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Kapitel 7

Deros, der 16. Tag, blaue Sonne

Irgendwo im Sternenmeer

Shamiira saß im Schneidersitz in einem leeren Fass und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Es war einiges geschehen, seitdem sie ihre Prüfung zur Erwachsenen begonnen hatte. Etwas wehmütig dachte sie an das Gefäß, dass sie in ihre Sonnenstadt bringen sollte, damit der dortige Schamane sie offiziell zur Erwachsenen erklären konnte, ihr ihre neue Begabung erklären und sie so für ihre neue Bestimmung in der Gesellschaft vorbereitet. Aber auch diese Bestimmung war nun in weite Ferne gerückt. Viel näher war die Tatsache, dass sie sich anscheinend gleich in zwei Männer verliebt hatte. In zwei total unterschiedliche Charaktertypen, so unterschiedlich wie das Licht bei Tag und bei Nacht. Shamiira glitt in ihren Gedanken an den Tag zurück, als sie Orgal das erste Mal getroffen hatte.

Er und seine Männer lagen in einem brennenden, metallischen Gefäß, dessen Struktur so zerstört war, dass sich das Gefäß über 50 Meter um den Kern im Wald verteilt hatte. Sie half Orgal bei der Rettung seiner Männer und wenn ihre Erinnerung sie nicht trügte, rettete sie allen das Leben. Er rettete ihr kurze Zeit später jedoch auch das Leben. Nun ja, wahrscheinlich wäre ihr nicht allzu viel passiert dank ihrer symbiotischen Verbindung mit Efeuria. Aber wie konnte er dies schon wissen. Damals wurden sie von einem Dojok angegriffen, einem ziemlich gefährlichen Tier. Shamiira erinnerte sich noch gut an die Worte ihres Wasserstadtführers: „weicht diesen Tieren aus so gut ihr könnt. Sie können bis zu drei Metern groß werden und euch mit ihren zwei massiven Vorderarmen zermalmen. Achtet genau auf den Wind, denn dieser bringt den Geruch eines Dojok immer zu euch. Achtet auf einen Geruch nach feuchten Moosen, abgestandenem Wasser und verfaulendem Laub. Es ist nicht leicht, aber all diese Gerüche kommen normalerweise selten zusammen vor und bewegen sich nicht durch die Natur.“ Weise Worte, die ihr Wasserstadtführer gesprochen hatte. Doch dieses Dojok griff gegen den Wind an und verschleierte seine Anwesenheit bis es fast zu spät war. Sie konnte nicht verstehen, wie Derun all dies zu lassen kann. Dass er Wesen erschafft und leben lässt, die nichts als wilde Tötungsmaschinen sind. Aber wer war sie schon, dass sie Derun in Frage stellen konnte. Nichtsdestotrotz, hatte Orgal sie gerettet und trug sie in die nächste Sonnenstadt - das hatte ihr der ältere Mann der Gruppe zumindestens so gesagt. Beral hieß er, glaube ich. Sie konnte sich nur noch wenig an Orgal erinnern. Er duftete herrlich. Er hatte einen richtig starken männlichen Geruch; nach Moschus. Aber da war noch mehr. Moschus war nicht alles. Eher sowas wie nach Moschus und im Feuer behandelte Mandeln. Ja, ich glaube genauso hatte er gerochen. Es war wunderbar in seinen Armen zu liegen und seine nackte Haut zu spüren, seinen Geruch zu atmen und sich vollkommen sicher zu fühlen. Hätte er sich ihr beweisen wollen, hätte er Tyrnon leicht besiegen können und sich als der >>>ALPHAMANN<<< für sie bewiesen. Für so eine Art von Mann würde doch jede Frau bereit sein ihre Kraft zu geben, um ihm viele Kinder zu schenken.

Shamiira schnaufte leise. Das Fass in dem sie saß verwandelte das leise Schnaufen zu einem eher brummenden Geräusch, so als hätte sich ein kleines gefährliches Tier im Fass versteckt. Tja, so vieles war in so kurzer Zeit geschehen. Shamiira öffnete ihre Augen und betrachtete ihr kleines Versteck. Noch hatten sie und Tyrna Glück gehabt. Keiner hatte sie gefunden und bisher ließ der Kapitän auch niemanden dafür sorgen, dass sein gesamtes Schiff auf den Kopf gestellt wird, um den vermissten Matrosen zu finden. Ob sie überhaupt wissen, dass es verschwunden ist? Tyrna und sie konnten nur hoffen, dass es auch so bleibt bis sie irgendwo gelandet waren um schnellst möglich zu verschwinden. „Shamiira“, flüsterte Tyrna und versuchte gerade so laut zu sein, dass ihre Worte von der Fasswand nicht geschluckt werden konnten. „Bist du wach? Ich habe eine Frage oder vielmehr eine Bitte an dich. Ehm… könntest du aus dem Fass kommen?“ Shamiira sog die Luft im Fass tief ein und ließ sie ganz gemütlich wieder ausströmen. Eigentlich hatte sie gerade keine Lust auf Tyrna. Das Mädel war einfach nicht ganz stabil. Besonders, wenn die schwarze Sonne wieder scheint. Aber immerhin hatte sie es Tyrnas Dunkelheit zu verdanken, dass man sie nicht gegen ihren Willen berührt hatte. „Was kann ich für dich tun, Tyrna?“ Shamiira kletterte aus dem Fass und folgte Tyrna in ihr neu errichtetes Versteck. Nach dem Zwischenfall mit dem lüsternen Matrosen, hatten sie etwas Werkzeug entwendet, um damit die Bodenbretter der tiefsten Ebene des Schiffes zu entfernen. Sie hatten sich sogar für eine sehr gewagte Stelle entschieden. Zwei Meter neben der Speisekammer schlugen sie ein Loch in den Boden und fixierten eine große Holzkiste so über dem Loch, dass diese als Schutz und Eingangsbereich dienen konnte. Mit ein wenig mehr Geschick gelang es ihnen auch, einen Zugang zur Speisekammer zu errichten was den großen Vorteil mit sich brachte, dass sie nun unabhängig vom Küchenjungen waren, der den Schlüssel zur Kammer besaß.

Im Loch zog Tyrna Shamiira dann etwas zu sich und versuchte sich ihr so gerade wie möglich gegenüber zu setzen. Dann neigte sie in aller Höflichkeit ihren Kopf und berührte beinahe den Schiffsrumpf bevor sie Shamiira wieder direkt in die Augen sah. Zwischen den beiden herrschte für wenige Sekunden eine unnatürliche Stille. Nur die Atmung der beiden und die leisen Schritte der Matrosen eine Ebene über ihnen, war alles was zu hören war. „Als ich mich auf deinem Heimatmond befand… “, begann Tyrna das Gespräch, „… hat mich Ritter Marun darin unterrichten wollen, dass ich eine Technik entwickle, um in das Gedankenkollektiv deines Volkes einzudringen, um mich mit euch in der Art und Weise zu unterhalten, wie ihr es so tut bei euch. Ich habe das echt viele Tage versucht Shamiira, aber mir gelang es einfach nicht eine Form zu erschaffen, die mir Zugang zu eurem Gedankenkollektiv gibt. Und nun ja, danach war halt wenig Zeit weiter zu üben.“ Tyrna presste die Lippen zu einem Strich zusammen und atmete tief aus. Dann nochmal tief ein, wobei sie die intensiven Düfte der Speisekammer, den uralten Düften nach Fisch und Meer, die sich im Holz des Rumpfes eingelagert hatten und ihren eigenen, mittlerweile nicht mehr so sauberen Geruch, tief in ihre Nase einsog, nur um ihn schnell wieder frei zu lassen. „Ich bitte dich darum Shamiira, mir die Form zum Betreten eures Gedankenkollektivs zu lehren.“ Tyrna sah Shamiira direkt in die Augen und versuchte irgendeine Regung zu erkennen, während sie die Sekunden zählte bis Shamiira antworten würde.

Nach wenigen Sekunden wurde Tyrna auch schon erlöst. „Ich kenne keine Form, die dir Zugang zum Gedankenkollektiv meines Volkes bieten kann, Tyrna.“ „Aber… ich meine… Dann gibt es euer Gedankenkollektiv garnicht und ihr habt irgendeine geheime Sprache entwickelt, die mit Blicken funktioniert? Aber Ritter Marun meinte doch, dass ihr in Gedanken reden würdet. Ihr alle, dein ganzer Stamm…“ Tyrnas Stimme wurde immer lauter und nahm langsam einen hysterischen Tonfall an. „… ihr würdet reden können indem ihr nur an den anderen denkt und dass ihr…“ „Stimmt auch. Dein Ritter hat recht.“ Shamiira lehnte sich an die Holzwand, die man wahrscheinlich in den unteren Rumpf eingezogen hatte, falls dieser mal ein Loch erhielt. Man hoffte, dass so nicht das ganze Schiff voll Wasser laufen würde. „Mein gesamtes Volk kann sich per Gedanken miteinander unterhalten. Aber das können wir seit Geburt an. Keiner von uns braucht wie ein Schamane Leyformen zu erlernen um diese Gabe anzuwenden, Tyrna. Nur die Schamanen lernen Formen um dem Volk zu helfen und es zu heilen. Es gibt aber eine Form, die Gedanken-Expansion genannt wird. Schamanen wirken sie oft, um die Reichweite unserer Gabe zu erhöhen. Was man uns als Kinder jedoch lehrt ist die Kunst, nicht all seine Gedanken über das Kollektiv preiszugeben, sondern diese sehr geordnet der Gemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Derunische Eltern wissen alles über ihre Kinder, bis sie eines Tages das Ritual zur Erwachsenen durchlaufen haben.“ Bei den letzten Worten wurde Shamiira schwer ums Herz und sie musste all ihre Kraft zusammennehmen, um nicht auf der Stelle loszuheulen. Tyrna hörte sich alles in Ruhe an, was Shamiira ihr erzählte und bei jeder Erwähnung darüber, dass Deruner als Kinder bereits per Gedankenkraft miteinander reden konnten, stieg ihre Atemfrequenz und ihr Puls stetig an. „Dann hat der Ritter mich verarscht? Dann sollte ich einfach nur in der Gegend rumsitzen, damit ich nicht im Weg war?“ Tyrna schlug mit ihrer Faust auf den Schiffsboden. Sie war sauer. Stinksauer. Der Ritter und alle anderen wollten sie loswerden. Sie war nur ein Klotz am Bein gewesen. Zur Wut mischte sich plötzlich Verzweiflung und aus Verzweiflung und Wut wurde ein Cocktail aus Einsamkeit und dem Gefühl von niemandem geliebt worden zu sein; geliebt zu werden. Die ersten Tränen lösten sich und fingen ihre Wanderung links und rechts von den Augen an, bevor die salzigen Wassertropfen auf den Schiffsboden tropften und zu einem Teil des Holzes wurden.

Shamiira griff nach Tyrnas Hand und hielt sie einfach nur eine Weile fest. Vorsichtig hob sie Tyrnas Kinn an und schaute ihr tief in die Augen. Sie kam mit ihrem Gesicht näher an das von Tyrna heran und flüsterte ihr in einem leisen und ruhigen Tonfall zu: „Ich glaube nicht, dass dein Ritter gelogen hat und dich nur beschäftigen wollte. Ich glaube, dass er es gemeistert hat einen Weg zu finden, um seine Gedanken in unser Kollektiv zu übertragen. Nur weil es bei meinem Volk eine natürliche Gabe ist, warum sollte es dann nicht möglich sein für Andere Methoden zu entwickeln um unsere Gabe zu imitieren?“ Shamiira hob ihre andere Hand und legte ihr diese zärtlich an die Wange. „Ich glaube, dass du es erlernen kannst. Vielleicht waren wir einfach nur zu viele und es fiel dir einfach schwer eine Stimme zu hören. Ich werde mit dir üben. Ich werde einfach permanent meine Gedanken mit Hilfe meiner Gabe in mein persönliches Gedankenkollektiv streuen und du versuchst diese zu hören. Wir machen unser eigenes Kollektiv auf. So wie Jagdgefährten es machen, wenn sie gemeinsam auf die Jagd gehen.“

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