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DONNERSTAG, 13. FEBRUAR 2020

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Prack. Zack. Bumm. Früher als erwartet ist die endgültige Diagnose da. Per Telefon gibt es die erste Auskunft von einem überaus einfühlsamen Arzt, den ich ab jetzt wohl öfter sehen werde. Auch wenn man noch so sehr damit rechnet, es zu hören ist doch noch einmal etwas anderes: »Der Verdacht hat sich leider bestätigt, Sie haben eine bösartige Lymphdrüsenerkrankung«, sagt die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Ist es ein Hodgkin?«, frage ich fast in seine letzte Silbe hinein. »Ja, ist es«, sagt er. Völlig absurderweise entfährt mir ein Jubelschrei. Denn der Hodgkin – ein Name, den ich davor noch nie gehört habe – gilt als der am besten heilbare unter den Lymphdrüsenkrebsarten mit einer Heilungschance von über neunzig Prozent, das hatte ich bereits im Vorfeld gegoogelt.

Dass ich mich einmal über eine »bessere« unter den Krebsarten freuen würde, hätte ich mir auch nicht gedacht. Sofort greife ich zum Telefon und rufe Familie und Freunde an, die die letzten Tage mit mir gezittert und gewartet haben. Voller Euphorie verkünde ich, dass es die harmloseste Version dieser Arschloch-Krankheit ist. Eine Euphorie, die meine geschockten Gesprächspartner etwas überfordert und verwundert. Denn das Wort Krebs löst wohl bei den meisten von uns nach wie vor den Gedanken aus, dass es mit den Betroffenen bald vorbei ist und man sich langsam verabschieden sollte.

Als Erstes rufe ich meinen Lebensgefährten Alexander an, der ebenso schockiert reagiert, da er wohl bis zuletzt gehofft hat, dass sich alles als einfache Virusinfektion herausstellt. Er lässt in seinem Büro alles liegen und stehen und kommt sofort nach Hause, um mit mir gemeinsam ins Spital zu fahren, um den Befund zu besprechen. In der Garderobe schnappe ich mir intuitiv eine Kappe und setze sie auf, irgendwie habe ich das Gefühl, dass meine Haare jetzt schon weg sind, obwohl das natürlich noch nicht der Fall ist.

Im Spital angekommen warten wir in einem recht schäbigen Gang, in der onkologischen Abteilung. Onkologie! Eine Abteilung, an der man in Krankenhäusern immer vorbeigeht und hofft, dass man dort nie landet. Jetzt bin ich hier und zwar nicht als Besucher, sondern als Patient. Mit einem breiten, freundlichen Lächeln begrüßt uns der Oberarzt, der sich extra schnell die Zeit freigeräumt hat, um mir alles zu erklären und den Fahrplan der nächsten Wochen und Monate zu besprechen. »Die gute Nachricht zuerst, es ist kein Todesurteil und Sterben ist absolut kein Thema«. Ein Satz, der mich sehr beruhigt, aber ganz stark nach einem »aber« klingt. »Bei der CT-Untersuchung haben wir festgestellt, dass in Ihrer linken Körperhälfte mehrere Areale von der Erkrankung betroffen sind, auch der Oberschenkel.« Ein Satz, der wie ein Fallbeil auf mich einschlägt. Im Knochen? Metastasen? Was bedeutet das? Der wirklich sympathische und besonnene Mediziner merkt meine Angst und setzt sofort nach. »Das hat nichts mit Metastasen zu tun, das sind die Lymphbahnen, das ist Teil dieser Hodgkin-Erkrankung«. Mein Puls verlangsamt sich unmerklich, aber es ist zumindest eine Entwarnung und die schlimmsten Bilder, die ich mir binnen Sekunden in meinem Kopf ausgemalt habe, verschwinden zumindest ein wenig.

Trotzdem haben es auch die nächsten Infos in sich, die der Doc für mich parat hat. »Wir müssen nächste Woche mit der Chemotherapie beginnen, die sechs Monate lang dauern wird.« Wow. Sechs Monate, ein halbes Jahr. Sofort tauchen in meiner Vorstellung leidende, glatzköpfige Menschen auf, die an einem Tropf hängen und aufs Sterben warten. Mitten in meine Gedanken hinein erklärt er mir den Zyklus, wie das bei Chemotherapien heißt. Am ersten Tag eine Infusion, dann sechs Tage lang Medikamente, am achten Tag wieder eine Infusion, danach zwei Wochen lang Pause – das Ganze insgesamt acht Mal. »Werden mir die Haare ausfallen?«, frage ich ihn, fast schon in einer Art Ruhe, die in den letzten Minuten in mir eingekehrt ist. »Ja, das werden sie. Auch die Augenbrauen. Aber die wachsen nach Ende der Therapie wieder nach«. Es sind fast zu viele Informationen für mich, mein Kopf kommt mit dem Denken und Verarbeiten nicht nach. »Sie werden sehen, Sie werden da gesund wieder herauskommen und eine ganz normale Lebenserwartung haben. Aber das nächste halbe Jahr wird hart«, erklärt mit der Arzt Anfang fünfzig.

Ich – ganz Journalist – will mir sofort ein Bild von dem machen, was mich da die kommenden Monate erwartet und frage ihn, ob ich mir die Station anschauen darf, die ich in der kommenden Zeit öfter sehen werde. Der Arzt, Alexander, der alles mitgeschrieben hat und mir ein großes Gefühl der Sicherheit in dieser schrecklichen Situation gibt, und ich gehen aus dem alten Pavillon ein paar Schritte weiter in ein ziemlich neues Gebäude. Viel Glas, hell und freundlich schaut es aus. Als wir auf die Station kommen, bestätigen sich meine Bilder, die ich vorher im Kopf hatte. Viele glatzköpfige Menschen, die an Infusionen hängen und alles andere als gesund ausschauen. Einzig ein älterer Herr, der ganz hinten an einem Holztisch sitzt, scherzt lebhaft mit einer Krankenschwester. Mit dem könnte ich es auch lustig haben, denk ich mir. Nach fünf Minuten beenden wir unseren Rundgang und der Arzt verabschiedet sich freundlich von uns. »Bis Montag, wir schaffen das schon«, sagt er.

Ich habe das dringende Bedürfnis, bei meiner Familie zu sein. Alexander und ich fahren vom Krankenhaus direkt nach Hause zu meinen Eltern, um sie über den Fahrplan und die genaue Diagnose zu informieren. Meiner stets optimistischen Mutter fällt es merklich schwer, ihre Zuversicht zu behalten, bei all den Informationen. Auch wenn es so gut wie sicher ist, dass ich nicht an dieser Krankheit sterben werde, ist die Aussicht auf sechs Monate Chemotherapie alles andere als ein Kindergeburtstag. Nach langen Gesprächen kommen wir aber zu dem Schluss: »Wir schaffen das. Gemeinsam«. Es ist ein gutes Gefühl, so starken Rückhalt in einer solchen Situation zu haben, auch wenn mir die Angst vor dem, was jetzt kommt, bereits tief in der Brust sitzt.

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