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Kapitel 1 Fern-Nähe thanatologische Raum, Paranoia, Reichsfrieden

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Zur Erinnerung an Band I:

In Sphären leben heißt, die Dimension erzeugen, in der Menschen enthalten sein können. Sie sind immunsystemisch wirksame Raumschöpfungen für ekstatische Wesen, an denen das außen arbeitet. Ist nicht auch die Weltgeschichte stets auch eine Kriegsgeschichte der Immunsysteme?

Hier nun schließt Sloterdijk an der Hauptthese des Bd. I an, das alle Geschichte die Geschichte von Beseelungen sei, die aus der Raumteilung der Zwei entstehen.

Aber sie wird nach dem Hauptakteur „Blase“ mit seinem Intimraum aus Band I.

jetzt erweitert und kann nun lauten:

das die Geschichte die Geschichte von Sphärenerweiterungskämpfen ist.

Für Imperien gilt zusätzlich: von Selbsterhöhungen, Auserwählungsprogrammen und Größen-„Wahn“-Systemen.

Wo Paarseele war soll Weltseele werden. Das was Außen ist soll jederzeit die erweiterte Innenwelt sein können.

Das kommt der Forderung gleich, die Mutter-Kind-Symbiose bis an der Rand der Welt auszudehnen. Das Vermögen zu solchen Dehnungen ist traditionell das was man Glauben nennt.

Die Erweiterung, wenn sie von der kleineren Sphäre aufgegriffen wird, macht und muss Sphären zu lernfähigen Gebilden machen, gleichsam übende Immunsysteme und Behälter mit wachsenden Wänden. Jede Sphärenkatastrophe fordert dann zu Reparaturen heraus und gibt den Anreiz zum Wachstum.

Wie wird eine Sphäre lernfähig? Woher holt sie die Kraft? Wie bewältigen Menschliche Gruppen ihre Form-Krisen.?

Menschen leben stets unter dem Risiko, durch Gewalt und Tod von denen getrennt zu werden, die ihnen am nächsten standen. Hinterbliebene stehen so vor der Verlegenheit, sich auf ein Weiterlebenmüssen ohne ihre wichtigsten Ergänzer einzustellen.

Der menschliche Raum entsteht so durch die Impfung mit dem Tod.

Individuum wird, wer durch das Verschwinden unersetzlich Anderer gezeichnet ist, sich auf Verlassenwerden eines unersetzlichen Anderen einzurichten. So entsteht die Grundhärte der erwachsenen Einzelnen. Sie funktioniert als Isolierung gegen symbiotische Nähe-Versuchungen. Dieser zu erliegen würde zumindest ein Wachsen der Sphäre verhindern, aber sicherlich ein weiteres Werden einschränken.

Aber Leben will Leben.

Kultur gelingt, wenn sie als Vorschule des Zurückbleibens nach dem Tod des Meisters funktioniert. Es wird als „Erbe“ diskutiert. Wer sich früh genug darauf gefasst macht, den schützt es vor irreparablen Trennungskatastrophen, d.h. wenn der Verlust dem Verlierer über den Kopf wächst.

Insofern wachsen Mikrosphären zu Makrosphären, indem sie die stressierenden Außengewalten in ihren eigenen Radius einbauen. Das Wachstum ist dann ein Stress-Kurs der äußeres durch Einschließung neutralisiert.

Der Wille zur Macht muss in einer innerweltlichen Großkugel, einem Imperium ausdehnungsgleich werden mit einem Willen zur Beseelung des gesamten Raumes.

So lautet in den großen Hochkulturen der morphologische Imperativ: Runde und Herrsche!

Wenn der Tod der erste Sphärenerweiterer ist dann ist der Stress, der durch Neid und Böses in eine Gesellschaft injiziert wird der Sphärenfestiger.

Frühe Gesellschaften trieben durch gewaltträchtige Riten gegen das Böse, dieses aus ihrem Inneren hinaus ins außen. Damit wurde aber auch der Außenraum zu einem dämonischen Ort, ein unkontrollierter Raum, von dem das Böse wieder zurückkommen konnte. Dadurch ergab sich ein undeutlicher oft symbolischer Ring, der Innen und Außen trennte, in ein Gutes Hier und ein Böses Dort.

Die topologische Differenz zwischen Innen und Außen hat darum einen moralischen Sinn, sowie die Moral einen immunologischen Sinn hat.

Sie erzeugt das Gefälle vom Guten zum Bösen, vom Reinen gegen das Unreine, das Gerechte gegen das Ungerechte. Gesellschaften bleiben Anstrengungs- und Rauschgemeinschaften, die von Zeit zu Zeit in einhellig geteilten ekstatischen Erregungen gegen die vermeintlichen und realen Urheber des Bösen vibrieren.

Sie entwickeln früh Routinen der solidarisierenden Erregungen in ihren Affekt-Arenen. In modernen Gesellschaften als Skandale und Empörungsübungen.

Innenraumheiligung und Umweltverübelung geben sich die Hand.

Alle Xenophobie, wie die Religionen, beginnen mit der Furcht vor der Wiederkehr des Ausgestoßenen.

DIE LETZTE KUGEL

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