Читать книгу Gespalten - Patrick Bock - Страница 8
ОглавлениеKapitel 3
Bakos der 23. Tag, rote Sonne
Mond: Para - Endersee
„Was meinst du, Aragos? Sollen wir heute eine große Runde um den Endersee drehen? Ich habe heute wenig Lust die meiste Zeit des Tages auf dem Boden zu verbringen. Ich habe das Gefühl, dass man mich damit bestrafen wollte, als man mich hierher versetzt hat. Verstehe mich nicht falsch, alter Freund, aber die Leute haben die schönste Landschaft vor sich und sind nur am Motzen.“ Thomas ließ den Kopf hängen, beugte sich leicht nach vorn und vergrub sein Gesicht in den warmen Nackenfedern seines Riesenadlers Aragos. Unter ihm erstreckte sich die prachtvolle Landschaft des Endersee. Das kristallklare Wasser des drei Kilometer großen Sees reflektierte die rote Sonne wie ein gewaltiger Spiegel und ließ einen vermuten, dass sich Dutzende von Edelsteinen dort unten befinden müssten.
Die Luft war vom Geräusch des gewaltigen tosenden Wasserfalls umhüllt der über 100 Meter in die Tiefe herabfiel und einen mysteriösen Ort aus Gischt und Nebel bildete. Thomas saß aufrecht auf Aragos Rücken und sog die Luft tief in seine Lungen ein. Hier oben genoss er die dünne, aber saubere, kalte Luft und liebte es, wenn die Feuchtigkeit der Wolken an seiner Kleidung und seinem Gesicht hängen blieb. Das Land unter ihm war riesig und er war der einzige Wildhüter im Umkreis von 100 Kilometern. Aus seiner luftigen Position konnte er jedoch jeden der 20 Höfe sehen, die alle eine andere Art von Frucht oder Gemüse anbauten, um die Menschen in der Zentralstadt Parazen zu versorgen. Das Leben hier war schön, friedlich und lukrativ, wenn man nicht davor zurückschreckte sich die Hände jeden Tag schmutzig zu machen. Er liebte es hier oben. Er liebte es wie sich die Sonne in den Blättern der drei großen Wälder Ender, Them und Kristoph spiegelte und je nach Sonnenfarbe ein anderes malerisches und friedvolles Bild zeigte. Ob Strafe oder nicht, der Hüter über all diese Schönheit sein zu können machte ihn im Herzen Stolz. Nur die Bewohner der Höfe und die arroganten Händler, Militärs oder alleszuwissenden Glücksritter, machten sein schönes Leben hier immer wieder aufs Neue zu einem Akt der Geduld.
Thomas segelte mit Aragos dicht über die dunklen Wälder von Kristoph hinweg und folgte den Schienen der Dampfbahn, die vor Kurzem erst in den dunklen Wald wie eine hässliche Narbe, die sich nur langsam an die Haut seines Trägers anpasst, hineingeschlagen wurde. Die Zentralregierung hatte es sich zur Aufgabe gemacht alles miteinander zu verbinden und schreckte dabei vor keinem Problem, keinem Stück unberührter Natur oder vor besiedelten Höfen zurück. Thomas kraulte Aragos am Hals und lenkte seinen riesigen Freund langsam auf den großen Marktplatz zu der alle Höfe und den hiesigen Hafen miteinander verband. Mit einem kurzen aufbrausen der Luft durch Aragos Flügel, landeten beide sanft zwischen Melonen, Ananas, Birnen und weiteren Früchten, die teilweise so exotisch waren, dass nicht mal ER, ein Wildhüter der Regierung, Ahnung von diesem Erzeugnis der Natur hatte. Sein Blick streifte die Stände und ihre Besitzer nur flüchtig. Er war nicht zum Spaß hier und er wusste eh, dass die Leute ihn hier nicht wirklich haben wollten. Besonders nicht zum Mittagsmarkt.
Nach einer kurzen Wartezeit und unliebsamen Blicken der hier lebenden Höfer und ihrer doch recht gut gekleideten Kunden, tauchte auch endlich die Person auf, auf die Thomas seit einer guten Stunde gewartet hatte. Er erkannte sofort, dass sich eine Unterhaltung mit diesem >>>Ich habe einen Stock im Arsch und trage meine Nase weiter über die Wolken von Para hinaus<<< Typ bestimmt als schwierig erweisen würde. Thomas, mit seiner 190 Zentimeter großen Statur, gut-trainiertem aber nicht zu muskulösen Körperbau und einer durch und durch typischen Wildhüter-Erscheinung eines wilden Naturburschen, begann extrem zu schwitzen. Mit seinem saubersten Taschentusch wischte er sich den Schweiß ab und wartete bis der Abgesandte der Zentralregierung, der sich um diesen Teil von Para kümmerte auf ihn zu hinkte. Oh ja, Thomas sah es genau. Der Mann schien zu hinken, ein Zeichen für ihn, sich diesen Kerl etwas genauer anzuschauen.
Sein gemächlich näherkommender Gesprächspartner war vielleicht nicht älter als er selbst auch. Höchstens zwei Jahre älter oder jünger, also irgendwas um die 30 herum. Sein Äußeres war, wie bei jedem Abgesandten den Thomas kennenlernen durfte, gleich. Ein steifer schwarzer Anzug mit einem roten Taschentuch und einer eng geschnürten Krawatte, lackierten Schuhen und einem Herrenstock mit massivem Silberknauf. Und wie bei den Meisten dieser verstockten Kerle auch, hing ein Monokel in der rechten Seitentasche seines Jacketts. Nur eines machte Thomas stutzig. Der Kerl schien nur eine kleine Tasche mit sich zu führen und war ansonsten wohl allein unterwegs. Er hatte schon viele Abgeordnete hier oder in Parazen begrüßt, aber noch nie war einer ohne einen Diener unterwegs gewesen.
Nur noch wenige Meter trennten Thomas vom verstockten Abgeordneten. Es wurde Zeit sich innerlich zu wappnen und auf ein schwieriges Gespräch vorzubereiten. Gedankenversunken kraulte er Aragos an der Seite und atmete noch einmal tief ein und aus. Nun stand der Verstockte vor ihm. Zeit zu Handeln. „Guten Tag Herr…“ „Machen Sie sich nicht die Mühe, Thomas. Ich kenne Sie und alles was Sie hier machen. Wie Sie bereits gemerkt haben reise ich alleine und habe ein kleines Defizit. Könnten Sie bitte meine Tasche nehmen? Danke. Kommen wir gleich zum geschäftlichen Teil. Zeigen Sie mir doch bitte die nächste Gaststätte, lassen Sie mich meine Krawatte etwas lösen und ich werde Sie nach einem gekühlten Bier in ein Geheimnis einweihen, dass von aller höchster Wichtigkeit für unser Land und Ihre Regierung ist. Sie können sich bereits jetzt schon darauf freuen, dass sie befördert werden.“ Der Verstockte reichte Thomas seine kleine Reisetasche und machte sich zur nächsten von ihm erblickten Gaststätte auf. Ein, zwei Schritte weiter drehte er sich zu Thomas um und fragte, ob die von ihm gewählte Stätte in Ordnung sei, und ob man wirklich auch gutes, dunkles und vor allem gekühltes Bier erhält.
Beförderung? Geheimnis? Von höchster Wichtigkeit? Verdammte Scheiße. Was haben die mit mir vor? Mir gefällt das gar nicht.
Thomas nickte dem Abgeordneten zu und ging ihm nach.