Читать книгу Einsiedlerkrebs - Patrick Budgen - Страница 7

DIENSTAG, 4. FEBRUAR 2020

Оглавление

Corona liegt in der Luft. Genauer gesagt, die Angst davor. Und zwar in 10.000 Metern Höhe. Ich sitze im Flugzeug am Heimweg aus Thailand. Zwei Wochen Mutter-Sohn-Urlaub liegen hinter mir. Zum Glück ahne ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht, was vor mir liegt. Meine knapp siebzigjährige Mum hat ihre Atemschutzmaske bereits nach zehn Minuten wieder abgelegt. »Ich krieg da doch überhaupt keine Luft. Das ist ein Blödsinn«, stellt sie entnervt fest. Ich lasse meine während des gesamten zehnstündigen Fluges aufgesetzt. Am Flughafen in Bangkok hat uns die Corona-Welle erfasst. Fast alle der Passagiere, nicht mehr nur asiatische, tragen einen Mund-Nasen-Schutz. Beim ewig langen Warten auf unsere Maschine – ich werde künftig nur noch direkt fliegen – schildere ich meinen Freunden per WhatsApp die für mich völlig irreale Situation: »Oida, in Bangkok am Flughafen schaut‘s aus wie auf einer Seuchenstation, alle haben eine Maske auf – ich auch ;)«. Gruppenzwang funktioniert auch am Beginn einer Pandemie. Denn bis zum Rückflug ist Corona bei uns während der vergangenen 14 Tage zwischen Sonne, Strand und Phat Thai kaum Thema gewesen. Ab und zu haben wir über chinesische Touristen gescherzt, die mit Mundschutz am Strand spazieren gegangen sind. Das war‘s aber auch schon.

Viel stärker hat mich etwas anderes beschäftigt: Meine »Dippel« am Hals, wie ich sie bis dahin genannt habe. Vor drei Monaten habe ich auf der linken Seite zum ersten Mal einen kleinen Knoten gespürt. Hypochonder wie ich bin, bin ich damit sofort zu meiner Hausärztin gegangen. »Nicht schlimm. Kommt nur von einem Infekt«, so ihre recht rasche Diagnose. Seitdem bin ich mit meinen angeschwollenen Lymphknoten – mittlerweile spüre ich vier davon ziemlich groß – beim Ultraschall gewesen, zwei Mal beim Blutbild und beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt. Das Fazit: kein Grund zur Sorge. »Die Schwellungen kommen höchstwahrscheinlich von einer bakteriellen Infektion«, so hat der Fachdoktor die hohen Entzündungswerte in meinem Blut beurteilt und mir Antibiotika verschrieben.

Mit ihnen und der Hoffnung im Gepäck, dass diese gesundheitliche Geschichte damit erledigt ist, bin ich also nach Kho Lanta gereist. Jeden Tag drücke ich an meinem Hals herum und rede mir ein, dass die Knoten kleiner werden. Leider Fehlanzeige. Es ändert sich genau gar nichts. Und mit jedem Tag am Traumstrand male ich mir den Albtraum weiter aus. Was ist, wenn das Ganze doch etwas Ernstes ist? Warum gehen diese verdammten Lymphknoten nicht weg? Meine Mutter versucht mich täglich mit ihrem gegoogelten Halbwissen aus dem Internet zu beruhigen. »Das ist ganz bestimmt nichts Schlimmes. Da spricht alles dagegen«, betet sie mir wie ein Mantra vor. Ich merke trotzdem, dass mit mir etwas nicht stimmt. Als ich im Pool meine abendlichen Bahnen ziehe, rede ich sogar laut mit mir selbst und stelle mir die Frage: »Was ist los mit dir? Warum bist du dauernd so müde und fühlst dich nicht gut?«. Eine Antwort auf diese Fragen bekomme ich in diesem Urlaub leider (oder zum Glück?) nicht mehr. Beim Landeanflug auf Wien beschließe ich schließlich, mich sofort gründlicher durchchecken zu lassen. Nachdem die Antibiotika nicht gewirkt haben, muss der Grund für die Knoten an meinem Hals schließlich irgendwo anders liegen.

Als meine Mutter und ich samt unseren Koffern – wir haben schon wieder viel zu viel mitgenommen – in die Empfangshalle des Flughafens kommen, wartet schon mein Vater auf uns. Er hat – so wie alle anderen hier am Flughafen – keine Maske auf, warum auch, und belächelt uns für unser »Mitbringsel« aus Thailand. Corona ist hier also noch nicht gelandet. Nicht einmal in den Köpfen. In meinem eigenen ist in den nächsten Tagen auch recht wenig Platz dafür …

Einsiedlerkrebs

Подняться наверх