Читать книгу Das Zeitportal - Patrick McGinley - Страница 12
Drohnenflug
ОглавлениеDer nächste Tag kam den Freunden endlos vor. Die Schulstunden schienen sich mehr als sonst in die Länge zu ziehen. Jonas und die anderen waren viel zu aufgeregt, um sich auf Mathe und Deutsch zu konzentrieren. Schließlich kam der erlösende Gong zur letzten Stunde. In Rekordzeit packten sie ihre Sachen zusammen und verließen das Schulhaus. Bei Jonas’ Haus legten sie einen Zwischenstopp ein.
»Wartet hier«, sagte Jonas zu den anderen. Er war nervös. Dies war der Teil des Plans, der ihm am wenigsten zusagte. Auf keinen Fall wollte er seinem Bruder Sven begegnen. Er lief über die Straße und betrat das Haus. In der Diele hielt er inne und lauschte. Nichts war zu hören. Meistens lief in Svens Zimmer Musik, wenn er sich dort aufhielt. Es war ein gutes Zeichen, dass es still war. Jonas schlich sich vorsichtig die Treppe hinauf und presste sein Ohr an Svens Tür. Als er von drinnen keinen Laut vernahm, schlüpfte er hinein. Der schwarze Rucksack, der die Drohne enthielt, stand auf Svens Schreibtisch. Jonas schnappte ihn sich, schulterte ihn und verließ den Tatort. Zwei Stufen auf einmal nehmend rannte er die Treppe hinunter. Auf der vorletzten Stufe rutschte er aus. Taumelnd schaffte er es gerade noch, sich mit einer Hand am Treppengeländer festzuhalten. Schweiß trat auf seine Stirn. Wenn er auf den Rücken gefallen wäre, hätte die Drohne den Aufprall sicher nicht überlebt. Bei dem Gedanken daran, was Sven dann mit ihm angestellt hätte, wurde ihm mulmig. Er atmete zweimal tief durch, rappelte sich auf und lief dann zur Haustür, vor der die anderen auf ihn warteten. Wie ein Bankräuber, der in den Fluchtwagen springt, schwang er sich auf sein Rad.
»Los! Nichts wie weg!«, rief er.
Das ließen sich Nina, Anton und Felix nicht zweimal sagen. Die vier traten in die Pedale und radelten, so schnell sie konnten, zum Wald. Auch an diesem Tag herrschte eine mörderische Hitze, und die Bäume spendeten wohltuenden Schatten. Sie nahmen die Straße, die zur Lichtung führte, wo Jasper Vogel der Polizei ins Netz gegangen war.
»Pack die Drohne aus«, sagte Anton zu Jonas.
»Ich glaube, es ist besser, wenn wir tiefer in den Wald fahren«, entgegnete Jonas. »Schließlich wurde Jasper Vogel hier von einem Spaziergänger erwischt.«
»Jonas hat recht«, meinte Nina. »So nah an der Straße kann uns leicht jemand über den Weg laufen.«
»Okay. Wir folgen dem Zaun, bis wir eine geeignete Stelle finden«, schlug Anton vor.
Sie fuhren dicht am Maschendrahtzaun entlang, doch bald wurde der Waldboden so uneben, dass sie von den Fahrrädern absteigen mussten. Das Schieben kostete ganz schön Kraft, und nach ein paar Hundert Metern waren sie ziemlich aus der Puste.
»Ich finde«, japste Felix, »wir sind hier weit genug von der Straße weg.«
»Felix hat recht«, sagte Anton keuchend. »Wenn ich mein Rad noch einen Meter weiterschieben muss, bekomme ich einen Hitzschlag.«
»Was ist das da?« Nina deutete ins Unterholz. Etwas Rotes schimmerte dort durch die Äste eines Baumes.
»Vorsichtig!«, flüsterte Jonas, als sie die Zweige zur Seite bog.
»Ein Zelt«, rief Nina und lief um den Baum herum. Die anderen folgten ihr. Zwischen drei dicken Baumstämmen hatte jemand ein rotes Zweimannzelt aufgestellt. In einem Kreis aus größeren Steinen war ein Häufchen Asche aufgeschichtet, aus dem einige verkohlte Zweite ragten.
»Jemand zu Hause?«, rief Nina. Sie bekam keine Antwort. »Ich wette mein Fahrrad, dass das Zelt Jasper Vogel gehört«, sagte sie und machte sich am Eingang zu schaffen.
»Und wenn nicht?«, fragte Jonas ängstlich. Ihm war das Ganze nach wie vor nicht geheuer.
Aber Nina war schon im Inneren verschwunden. Kurz darauf streckte sie den Arm aus dem Zelt. Sie hielt den Jungs triumphierend den Beweis für ihren Verdacht hin. »Ich hab’s gewusst!« In ihrer Hand schwenkte sie eine Rolle Alufolie.
Felix nahm sie ihr ab und begutachtete sie wie ein Museumsstück.
»Hier ist noch einiges anderes Zeugs«, sagte Nina. »Komische Ufo-Magazine, ein Karton mit Energieriegeln und das hier.« Sie trat aus dem Zelt. In der Hand hielt sie eine Kneifzange.
»Wenn Jasper hier nicht entdeckt wurde, ist das wahrscheinlich ein sicherer Ort, um die Drohne zu starten«, meinte Felix.
»Also los«, rief Anton.
Jonas öffnete den schwarzen Rucksack und nahm die Drohne heraus. In seiner Hand sah der Minihubschrauber so zerbrechlich aus, also würde er durch bloßes Anblicken in tausend Stücke springen.
»Gib her!« Anton griff danach.
Jonas zog die Drohne außer Reichweite. »Regel Nummer eins: Außer mir rührt keiner die Drohne oder die Fernsteuerung an. Schließlich ist es meine Haut, die auf dem Spiel steht.«
Etwas mürrisch gab Anton klein bei. Jonas setzte die Drohne auf den Waldboden und schaltete sie ein. An der Unterseite des Flugkörpers leuchteten ein rotes und ein grünes Licht auf. Jonas nahm die Fernsteuerung aus dem Rucksack. Sie war etwa so groß wie ein Federmäppchen und besaß ein eingebautes Display, auf dem das Bild der Drohnenkamera zu sehen war. Daneben befanden sich rechts und links zwei Steuerknüppel. Jonas schaltete die Steuereinheit an, und ein rotes Licht begann zu blinken. Nach einigen Sekunden leuchtete es kontinuierlich grün.
»Ich glaube, der rechte Steuerknüppel ist für vorwärts und rückwärts, und der linke ist für die Höhe«, sagte Anton und wollte Jonas schon über die Schulter greifen. Jonas wehrte ihn mit dem Ellbogen ab.
»Was habe ich eben gesagt?«, fragte er. »Finger weg!« Normalerweise war er nicht so schroff zu seinen Freunden, doch ihm war immer noch nicht wohl dabei, dass sie die Drohne ohne Svens Erlaubnis benutzten.
Behutsam drückte er den linken Steuerknüppel nach oben. Die Rotoren begannen sich zu drehen. Erstaunlich schnell raste die Drohne kerzengerade nach oben. Wenn Jonas nicht blitzschnell reagiert hätte, wäre sie beinahe mit dem Geäst der Bäume über ihnen kollidiert. Jonas atmete tief durch.
»Das hätte fast einen Absturz gegeben«, sagte Felix.
Vorsichtig bewegte Jonas die Joysticks und beobachtete die Reaktionen der Drohne, bis er ein Gefühl für das Flugverhalten bekommen hatte. Das Display zeigte das Bild der Kamera an. Im Moment sah man darauf den Waldboden aus der Vogelperspektive.
»Können wir jetzt endlich losfliegen?«, fragte Anton ungeduldig.
»Jetzt beruhig dich mal«, gab Jonas zurück. »Wenn das Ding gegen einen Baum prallt, haben wir ein echtes Problem.«
Jonas’ Nerven lagen blank. Er wusste, dass Sven ihm die Hölle heißmachen würde, falls der Drohne etwas passierte. Vorsichtig drückte er den rechten Steuerknüppel nach vorne. Die Drohne flog vorwärts. Auf dem Bildschirm beobachteten die vier, wie der Maschendrahtzaun unter der Drohne verschwand. Jonas ließ das Fluggerät an Höhe gewinnen, und das Areal hinter dem Zaun wurde unter ihr sichtbar. Anton platzte fast vor Neugier. Er wirkte, als wolle er in das Display hineinkriechen, das das Kamerabild anzeigte.
Jonas blickte vom Bildschirm auf und sah, dass der Minihubschrauber zu einem kleinen Punkt weit über ihnen zusammengeschrumpft war. Er ließ ihn langsam vorwärtsfliegen. Die Augen der vier Freunde waren auf den Bildschirm geheftet. Sie wagten es kaum zu blinzeln. Jonas fühlte seinen Puls wie den Schlag einer Pauke. Sie waren kurz davor, das Geheimnis des Zombieparks zu lüften. Was würden sie dort vorfinden?
Das Bild zeigte nun eine verwilderte Wiese, die sich in alle Richtungen erstreckte. Ein geteerter Weg zog sich durch das hohe Gras. Der Asphalt war von Schlaglöchern und Rissen gezeichnet, aus denen knallgelber Löwenzahn wucherte. Ein Brennnesselfeld tauchte neben dem Weg auf. Es wirkte alles so, als hätte seit Jahren kein Mensch einen Fuß in das Areal gesetzt. Jonas lenkte die Drohne darüber hinweg.
»Flieg an dem Weg entlang«, sagte Anton. »Der muss ja irgendwo hinführen.«
Jonas lenkte die Drohne so, dass sie dem Pfad folgte.
»Was ist das da?«, fragte Nina. Sie deutete auf ein kleines Gebäude, das aus dem Feld ragte.
Jonas flog näher an den grauen Klotz heran. Der rissige Beton war über und über mit Flechten und Moos bedeckt. Ein Luftloch an der Oberseite war mit einem rostigen Gitter versehen.
»Keine Ahnung«, sagte Jonas.
»Sieht aus wie ein Bunker«, meinte Anton. »Der Beton ist ziemlich dick.«
»Vielleicht doch eine Militärbasis?«, flüsterte Felix ehrfurchtsvoll.
»Habe ich also recht gehabt!«, rief Anton. Ein beleidigter Ton schwang in seiner Stimme mit.
»Ein Mini-Bunker ist noch kein Ufo-Landeplatz«, murmelte Nina. Sie klang jedoch unsicher, und auch Jonas kam ins Grübeln. Plötzlich wirkten Antons wilde Theorien gar nicht mehr so weit hergeholt.
Die Drohne überflog jetzt einen asphaltierten Platz, der mit allerlei Markierungen versehen war.
»Ist das ein Parkplatz?«, überlegte Jonas.
»Wenn ja, dann nicht für gewöhnliche Autos«, meinte Felix. »Die Markierungen sind viel zu groß.«
»Hubschrauber«, mutmaßte Anton.
Für den Bruchteil einer Sekunde setzte das Bild der Kamera aus. Das Display zeigte weißes Rauschen. Dann war das Bild wieder da.
»Hast du die Batterie überprüft?«, fragte Nina.
»Klar«, sagte Jonas. »Der Akku war voll.«
Das Bild verpixelte sich. Blockige Muster erschienen, die in diversen Farben blinkten.
Felix runzelte die Stirn. »Da ist was faul.«
»Vielleicht ist das die Strahlung«, meinte Anton.
Jonas drückte den Joystick nach links. Plötzlich wurde ihm heiß und kalt. »Ich kehre lieber wieder um.«
Die Drohne drehte sich, doch die Störungen wurden immer schlimmer.
»Flieg zurück!«, rief Anton.
»Versuche ich ja. Das Ding reagiert nicht!«
Das Kamerabild blitzte immer wieder kurz auf. Es zeigte, dass die Drohne in eine Schieflage geraten war. Jonas drückte den Steuerknüppel so stark nach rechts, dass dieser abzubrechen drohte. Anstatt jedoch die Richtung zu ändern, begann die Drohne sich wie ein Kreisel zu drehen. Sie taumelte unkontrolliert auf den Boden zu.
»Tu doch was!«, rief Anton.
»Was denn?«, entgegnete Jonas verzweifelt. »Die Steuerung ist tot!«
Plötzlich war das Bild wieder klar, doch nur für einen Augenblick. Mit einer letzten Erschütterung der Kamera krachte die Drohne in die Wiese.
»Oh nein!«, rief Jonas. Das durfte einfach nicht wahr sein!
»Scheiße!«, sagte Felix.
»Was machen wir denn jetzt?« Jonas’ Herz klopfte bis zum Hals. »Sven bringt mich um, wenn ich ohne die Drohne heimkomme.«
»Ist doch klar, wir gehen rein und holen sie«, sagte Anton.
»Bist du verrückt?«, rief Nina. »Die Drohne ist gerade wegen irgendeiner Strahlung abgestürzt. Was, wenn die für Menschen gefährlich ist?«
»Das glaube ich nicht«, sagte Felix. »Es handelt sich wahrscheinlich um ein Radiosignal. Für Menschen völlig unbedenklich.«
»Außerdem würde ich einen langsamen Strahlentod dem vorziehen, was Sven mit mir anstellen wird«, seufzte Jonas.
»Ich gehe«, sagte Anton. »Die ganze Sache war meine Idee, also ist es auch meine Schuld.«
»Das können wir nicht riskieren«, sagte Nina.
Während Nina mit Anton und Felix diskutierte, fiel Jonas’ Blick auf das Display der Fernsteuerung. Für einen Moment flackerte das Kamerabild wieder auf. Jonas erstarrte. Hatte er da eine Gestalt gesehen, die sich auf die Drohne zubewegte? Durch das Rauschen konnte er sich nicht sicher sein. Er blickte zu Nina, Felix und Anton auf, die sich immer noch stritten, und fasste einen Entschluss.