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1. Nerva: Der Beginn des Adoptivkaisertums
ОглавлениеDie Ära der adoptierenden und adoptierten Kaiser begann mit einem Gewaltakt. Noch am selben Tag, an dem Domitian ermordet wurde, erhob man Marcus Cocceius Nerva zum Kaiser. Nerva hatte sich stets als herrschertreu gezeigt. Ergeben und scheinbar ohne höhere Ambitionen diente er den „schlechten“ Kaisern Nero und Domitian genauso gut wie den „guten“ Kaisern Vespasian und Titus. Er war nach Eutrop (8,1,1) maßvoll und tatkräftig und galt ferner als leutselig und gerecht. Nero zeichnete ihn mit den ornamenta triumphalia, den Triumphalabzeichen, aus und verlieh ihm zudem das Vorrecht, zwei Ehrenstatuen errichten zu dürfen. Auch unter den Flaviern konnte er seine Laufbahn fortsetzen und stieg in der Rangordnung weiter auf. Im Jahre 71 n. Chr. erreichte er schließlich den Konsulat. Im Jahre 90 n. Chr. gelang es ihm, erneut Konsul zu werden, obwohl die Iteration des Konsulats unter Domitian sehr selten war.
E
ornamenta triumphalia
Nachdem Augustus die Alleinherrschaft erlangt hatte, behielt er sich das Recht auf alle Triumphe vor, da die Siege unter seinen Auspizien, der Einholung des Götterwillens, errungen wurden. Von da an durften nur noch Kaiser triumphieren – abgesehen von einigen Triumphen designierter Nachfolger oder kaiserlicher ,Söhne‘ im 1. Jh. n. Chr. Als Ersatz schuf man die ornamenta triumphalia. Der siegreiche Feldherr erhielt die Triumphalabzeichen und eine Ehrenstatue auf einem der Kaiserforen. Der Triumphzug auf der Quadriga durch Rom wurde ihm freilich verwehrt (zum Triumphzug siehe unten).
Nervas Inthronisierung
Federführend bei der Verschwörung, durch die Nerva zum Kaiser wurde, waren Domitians Kämmerer (cubicularius) Parthenius und die Prätorianerpräfekten, vor allem Titus Petronius Secundus, sowie die Kaisergattin Domitia Longina. Dass die Wahl dann auf Nerva fiel, ist überraschend und aufgrund der zur Verfügung stehenden Zeugnisse nicht schlüssig zu erklären. Für die Proklamation Nervas lassen sich vor allem zwei Gründe anführen: zum einen galt er seinerzeit als der vornehmste und angesehendste Senator (zweifacher Konsul) und er war zum anderen aufgrund seines Alters – er war immerhin schon 66 Jahre alt – keiner, der den Kaiserthron dauerhaft innehaben konnte. Zudem war Nerva in der etrurischen Stadt Narnia geboren worden. Andere Senatoren hingegen, die aufgrund ihres Ranges und ihrer Verdienste für das Amt in Frage kamen, stammten aus den Provinzen. Es scheint so, als sei seine Akklamation der kleinste gemeinsame Nenner gewesen, auf den sich die schon genannten Verschwörer, allesamt Leute aus Domitians unmittelbarem Umfeld, einigen konnten. Getragen wurde diese Wahl von der Mehrheit der Senatoren. Ohne deren Zustimmung hätte er sich schwerlich im Amt halten können. Der Senat übertrug Nerva die kaiserlichen Befugnisse (insb. die tribunicia potestas und das imperium proconsulare maius). Die Oberkommandeure der Legionen, die den zweiten wesentlichen Machtfaktor neben dem Senat darstellten, waren wohl von der Ermordung Domitians überrascht worden. Jedenfalls kam es zunächst zu keinen Unruhen in den Provinzen.
Für den Augenblick verhinderte die schnelle Nachfolgeregelung einen möglichen Bürgerkrieg. Die Machtfrage war – weil die Zeit drängte oder weil man sie bewusst offenlassen wollte – nicht auf Dauer gelöst worden. Wie schon angesprochenen, war der neue Kaiser bereits sehr alt und ihm fehlten überdies leibliche Kinder. Zwar hatte er Verwandte, aber wohl keine unmittelbaren Nachkommen.
Gefährdung der Herrschaft Nervas
Die Herrschaft Nervas wurde auch aus diesem Grund im Frühjahr 97 Herrschaft Nervas durch Umsturzpläne der Prätorianer unter ihrem neuen Präfekten Casperius Aelianus bedroht. Der Sturz Domitians missfiel den Prätorianern. Sie hatten zunächst nur stillgehalten, weil ihre Kommandeure an der Verschwörung beteiligt waren. Jetzt machten sie ihrem Unmut Luft. Sie setzten Nerva fest und zwangen ihn, einige der Verschwörer auszuliefern. So fanden Titus Petronius Secundus und der Domitianmörder Parthenius den Tod. Doch damit nicht genug, es wandten sich jetzt auch einige der Senatoren gegen den neuen Kaiser. Sie hatten Domitian einst loyal gedient und waren durch dessen Ächtung – er verfiel der Tilgung des Andenkens (damnatio memoriae) – kompromittiert worden. Darüber hinaus regten sich nun auch die Oberkommandierenden der in den Grenzprovinzen stationierten Legionen, vor allem der Statthalter der syrischen Provinz Marcus Cornelius Nigrinus Curiatius Maternus. Einige der Prätorianer, Senatoren und führende Militärs fühlten sich als Verlierer des Herrschaftswechsels, zumindest profitierten sie davon nicht in ausreichendem Maße. Alle spürten sie aber die schwache Position des Kaisers, dem eine kleine Clique zur Macht verholfen hatte, und der ohne Bezug zum Heer rasch an Akzeptanz verlieren musste.
Schnelles Handeln war nötig, um diesen Bestrebungen und einem dro- Die Adoption henden Staatsstreich bzw. einer Usurpation zuvorzukommen. Aufgrund der Trajans Unruhen innerhalb der Führungsschicht bestimmte Nerva den Oberbefehlshaber der obergermanischen Provinz Marcus Ulpius Traianus durch Adoption zu seinem Nachfolger.
Q
Die Adoption des Trajan
(Cassius Dio, Römische Geschichte 68,4,1)
Ergänzungsbericht des Johannes Antiochenus:
Als sich Nerva wegen seines hohen Alters so gering geachtet sah, stieg er zum Kapitol empor und sagte mit lauter Stimme: ,Zum Heile des Senats und Volkes der Römer sowie zu meinem eigenen Besten nehme ich hiermit den Marcus Ulpius Nerva Traianus an Sohnesstatt an.‘
Hierauf ernannte er ihn im Senat zum Caesar und schickte ihm – Trajan war nämlich Statthalter von Germanien – ein eigenhändiges Schreiben des Inhalts: ,Möchten die Danaer büßen mein Leid durch deine Geschosse.‘
Ergänzungsbericht des Leo Grammaticus:
Als aus Päonien eine Siegesnachricht von Trajan einlief, stieg Nerva zum Kapitol empor, opferte Weihrauch und trat sodann auf eine Rednerbühne, von wo aus er in Anwesenheit des Senates und Volkes von Rom mit lauter Stimme verkündete: „Zum Heil für uns alle! Ich, Marcus Nerva, nehme hiermit Trajan an Sohnesstatt an.“ So wurde Trajan zunächst Caesar und dann Kaiser, obschon Nerva gewisse Verwandte hatte. Er stellte aber Verwandtschaft nicht über das Staatsinteresse und machte auch nicht Trajan deshalb weniger gern zu seinem Sohn, weil er nur Iberer und kein Italer oder Italiote war, wo doch bisher kein Fremdstämmiger die römische Kaiserwürde innegehabt hatte; man müsse nämlich, so seine Meinung, auf eines Mannes Fähigkeit, nicht aber auf seine Volkszugehörigkeit sehen.
Nerva, so heißt es bei Plinius, Cassius Dio und Eutrop, adoptierte Trajan, um seine Herrschaft abzusichern. Dennoch spricht einiges dafür, dass nicht Nerva, sondern eine Gruppe von Senatoren, die aus der Provinz stammten, die treibende Kraft hinter dieser Nachfolgeregelung waren. Senatoren wie Sextus Iulius Frontinus, Titus Vestricius Spuriana, Lucius Iulius Ursus Servianus, Lucius Licinius Sura und andere wollten vermutlich – aus Gründen, die nicht mehr zu ermitteln sind – Marcus Cornelius Nigrinus als Kaiser verhindern und bauten Trajan als Gegenkandidaten auf. Es war daher wohl auch kein Zufall, dass Trajan zur rechten Zeit den Oberbefehl in der strategisch wichtigen Provinz Germania superior innehatte. Denn die Senatorengruppe hatte wahrscheinlich dafür gesorgt, dass Trajan das Oberkommando übertragen wurde.
Die Adoption Trajans gilt als die herausragende Leistung Nervas, und das durchaus zu Recht, besonders aber wenn man ihm die Initiative zuschreibt. Trotz seiner kurzen Regierungszeit hat er überdies beachtliche Reformen initiiert, die nicht nur der Gewinnung der Gunst des Volkes dienten. So ging vermutlich die Alimentarstiftung auf ihn zurück. Dabei wurden die Erträge aus zinsgünstigen Hypotheken auf Grundbesitz den Landstädten (municipia) zur Verfügung gestellt, um bedürftigen Familien Erziehungsbeihilfen zu gewährleisten. Unter Trajan sollte die alimentatio in ganz Italien Verbreitung finden und institutionalisiert werden. An ärmere Bauern ließ er eigens zu diesem Zweck aufgekauftes Land im Wert von insgesamt 60 Millionen Sesterzen verteilen. Die staatliche Post unterstellte Nerva einem praefectus vehiculorum aus dem Ritterstand und hob zugleich die lästige Pflicht zur Gestellung von Gespannen auf. Probleme in der Fiskalverwaltung der Provinz Iudaea hatte er erfolgreich behoben – jedenfalls ließ er Münzen mit der Aufschrift fisci Iudaici calumnia sublata (die Missstände des judäischen Fiskus wurden beseitigt) prägen. Herrschaftsbilanz
Herrschaftsbilanz
Der Prinzipat Nervas lässt sich historisch nicht leicht einordnen. Es mag sein, dass er ein schwacher Mann und Lückenbüßer war. Andererseits hatte er sich unter vier Kaisern in einer Führungsposition behauptet. Die Fähigkeit, sich in einem dynamischen politischen Umfeld zurechtzufinden, zeichnete ihn auch als Kaiser aus. Er sorgte für den Ausgleich zwischen den politischen Lagern. Eine Gruppe von Senatoren aus den Provinzen zog im Hintergrund die Fäden. Aber auch die Anhänger des Domitian konnten unter seiner Herrschaft weiter Karriere machen. Dies wird an einem Bonmot deutlich, das uns der jüngere Plinius überliefert: Nerva fragte während eines Gastmahls, an dem Fabricius Veiento, ein Berater Domitians, teilnahm, die Anwesenden, was denn wohl aus Catullus Messalinus, einem gefürchteten Ankläger des Domitian, geworden wäre, wenn er noch lebte; darauf antwortete ein anderer Gast Namens Mauricus: „Er würde mit uns speisen“ (Plinius d.J., Briefe 4,22,6).
Unabhängig davon, dass Nerva Herrschaft und Herrschaftssicherung anderen verdankte, wäre er womöglich einer der großen Kaiser geworden, wenn seine Regierung nur länger gedauert hätte. Er starb, nach einer Regierungszeit von einem Jahr und sechs Monaten, am 28. Januar 98 n. Chr. Nerva wurde konsekriert und im Mausoleum des Augustus in Rom beigesetzt.
E
Konsekration/Divinisierung
Ein Kaiser oder ein Mitglied der kaiserlichen Familie konnte nach seinem Tod zum Staatsgott (divus/diva) erhoben werden. Hierfür war ein Senatsbeschluss (senatus consultum) nötig. Zuvor musste ein Zeuge berichten, dass er beobachtet habe, wie der Verstorbene in den Himmel gefahren sei; dies kennzeichnet die sogenannte Entrückung oder Apotheose. Der Prozess der Vergöttlichung eines verstorbenen Menschen wird Konsekration oder Divinisierung genannt.