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III. Gott tragen

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Nun geht es darum offenzulegen, wie das Grundphänomen der mikrosphärischen Welt – der gegenseitigen Evokation („an sich zu ziehen“„hervorrufen“) der in starker Beziehung vereinten Zwei – auch in der Makrosphäre, dem kugelförmigen Universum wiederholt.

Das Paar muss auch die absolute Kugel für sich gewinnen.

Wenn es ein absolutes Zentrum gibt, dann tritt die Frage nach Rolle und Bedeutung der Epizentren auf; nach dem Außen und ihrem Gegenüber auf und was ist mit dem nicht umschlossenen Rest.

Das schöngerundete Ganze der Außensicht-Kugel ist stets vom Sklavenaufstand der äußeren und unteren gefährdet und hat nur solange Bestand, wie das Zentrum, das epizentrische, in Schach halten kann.

Der Innen-Seher Kugel droht Gefahr, durch die, von den gewöhnlich Sterblichen nicht einnehmbaren Mitte-Sicht.

Dadurch entsteht eine zweite Exzentrik: diejenige der gewöhnlich-sterblichen Augen zur optimalen Mitte. Sloterdijk nennt sie Epizentrik: die Spannung zwischen der

zentrierten Sicht in die ontologische Sphäre und er epizentrischen Weltauffassung vom existenziellen Standpunkt her. Die Spannung zwischen „Der/Meiner Mitte“ und „mir normal sterblichem“.

Damit ist ein folgenreicher Urteilsspruch über die kognitive conditio humana gefällt:

Die Menschen sind immer und ohne Einschränkung zum Dasein auf halbblinden epizentrischen Standpunkten verurteilt.

Sie sind die aus dem Zentrum gerückten, die in die Umstände Verschlagenen, die Randwesen, die situativ Benommenen.

Menschen sind die Marginalen Gottes und daher unheilbar epizentrisch, halb sichtig, halb klar,

für alle Zeiten Nicht-Mittelpunkt-Wesen.

Philosophie ist die Zumutung zu verstehen, dass die Mitte anderswo ist.

Epizentrische Existenz bedeutet: sich von den Zusprüchen eines höchsten Zentrums angehaucht und in Mitleidenschaft gezogen wissen, ohne sich mit diesem selbst verwechseln zu dürfen. Und genau damit tritt im Raum des bewussten Lebens ein Verhältnis in Kraft, das exakt der Wiederholung mikrosphärischer Intimbeziehungen auf makrosphärischem Niveau bewirkt.

Metaphysisch denken bedeutet den Zauber zu meditieren, den die Mitte auf die epizentrischen Punkte rings um sie herum ausübt. Das göttliche Zentrum und das menschliche Epizentrum verdoppelnd die ursprüngliche Erweckung der Vorstellung der in starker Beziehung vereinten Zwei.

An den Beispielen der gottesträchtigen Maria und dem legendären Lastenträger Christophorus wird die Analogie von mikrosphärischen Intimbeziehungen und makrosphärischen Weltbeziehungen dargestellt.

Es ist die Form der aktiven Ergebung, der dienenden Einfügung vom Epizentrum zur Mitte. Es ist dies die Matrix aller Dienst-Mystik. Das maßgebliche Kooperations-modell der Großwelten: die Metaphysik der Mitarbeit, der Dienst am Zentrum. Nicht im Modus eines Kadavergehorsams. Das Werkzeug soll seinerseits lebhaft zuvorkommend sein und sich damit für die Intentionen der Mitte in Bewegung zu setzen, sich in eine Art von intelligenter Ko-Spontaneität aktiv fallen lassen ins zentrale Projekt.

Von Christophorus an bedeutet das Spiel mit dem Ball des Seins auch immer eine intime Affäre.

Die Sphäre die die Welt bedeutet, steht nicht mehr nur als geometrische Figur vor dem Betrachter; sie ist auch nicht nur eine universalisierte Umwelt: Sie ist zum Emblem der starken Beziehung zwischen Menschen und Mittelpunkt geworden.

Damit hat das Christentum ein im Dualraum verankertem Prinzip der Solidarität in die Welt gesetzt: Denn es denkt, naiv und reflektiert zugleich, solidarisches Handeln als Mitarbeit des Epizentrums beim Projekt der Mitte.

Dieses dienende Tragen und tragende Dienen zieht sich durch die Geschichte der Menschenfischer, dem dieses Modell der starken Beziehung zu Grunde liegt.

Königshäuser, Weltentdecker, Kaufleute und Jesuiten beugen sich unter die größten Gewichte, von der Gewissheit beflügelt, dass nur deren Übernahme reale Macht verleiht.

DIE LETZTE KUGEL

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