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Die Entdeckung

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Sekunden später prallte Jonas mit voller Wucht auf dem Betonboden auf. Er hatte sich im Fallen gekrümmt und seine Arme und Beine an den Körper gezogen. Ein dumpfer Schmerz flammte in seinen Rippen auf, und er sah Sternchen. Ächzend öffnete er die Augen. Er lag auf dem Boden eines Korridors, der sich links und rechts in der Dunkelheit verlor. Die einzige Lichtquelle war das Loch, durch das er gestürzt war. Die Sonne warf ein Quadrat aus Licht auf den Boden, in dessen Mitte er jetzt lag.

Langsam stand er auf. Er testete vorsichtig, ob er sich etwas gebrochen hatte. Seine Rippen schmerzten zwar gewaltig, doch es schien, als sei er mit dem Schrecken davongekommen. Seine Knochen waren heil geblieben. Er blickte nach oben. Der lange Schacht endete in einer Öffnung, durch die er einen quadratischen Ausschnitt des blauen Himmels sah. Die Wände waren so glatt, dass keine Chance bestand, dort wieder hinaufzuklettern. Er war hier unten gefangen.

Mit klopfendem Herzen zog Jonas sein Handy aus der Tasche. Er war nicht überrascht, dass das Netzsymbol so tief unter der Erde null Striche anzeigte. Keine Verbindung. Jonas hatte alle Mühe, nicht vor Verzweiflung loszuheulen. Sein ganzer Körper schmerzte, er hatte den Kontakt zu seinen Freunden verloren, und er saß in einem unterirdischen Gang fest. Er atmete tief durch. »Nur nicht den Mut verlieren«, sagte Jonas zu sich selbst.

Es gab nur zwei Möglichkeiten. Er konnte dem Tunnel entweder nach links oder rechts folgen. Da er keine Anhaltspunkte hatte, die ihm die Entscheidung erleichtern würden, entschloss er sich, nach rechts zu gehen. Das Handy war als Kommunikationsmittel zwar nutzlos, doch die eingebaute Taschenlampe funktionierte einwandfrei. Er schaltete sie an und ließ den Lichtschein über die Wände und den Boden gleiten. Dann ging er los.

Der Korridor war, wie der Pfad und die Betonbauten an der Oberfläche, alt und rissig. Hier und da tropfte es durch die brüchige Decke, sodass sich am Boden Pfützen gebildet hatten. Moosteppiche bedeckten die Wand, und Spinnweben hingen wie Girlanden von der Decke. Jonas’ Schritte klangen in der Stille unheimlich. Ab und zu hallten aus der Dunkelheit unheimliche Geräusche durch den Tunnel, ein Knarzen, ein Schaben, ein Schlurfen, als wäre er hier unten nicht allein. Was, wenn Anton doch richtiggelegen hatte? Vielleicht wuselten wirklich Außerirdische durch das Gemäuer?

Nach langer Wanderung erreichte er eine schwere Eisentür, die in die rechte Wand eingelassen war. Er versuchte, sie zu öffnen, doch sie war entweder abgeschlossen, oder das Türschloss war über die Jahre hinweg zugerostet. Jonas ging weiter, bis er an eine Abzweigung gelangte. Sollte er nach links oder rechts gehen? Beide Wege führten in die dunkle Ungewissheit. Jonas bog nach links ab und ging weiter. Bei der nächsten Abzweigung ging er nach rechts. Langsam kamen ihm Zweifel, ob es klug gewesen war, auf eigene Faust einen Ausgang zu suchen. Wenn die anderen ihm folgten, hätte er sie durch Hilferufe leicht auf sich aufmerksam machen können. Doch jetzt hatte er sich in einem Labyrinth aus Gängen verloren, von dem er nicht einmal wusste, wie weitläufig es war.

Ein Kloß saß ihm im Hals, doch es war zu spät, um seine Entscheidung zu überdenken. Er durfte jetzt nur nicht den Mut verlieren. Langsam schwenkte er die Handytaschenlampe nach oben. Ein Bündel aus Kabeln lief über ihm an der Decke entlang. Alle paar Meter war dort eine Lampe in einem Plastikgehäuse angebracht. Die Glühbirnen waren zwar dunkel, doch manche von ihnen schienen noch intakt zu sein. Jonas beschloss, dem Kabelbündel zu folgen, schließlich musste es irgendwann zu einer Stromquelle führen. An den nächsten drei Abzweigungen nahm er jeweils die Richtung, die auch der Kabelstrang einschlug.

Einige Minuten später wurde sein Einfall mit einer Entdeckung belohnt. Die Kabel mündeten in einen großen Raum, den Jonas jetzt betrat. Hier roch es nach altem Benzin und verkohltem Plastik. An der gegenüberliegenden Wand standen drei große Tanks, die etwa zu einem Drittel mit einer dunklen Flüssigkeit gefüllt waren. Dem Geruch nach zu urteilen, handelte es sich dabei um eine Art Treibstoff. Links von ihm war eine Steuereinheit in die Wand eingelassen. Main Generator stand dort auf einem Schild über der Einheit. Es war zwar auf Englisch geschrieben, doch das Wort »Generator« hatte mit ziemlicher Sicherheit in beiden Sprachen die gleiche Bedeutung. Ein großer Schalter ruhte in der Off-Position.

Jonas zögerte.

Sollte er den Generator einschalten? Was würde geschehen, wenn das Stromnetz wieder Saft hatte? Klar, wenn die Beleuchtung anging, war das ein großer Vorteil für ihn, doch was sonst war in diesem unheimlichen Komplex verborgen? Was würde er in Gang setzen, wenn er den Schalter umlegte? Er blickte auf die Anzeige seines Handys. Nur noch 18 Prozent Batterieladung. Wenn er hier unten nicht im Dunkeln sitzen wollte, hatte er keine Wahl. Jonas lief zu der Einheit hinüber. Er ergriff den Schalter und versuchte ihn nach oben in die On-Stellung zu drücken, doch er bewegte sich nicht. Jonas legte vorsichtig sein Handy auf den Boden, sodass das Licht nach oben strahlte, und griff mit beiden Händen zu. Er drückte, so fest er konnte. Der Schalter protestierte mit einem lauten Quietschen, doch Zentimeter um Zentimeter gab er nach. Urplötzlich löste sich der Widerstand, und der Schalter landete krachend in der On-Position.

Jonas machte einen Schritt zurück. Auf der Kontrolleinheit erwachten Statuslichter und Anzeigetafeln zum Leben. Der Boden begann zu vibrieren. Ein dumpfes Dröhnen hallte durch das Betonlabyrinth und steigerte sich langsam zu einem rhythmischen Wummern. Was hatte Jonas hier unten aus dem Schlaf erweckt? Würde er es noch bereuen, den Schalter umgelegt zu haben?

Die Glühdrähte der Deckenleuchten glommen erst zaghaft auf und entfalteten dann ihre volle Strahlkraft. Die plötzliche Helligkeit brannte ihm auf der Netzhaut. Jonas schloss die Augen. Wenigstens hatte er jetzt genug Licht. Doch das Wummern, das durch die Mauern drang, beunruhigte ihn. Es klang wie der Herzschlag eines riesigen Ungeheuers. Als er sich an die Lichtintensität gewöhnt hatte, schaltete er sein Handylicht ab und verließ den Generatorraum. Auch im Korridor leuchteten die Deckenlampen, bis auf ein paar vereinzelte Blindgänger, wieder auf.

Jonas folgte dem Gang. Jetzt, wo er nicht mehr in der Dunkelheit festsaß, fasste er wieder Mut. Bald vernahm er ein weiteres Geräusch. Es war eine Art mechanisches Rattern, Klappern und Pfeifen, wie von einer altmodischen Maschine. Der Gang, den er gerade entlanglief, endete an einer weiteren Tür.

Seine Hand zitterte, als Jonas nach der Klinke griff. Was würde ihn dahinter erwarten? Er öffnete die Tür und staunte nicht schlecht, als er sich in einer Art Computerraum wiederfand. Dabei handelte es sich jedoch nicht um die moderne Art von Computerlabor, mit flachen Bildschirmen, schnittigen Laptops und glatten Plastikoberflächen. Die Ausrüstung, die sich auf den Schreibtischen und an den Wänden befand, war uralt. Klotzige Recheneinheiten, so groß wie Wandschränke, waren an der linken Seite aneinandergereiht. Bei den dicken Spulen, die wie übergroße Audiokassetten vor- und zurückliefen, handelte es sich wohl um Datenträger. Klobige Röhrenmonitore zeigten in kryptischen Reihen Computercode an. Alles blinkte, piepste und ratterte. Jonas fühlte sich gar nicht wohl in seiner Haut. Er hatte irgendwie das Gefühl, als würden die blinkenden Lichter jeden seiner Schritte wie tausend Augen beobachten. Immer wieder zuckte er zusammen, denn das Quietschen und Knarzen der jahrzehntealten Maschinen klang, als würde ihm jemand hinterherschleichen.

Von irgendwoher drang ein fauliger Duft an seine Nase. Er blickte sich um und hatte bald die Quelle des unangenehmen Aromas ausgemacht. In der Ecke stand ein altmodischer Kühlschrank. Einige Fliegen hatten ihren Weg in den Komplex gefunden und summten nun gierig um den Kühlschrank herum. Jonas lief hinüber und öffnete ihn. Der Gestank, der ihm entgegenschlug, war unbeschreiblich. Was immer es gewesen war, das darin die Jahrzehnte überdauert hatte, es hatte sich in einen Teppich aus blassgrünem Schimmel verwandelt, der sich im gesamten Innenraum ausgebreitet hatte. Sofort schloss Jonas die Tür wieder.

Er wollte diesen Raum so schnell wie möglich hinter sich lassen und lief zwischen den Rechnern entlang. Dahinter gelangte er an eine weitere Tür. Diese öffnete er und fand sich in einem größeren Raum wieder. Einige der Fliegen waren ihm gefolgt und surrten nun in der Luft herum. Jetzt kam sich Jonas endgültig vor, als sei er in einen Science-Fiction-Film geraten. Allerlei mysteriöse Maschinen waren in dem Labor installiert. Offenbar hatten sie alle wieder den Betrieb aufgenommen, als er den Generator eingeschaltet hatte. Anzeigetafeln spuckten Textketten aus, und ein Drucker druckte kreischend Zahlenreihen auf Endlospapier. Ein kleiner Roboterarm, der auf einem Schreibtisch installiert war, drehte sich immer wieder hin und her, als würde er nach einem unsichtbaren Gegenstand greifen und ihn dann wieder fallen lassen.

Nervös blickte Jonas sich um. Er erwartete beinahe, dass jeden Moment ein uralter Wissenschaftler um die Ecke schlurfte, der seit Jahrzehnten hier unten an seiner Höllenmaschine arbeitete. Doch die einzigen Lebewesen außer ihm waren die Fliegen, die ihm aus dem anderen Raum gefolgt waren. Hatte Anton wirklich recht gehabt? War das hier ein geheimes Ufo-Labor, in dem Alien-Technologie erforscht wurde? In diesem Moment hörte er das Knarzen einer Tür. Oder hatte er es sich nur eingebildet? Jonas lief an den Maschinen vorbei in die Mitte des Raumes.

Und dann sah er es.

Der Computerraum erweiterte sich hier zu einer kreisrunden Halle, in deren Mitte ein merkwürdiges Gebilde stand. Es handelte sich um eine Art Torbogen aus massivem Metall, der die Form des griechischen Buchstabens Omega hatte.

Auf der Innenseite des Bogens befanden sich Lichtquellen, die in einem seltsam flimmernden Licht erstrahlten. Jonas spürte, dass er Kopfweh bekam, je länger er in den grellen Lichtschein starrte. Am höchsten Punkt des Bogens entspross ein dicker Kabelstrang, der über die Decke zu einem Computerterminal an der Wand führte. Was war das für ein Ding? So etwas hatte er noch nie gesehen.

Plötzlich fühlte Jonas eine Hand auf seiner Schulter. Er zuckte zusammen, und sein Herz setzte einen Schlag aus. Er fuhr herum.

Felix stand hinter ihm.

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