Читать книгу Gault&Millau RestaurantGuide Deutschland 2018 - Patricia Bröhm - Страница 6
ОглавлениеLiebe Leserin, lieber Leser,
Wenn Frankfurter Grüne Sauce als knallgrüne Kugel daherkommt, die beim Draufbeißen intensive Kräuteraromen freigibt, oder Kölner Himmel un Äd als geröstete Blutwurst auf knusprigem Kartoffelstroh, dann ist das erst mal nicht weiter der Rede wert – die kreative Verfeinerung deutscher Traditionsgerichte ist seit Jahren ein beliebtes Thema. Für Furore sorgen solche Gerichte, wenn sie nicht in Deutschland, sondern in einer tropischen Villa aufgetischt werden – im deutschen Gourmetrestaurant Sühring mitten in Bangkok. Thomas und Mathias Sühring, die wir in diesem Guide auszeichnen, sind unsere derzeit wahrscheinlich wirkungsvollsten kulinarischen Auslandsvertreter weltweit.
Die deutsche Küche bräuchte mehr solcher Botschafter – denn sie ist heute so facettenreich und kreativ wie nie zuvor. Nur leider: Das ist in der Welt immer noch viel zu wenig bekannt. Während nacheinander die spanische, nordische und südamerikanische Küche, unterstützt durch gezielte Marketingaktivitäten der jeweiligen Regierungen, global gefeiert werden, bleibt das deutsche Küchenwunder eine nationale Angelegenheit. Weil auch in unserer neuen Regierung wenig Gourmets sitzen, müssen die Köche ihre Imageförderung selbst in die Hand nehmen. Wir brauchen einen deutschen Alain Ducasse, ein Sprachrohr, eine Imagelokomotive, einen, der sich an die Spitze unserer Köche setzt und ihre ewigen One Man-Shows zum repräsentativen Korpsgeist ballt, so wie es in Frankreich Ducasse vormacht, wenn er im Prunksaal des Pariser Rathauses junge Köche für ihre Verdienste um die Bistronomie auszeichnet oder sich für die Pariser Olympia-Bewerbung engagiert.
Wir brauchen aber auch mehr Anerkennung im eigenen Land für den unschätzbaren Wert einer guten Ausbildung. Die Kochlehre in den deutschsprachigen Ländern ist die beste weltweit – anderswo gilt das Prinzip „learning by doing“. Bei uns lernen junge Menschen noch, wie man eine Sauce ansetzt oder einen Fisch perfekt glasig brät. Schade nur, dass dieses Wissen in den Betrieben oft nicht weitergefördert wird, weil der neueste Trend gerade vorschreibt, dass ein Fisch sous-vide gegart oder – wie aktuell landauf, landab üblich – geflämmt wird. Wenn heute in vielen und gerade in jungen deutschen Küchen immer weniger gekocht und immer mehr mit Technologie hantiert wird, dann ist das ein riskantes Spiel – weil überlieferte Fertigkeiten dabei verloren gehen. Wie schön, dass es auf der anderen Seite derzeit wieder mehr junge Köche gibt, die herrlich süffige Béarnaise auftischen – anstatt nur noch mit der Spritztüte Püreetupfer auf den Teller zu platzieren.
Was er vom Besuch bei berühmten Kollegen in Paris mit nach Hause genommen habe, fragte man Hans Stefan Steinheuer neulich. „Neues Selbstbewusstsein“, antwortete er.
In diesem Sinne, herzlichst, Ihre