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Pfadfinderatmosphäre und das Ende der Weltkultur

»Das gibt Ärger«, sagt Flash, auf den Knien, in rosa Gummihandschuhen und das Kabel der Hi-Fi-Anlage in der Hand. Er ist definitiv megaout, das muss sie nicht recherchieren. Aber wenn er meint, er könnte ihre Vergangenheit recherchieren, hat er sich geschnitten, getoastet und gebuttert.

»Ich beschütze dich, Blitzbaby.« Aja öffnet. Oh no! Sabine lächelt sie breit an, doch nicht breit genug, um den Eiermann schräg hinter ihr zu verbergen. »Habt ihr was zu Essen mitgebracht?«

»Solche Musik lässt man nur laufen, um ein Verbrechen zu übertönen«, sagt er und tritt ungebeten ein. »Wen hast du umgebracht, Missy?«

»Flash lebt noch«, sagt Aja. »Na ja, wenn man das Leben nennen will.«

Flash winkt mit seinen peinlichen Handschuhen.

»Was habt ihr denn getrieben?«, fragt Sabine.

»Wie es aussieht, heftigstes Pétoncle«, sagt Eiermann und blinzelt Aja zu. Was für ein Widerling. Aber ein gutes Gedächtnis.

»Ich dachte, das wär was zu essen«, sagt Sabine.

»Was wollt ihr hier?«

»Gerd hat mich gebeten, ihm ...«

»Er hat dich gebeten? Du warst bei ihm?«

»Entschuldige, dass ich noch mit deinem Vater rede.«

»Wolltest du dich an seinem Elend aufgeilen?«

»He, he, Fräulein ...«, mischt der Eiermann sich ein.

»Fräulein?« Aja wendet sich an Sabine. »In welchem Jahrhundert hast du den exhumiert? Was ist jetzt mit dem Essen?«

»Manchmal darfst du dich einfach nicht auf ihr Niveau begeben«, sagt Sabine zum Eggman und schiebt sich an ihr vorbei. An Flash gewandt sagt sie: »Du bist also ...«

»Niemand«, unterbricht Aja. »Wir machen ein Schulprojekt zusammen. Das ist komplett alles und das Einzige, was wir zusammen machen, zusammen gemacht haben und je zusammen machen werden.«

»Flash«, sagt Flash. »Ich habe Ihnen bei der letzten Weihnachtsfeier Bowle verkauft.«

Sabine lächelt höflich und geht ins Schlafzimmer. Aja rennt ihr nach.

»Er will sein senffarbenes Cordhemd«, sagt Sabine und verzieht das Gesicht.

»Was dagegen einzuwenden?« Aja gefällt ihr Vater in dem Hemd. Sie findet es sofort, unter dem mittleren Kinosessel.

»Es hat braune Ellbogenpads!«, ruft Sabine ungewohnt leidenschaftlich. »Allein dafür müsste man die ganze Herstellungskette hinrichten: den kranken Designer, der sich das ausgedacht hat, die kranken Näherinnen, die das zusammengestückelt haben, die Verkäufer, die es in ihren Laden hängten und den Käufer, der das Teil freiwillig anzieht. Aber jetzt ist es in der Welt und richtet irreparable Schäden am Ästhetikempfinden der Menschheit an. In einem solchen Fall müsste die UNESCO die Weltkultur enterben.«

»Wow«, sagt Aja, beeindruckt von Sabines Power. Das ist so einer der Momente, in denen sie an ihrer Theorie zweifelt, nur adoptiert zu sein. »Paps liebt das Hemd.«

»Liebe rechtfertigt nicht alles.«

»Diese Begründung ist so total du! Statt ihm bloß sein Lieblingshemd zu bringen, könntest du zur Abwechslung mal Kohle rüberwuchern lassen.«

»Davon verstehst du nichts.«

»Erklär’s mir.«

Sabine schüttelt nur knapp den Kopf, sie hat das knappste Kopfschütteln der Welt drauf. Der Eiermann kommt herein, gefolgt von Flash.

»Zwei Schlafsäcke«, sagt Eggi. »Wie nett – Pfadfinderatmosphäre.«

»Er schläft auch hier?«, fragt Sabine, nun doch mit einer Spur Besorgnis in der Stimme.

»Äh«, sagt Flash, wortgewandt wie immer, und wird rot, »nein«, sagt Aja.

»Weiß deine Mutter davon, Flash?« Sabine, der alte Kampfhund, lässt nicht locker.

»Äh«, sagt Flash, die alte Quasselstrippe, und wird roter, »klar«, sagt Aja.

»Ich zähle auf euer Verantwortungsgefühl«, sagt Sabine.

»Wenn das mal kein Fehler ist«, sagt der Eiermann.

»Wenn es einer ist, ist es meiner«, sagt Sabine.

»Technisch gesehen«, sagt Aja, »wäre es meiner.«

»Wenn ich sehe, wie Gadd haust«, sagt der Eiermann, »wundert mich nicht mehr, wie Aja so werden konnte.«

»Edgar, das reicht«, sagt Sabine.

»Der Teppichboden sieht aus wie etwas, das mal lebte«, sagt Edgar Asshole Eggman, »vor langer, langer Zeit, und das man von seinen Qualen erlöst hat.«

»Sie haben Recht«, sagt Aja.

»Habe ich?«

»Mit dem Teppich. Den Perser hat Paps in den Siebzigern in Teheran geschossen. Bloß von Kunst und Künstlern haben Sie zero Ahnung.«

»Ein richtiger Künstler hätte nicht seine Drumkits versetzt, er hätte sich ...« Er schüttelt den Kopf. »Ich habe zusammen mit deinem Vater gespielt.«

Sie reibt sich über den Kopf.

»Billard?«

»Gitarre, halbakustisch. Vor deiner Zeit.«

»Wir gehen jetzt«, sagt Sabine und schwenkt Gadds Hemd, aber Guitar Hero Egg rührt sich nicht vom Fleck.

»Gadd war immer ein netter Kerl«, sagt er. »Bloß dass er als Vater was taugt, habe ich nie geglaubt. Du beweist mir, ich hatte Recht. Danke.«

»Hatten Sie nicht«, sagt Flash. Als plötzlich drei Augenpaare auf ihn gerichtet sind, stammelt er: »Ich kenne ihn ja kaum, aber ... aber ich habe miterlebt, wie er mit Aja redet und ...«

»Ich kann meinen Paps allein verteidigen, herzlichen Dank, Mister Projektassi.«

»Ich gebe dir einen Tipp, Flash«, sagt der Eiermann. »Weil du aussiehst wie ein netter Kerl: Such dir eine andere für dein Projekt. Aja ist zu selbstbezogen für Teamarbeit.«

»Sagt das Ei, das mich besser kennt als seinen eigenen Dotter.«

Eggman wedelt mit dem Zeigefinger vor Ajas Gesicht herum.

»Ich kenne dich besser, als du denkst, Fräulein.«

»Wir gehen«, sagt Sabine böse und zerrt Eggplant hinaus auf den Flur.

»Du lässt ihr zu viel durchgehen, Sabine«, sagt er in der Tür. »Ich weiß ja, dass du an ihr gutmachen willst, was ...«

»Sei still«, sagt Sabine ebenso leise wie böse – Kampfhundknurren ist nichts dagegen.

»Wenn du meine Tochter wärst ...«, ruft das Ei des Kolumbus und macht sich von Sabine los. Bevor er aber wieder einen Körperteil vor Ajas Nase schwenken kann, tritt Flash zwischen ihn und sie.

»Ich sehe, Sie kennen sich mit Herrenmode aus«, sagt Flash und lächelt freundlich. »Ist für unser Projekt, es geht ums Insein.«

»Tatsächlich?« An Flash vorbei sieht er Aja an. »Deine Mutter hat dich mir immer als freien Geist beschrieben. Das hat mir gefallen. Und auf einmal willst du in sein?«

Was will sie? Sie hat schon ein Pfund Wut auf der Zunge, aber sie überlegt es sich anders. »Besser in meinem Alter in sein als in Ihrem Alter so sein.«

»Ihr Anzug«, mischt sich Flash wieder ein.

»Hat meine Frau ausgesucht, gekauft und geändert.«

»Komm jetzt, Edgar ...«, sagt Sabine.

»Du darfst nicht über deine Frau sprechen, Eddie«, sagt Aja. »Was setzt man eigentlich einer Frau auf, die man betrügt? Hörner gehen ja nicht. Vielleicht Euter?«

»Du hattest Recht, Bini«, sagt der Eiermann. »Da ist das falsche Kind auf der Strecke geblieben.«

Was? Sie will es herausschreien, aber ganz plötzlich verlässt sie jede Kraft.

»Mama ...«

»Spinnst du?«, faucht Sabine den Eiermann an. »Siehst du nicht ...« Sie nimmt Aja das Hemd aus der Hand und küsst sie auf die Wange. Aja kann noch immer nicht fassen, was sie da gehört hat. »Das habe ich nie gesagt, Schatz. Er will bloß ...« Sie wirbelt zum Eiermann herum und knallt ihm eine mitten in sein Grinsen. Dann schubst sie ihn raus aus der Wohnung. »Warum hast du das gesagt?«, hört Aja noch, dann entfernen sich die Stimmen.

»Was?«, murmelt sie.

Flash sieht sie nur an, mitleidig oder fragend, jedenfalls irgendwie, und alles ist falsch und sie schreit ihn an:

»Du hast nichts gehört, okay? Du vergisst das sofort wieder. Jetzt machen wir dieses beschissene Projekt, jetzt erst recht.«

»Klar«, sagt Flash.

»Und wegen heute Nacht ...«

»J-j-ja?«

Sie könnte ihn fast süß finden, wie er da steht und sich alle Mühe gibt, nicht rot zu werden. Wenn sie nicht noch so sauer wäre auf Sabine und diesen ... Eiersack!

»Ich finde, du hast dir für später eine Belohnung verdient. Wie du zwischen ihn und mich gegangen bist.«

»Eine Belohnung

»Klopf, klopf.« Ein Fremder tritt in den Wohnungsflur. Bini hat die Tür aufgelassen. »Grüß euch«, sagt der Typ in rosa Lederjacke, er ist dürr und stoppelig wie ein Kaktus im Hungerstreik. »Ich hab gehört, Gadd F. wohnt hier, und eben fetzen King Crimson durchs Treppenhaus und da wollte ich ... hier.« Er hält ihr eine Tasse in der Hand entgegen mit was Weißem.

»Koks?«, fragt sie ungläubig.

»630er-Dinkelmehl, bio, ich dachte, gute Nachbarn leihen sich Mehl, aber ich habe ja welches, vielleicht hat Gadd ja keins ...«

»Du kennst Gadd?« Sie nimmt ihm die Tasse ab und gibt sie Flash.

»Bin ein Fan«, sagt Rosa Leder. Er trommelt mit den Ärmchen durch die Luft und verteilt großzügig Achselschweiß. »Ich wohne schon länger hier. Ich konnte einfach nicht glauben, dass der Freumbichler auf dem Klingelschild tatsächlich der Freumbichler ist. Dann kam der Rettungswagen, und einer der Nachbarn hat mir den Namen gesteckt. Wie geht ...«

»Gut«, sagt Aja. »Wenn Paps wieder daheim ist, kriegst du ein Autogramm auf deine Tasse.«

»Krass, Mann, und, he, coole Wohnung. Und falls ihr Eier braucht oder Milch, ich bin die rosa Tür im Dritten.« Im Gehen sagt er noch: »Ich mag einfach die Farbe, okay?«

»Ein Fan«, sagt Aja und strahlt, ein bisschen mit der Welt versöhnt. »Wo waren wir? Ach, beim Schlafen.«

»M-hm«, sagt Flash und sieht mit der Tasse in der Hand aus wie ein Spendensammler vom Roten Kreuz.

»Chill, Baby, das auf der Matratze ist Gadds Schlafsack. Ich penne hier immer auf der Couch. Und deine Belohnung ... Du darfst mir Pfannkuchen machen!«

Insein für Outsider

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