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DIENSTAG, 25. FEBRUAR 2020

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Während der Karneval in Venedig wegen des Coronavirus (da war ja noch etwas, gefühlt allerdings noch ganz weit weg) abgesagt wurde, findet bei mir im Spitalszimmer eine Maskerade der etwas anderen Art statt. Es gibt sozusagen Chemo-Nachschlag in Runde eins. »Ende des ersten Zyklus« nennt sich das in der Medizinersprache. Nachdem mir zeitig in der Früh Blut abgenommen wurde und ich von Blutdruck bis Sauerstoffsättigung durchgecheckt wurde – das passiert von nun an vor jeder Behandlung – klopft es plötzlich an der Tür. Einer der Oberärzte öffnet sie, gefolgt von einer Entourage von Jungärztinnen und -ärzten sowie einer Krankenschwester. Sie alle sind maskiert. Allerdings nicht mit so kunstvollen, handgearbeiteten Masken wie in Venedig, sondern mit hellgrünen Spitals-Schutzmasken. »Wie wir es erwartet haben, ist die Anzahl Ihrer weißen Blutkörperchen durch die Therapie massiv gesunken. Deshalb müssen Sie ab sofort besonders vorsichtig sein. Das heißt, entweder Sie oder alle anderen müssen eine Maske tragen, um eine Ansteckung mit einem Virus oder einem Bakterium zu verhindern. Aber es läuft alles so, wie es sein soll.« Diesen letzten Satz höre ich fast nicht. Vielmehr manifestiert sich in mir der nächste Schock: Isolation. Maske. Immunsystem im Keller. Lauter Dinge, die ich vorher schon wusste, aber wie so oft in diesen Tagen: Wenn sie dann da sind, ist es noch einmal etwas anderes.

An die hellbraune Türe meines Zimmers wird ein folierter Zettel mit der Aufschrift »Schutzisolierung« geklebt, davor ein kleiner Wagen mit allerhand Hygieneartikel geparkt. Denn ab sofort darf das Krankenhauspersonal sowie Besuch nur noch mit Maske und Handschuhen zu mir ins Zimmer kommen. Ich fühle mich wie ein Aussätziger. Doch eine meiner Lieblingskrankenschwestern beruhigt mich gleich: »Das hat nichts damit zu tun, dass du krank bist, sondern ist dafür da, dass du nicht krank wirst.« Aber immerhin: Meine Blutwerte sind gut genug, damit wir mit der nächsten Infusionsrunde starten können. Der Chemo-Nachschlag ist im Gegensatz zur ersten Ladung fast ein »Portiönchen«. Zwei kleine Infusionen à zehn Minuten rinnen in mich hinein, fertig. Unglaublich, wie schnell ich mich an diesen Vorgang gewöhne, obwohl ich mein Leben lang bisher keine einzige Infusion bekommen habe.

Zur Sicherheit bleibe ich noch eine Nacht im Krankenhaus, um zu sehen, wie ich das Ganze vertrage. Zum Glück macht mein Körper ganz gut mit und so verbringe ich den Tag im Krankenhaus mit Herumgehen, Zeitunglesen und Fernschauen. Und egal wo ich hinschaue: Ohne Desinfektionsmittel und Schutzmaske komme ich nicht aus. Denn wie die Ironie des Schicksals es will, fällt meine Krankheit zeitlich genau mit dem Ausbruch des Coronavirus zusammen. Nie in meinem Leben habe ich mich mit Hygienemaßnahmen beschäftigt, jetzt tut es die ganze Welt. Wie geht richtiges Händewaschen? Welches Mittel tötet Bakterien und Viren ab? Soll man draußen eine Schutzmaske tragen? Wie gefährlich ist das neue Virus für Menschen? Auf letztere Frage gibt es immer eine Antwort: Vor allem Leute mit schwachem Immunsystem sollen aufpassen.

Bis vor wenigen Wochen hätte ich nicht zu dieser Gruppe gehört, jetzt ist das anders. Es ist ein komisches Gefühl, plötzlich derjenige zu sein, für den so etwas wirklich gefährlich werden könnte und nicht immer nur über »die anderen« zu sprechen. Nach einer kurzen Nacht im Spital darf ich endlich nach Hause. Die erste Runde ist geschafft und ich darf zum ersten Mal seit zehn Tagen – seitdem der Port-a-Cath in meine Brust operiert wurde – wieder richtig und ausgiebig duschen. Ich glaube, es ist die beste Dusche meines Lebens.

Einsiedlerkrebs

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