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SONNTAG, 23. FEBRUAR 2020

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Mein Laptop streikt. Vermutlich war ihm das, was ich ihm in den letzten Tagen gefüttert habe, ebenso zu viel wie mir. Auf einmal lässt er sich in meinem Zimmer im Krankenhaus nicht mehr einschalten, deshalb kann ich erst heute weiterschreiben. Eine kleine Pause von den Eindrücken und Erlebnissen der letzten Woche hat mir allerdings eh nicht geschadet. Nach einer Reihe von Infusionen durfte ich am Donnerstag das Spital verlassen. Die Ärzte haben mir gleich zwei gute Nachrichten nach Hause mitgegeben. Die Therapie dauert voraussichtlich »nur« bis Ende Mai, also gut zwei Monate kürzer, als ich zuerst gedacht habe. Ich bin mir dabei nicht ganz sicher, ob ich etwas falsch verstanden habe, oder die Ärzte die Therapie geändert haben. Und die noch viel bessere Nachricht: Schon nach den ersten paar Tagen sind die Entzündungswerte in meinem Blut massiv zurückgegangen. Als mir der Ober-Doc diese Nachricht überbringt, spüre ich zum ersten Mal so etwas wie Erleichterung. Wie aus dem Nichts heraus balle ich meine Hand zu einer Siegesfaust und stoße einen leisen Freudenschrei aus.

»Das Blutbild ist wirklich schön. Es ist alles so, wie es sein soll«, sagt der Herr Primar und gibt meiner Freude damit neuerlichen Aufschwung. So, jetzt erst einmal nach Hause. Meine Mutter ist gekommen, um mich abzuholen. Mit meinem kleinen Koffer und allerhand Mitbringsel, die mir Freunde ins Spital gebracht haben, machen wir uns auf den Weg. Kurz wollte ich in den Arztbrief hineinlesen, doch die ersten Worte und medizinischen Fachausdrücke haben mich gleich von der Idee abkommen lassen. Es ist zwar nicht so, dass da irgendetwas Neues drinstehen würde, aber alles nochmal schwarz auf weiß zu lesen dreht mir kurz den Magen um.

Zum Glück nur sprichwörtlich. Denn mein Appetit ist auch nach den Unmengen an Flüssigkeiten, die in den letzten Tagen durch meinen Körper geronnen sind, noch da. In der elterlichen Wohnung bekomme ich Palatschinken mit Marillenmarmelade. Eine herrliche Abwechslung zur Krankenhauskost. Kaum habe ich sie aufgegessen, überfällt mich eine Müdigkeit, die ich in diesem Ausmaß bisher kaum gekannt habe. Wie ein Kartoffelsack liege ich auf der weißen Eckbank und mir fallen die Augen zu. Auch als Alex kommt, um mich abzuholen, werde ich nicht munter und werde es an diesem Tag auch nicht mehr. Das Wochenende, so haben wir beschlossen, verbringen wir im Sommerhaus meiner Eltern in Pitten. Alex hat alles zusammengepackt und wir machen uns mit unserem Auto auf den Weg.

Kaum verlassen wir die Stadtgrenze, macht sich in mir ein Gefühl der Freiheit breit. Irgendwie spüre ich, wie der Druck, die Angst und die Bilder der letzten Tage hinter mir bleiben. Ich mache die Augen zu und lasse mir von der Sonne in meinem Gesicht das Blut durch meine Lider rot aufleuchten. Die einstündige Autofahrt vergeht wie im Flug, das Wochenende leider nicht. So sehr ich mich auf die Entspannung und Erholung gefreut habe, so sehr will und will sie nicht einsetzen. Die Gedanken in meinem Kopf drehen sich im Kreis, ich merke, wie mein sonst sehr fitter und starker Körper durch die Behandlung geschwächt ist. So soll das jetzt die nächsten Wochen weitergehen? Wie soll ich das schaffen?

Ich merke, wie sich Verzweiflung in mir breitmacht, die mir auch niemand in meiner Umgebung nehmen kann. Stundenlang liege ich auf der Couch oder im Bett und fühle mich wie ein überreifer Apfel, der nur noch mit einer Faser seines Stängels am Baum hängt und mit aller Kraft versucht, nicht auf den Boden zu fallen. Bisher gelingt es mir, auch durch das Schreiben dieses Tagesbuches.

Einsiedlerkrebs

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