichen Kompetenzen aufgrund der ihm zugebilligten Vollmacht zum Handeln und Tun (siehe lex de imperio Vespasiani § 6). Die Anwesenheit der Pontifices war womöglich gar nicht nötig. Immerhin war der Kaiser zugleich Pontifex maximus. Die Neuerung ist also eher in dem Verzicht auf ein Kuriatsgesetz zu sehen. Galba kennzeichnete durch das Abweichen von den Formalien der Privatadoption die Besonderheit der kaiserlichen Adoption. Für diese war fortan eine einseitige kaiserliche Willenserklärung ausreichend. Von der üblichen Adoption blieb die Begründung eines Vater-Sohn-Verhältnisses und die Übernahme des Vaternamens durch den Sohn bestehen (Corpus inscriptionum Latinarum VI 2051I 26ff.; Plinius d. J., Panegyricus 88,5).

Nach erfolgter Adoption wurde Piso von Galba dem Senat und den Prätorianern im Militärlager als Nachfolger vorgestellt (Sueton, Galba 17). Dies zeigt überdeutlich, dass der Kaiser und seine Berater über die Nachfolge entschieden. Die Adoption durch einen Kaiser war gleichbedeutend mit der Designation zum Nachfolger bzw. Mitkaiser. Der Senat und das Militär durften nur noch akklamieren. Tacitus zufolge wurde der Verlust der Freiheit aber durch die Adoption des Besten kompensiert (Tacitus, Historien 16,1). Mag dies auch ein schwacher Trost für die Senatoren sein, so ist es dennoch keine Ironie. Tacitus spricht in der Rede des Galba nur aus, was die meisten Senatoren dachten. Augustus hatte 23 v. Chr. den Konsulat niedergelegt und damit konnten die Senatoren wieder ungehindert das höchste Amt erreichen. Das Adoptionsprinzip eröffnete ihnen den Weg zum Kaisertum. Ahnenstolze Patrizier und aufstrebende Plebejer konnten die Kaiserwürde erlangen.

Trajan war der erste, dem dies gelingen sollte. Im Jahre 96 n. Chr., das ähnlich wie das Jahr 69 n. Chr. von Krisen gekennzeichnet war, wurde Trajan von Nerva adoptiert. Wie schon Galba versuchte Nerva dadurch die Herrschaft abzusichern. Die Adoption Trajans sollte sich als die richtige machterhaltende Maßnahme herausstellen. Überdies war diese Entscheidung, was zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen konnte, richtungweisend für die Herrschaftssukzession der nächsten ca. 80 Jahren. Das Adoptionsprinzip entfaltete seine Wirkung als Sukzessionsinstrument, da – der Zufall wollte es so – auch die nachfolgenden Kaiser keine leiblichen Söhne hatten. So adoptierten die Kaiser Nerva, Trajan, Hadrian und Antoninus Pius ihren jeweiligen Nachfolger.

Ideologie des Adoptionsprinzips

Die ideologische Begründung des Adoptionsprinzips lieferte der jüngere Ideologie des Plinius, der in einer Lobrede (Panegyricus) auf Trajan im Jahre 100 n. Chr. Adoptionsprinzips schrieb, dass der Herrscher aus allen erwählt werden müsse: Er müsse der Beste (optimus) sein.

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Der Panegyricus des jüngeren Plinius

(Plinius d.J., Panegyricus 7,6; 88,5f.; 89,1)

Wer über alle herrschen soll muss aus allen erwählt werden. Du willst ja nicht etwa deinen Sklaven einen neuen Herrn vorsetzten, so dass du auch mit einem Erben nach gesetzlicher Regelung zufrieden sein könntest, sondern du willst den Bürgern Roms einen Princeps und Kaiser geben. Darum würdest du anmaßend und despotisch handeln, wenn du nicht denjenigen adoptiertest, der nach einhelliger Auffassung auch dann zur Herrschaft gekommen wäre, wenn du ihn nicht adoptiert hättest.

[…] Es hat der beste Princeps [Nerva] dir bei der Adoption seinen eigenen Namen verliehen, und der Senat den des Optimus. Das ist nun ebenso dein Eigenname wie der vom Vater überkommene, und wer dich Optimus anredet, drückt sich genauso eindeutig und unverwechselbar aus wie der, der Trajan sagt.

[…] Mit welch inniger Freude, göttlicher Nerva, kannst du nun erleben, dass der Mann, den du als den Besten ausgesucht hast, wirklich der Beste ist und so auch heißt.

Dies ist reine Panegyrik. Verwandtschaftliche Beziehungen spielten auch bei den Adoptivkaisern eine Rolle. Hadrian etwa war Trajans nächster männlicher Verwandter. Bei den anderen Adoptionen scheint es tatsächlich keinerlei Verwandtschaftsbeziehung zu geben. Der Adoptivsohn Marc Aurel wurde aber sogleich mit der Tochter seines Vorgängers Antoninus Pius vermählt. Als Marc Aurel ein Sohn geboren wurde, bestimmte er diesen als Nachfolger, obwohl Commodus sicher nicht die beste Wahl war. Das dynastische Prinzip blieb also immer, bis zum Niedergang des Römischen Reiches, die favorisierte Nachfolgeregelung.

Das von Plinius idealisiert dargestellte Adoptionsprinzips war dann auch nur ein Hilfskonstrukt, um Phasen kaiserlicher Kinderlosigkeit zu überbrücken. Der Wahlakt wurde von ihm besonders hervorgehoben, um einen Konsens herzustellen. Dabei wurde verschwiegen, dass nicht die Wahl aus der Bürgerschaft heraus, sondern die Grundsätze des Wählenden das entscheidende Moment waren. Im Vergleich zur augusteischen Adoption hatte sich lediglich der Kreis der Adoptionskandidaten erweitert. Mangels geeigneter Kandidaten in der eigenen Verwandtschaft suchte man im aristokratischen und im militäraristokratischen Umfeld. Das Adoptivkaisertum, das als Wahlkaisertum von Plinius deklariert und in der Rückprojektion von Tacitus kritisiert worden ist, stellte eine göttlich überhöhte Nachfolgeregelung zum Erhalt der errungenen Herrschaft dar. Zwar konnte fortan jeder Senator, ja im Grunde sogar jeder römische Bürger, jederzeit Kaiser werden, tatsächlich aber verloren der Senat und das römische Volk durch das Adoptionsprinzip jede Mitsprache bei der Auswahl des künftigen Prinzeps. Die politische Kapitulation der Senatsaristokratie ist dadurch besiegelt worden.

Das Adoptivkaisertum brachte dem Imperium eine Phase trügerischer Ruhe und inneren Friedens. Durch das Adoptionsprinzip schuf man eine von weiten Teilen der Führungsschicht akzeptierte oder hingenommene Sukzessionsregelung.

Die Adoptivkaiser

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