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2.3. Autorität als Vertrag

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Ein dritter Bedeutungsgehalt von Autorität hängt mit der „potestas“-Problematik zusammen. Dieser Bedeutungsgehalt macht im Zuge der Neuzeit auch die Autorität an sich verdächtig. Es bricht sich deutlich die neuzeitliche Skepsis Bahn, wenn Autorität als „abergläubisches Vertrauen auf Lehrer und Traditionen [verstanden wird], das sich nicht durch Vernunft oder Erfahrung legitimieren lässt.“1

Im Zuge der Aufklärung ist daher jede Autorität suspekt, die sich nicht durch die eigene Vernunft bewahrheiten lässt. Akzeptiert wird sie deshalb nur noch als „Gesellschaftsvertrag“. Nur im gegenseitigen Einverständnis – so das Ideal – lässt sich Autorität legitim ausüben. Nun ist verständlich, dass man sich Autorität erwerben und diese von anderen anerkannt oder gar verliehen werden muss.2 Weithin anerkannt wird deshalb vor allem die fachliche Autorität, „die durch spezielles Wissen und erlernte Fähigkeiten geprägt ist.“3 Autorität wird also demjenigen zugestanden, der durch Kompetenz ausgewiesen wird. Hier scheint ein Autoritätsverständnis auf, das in der Diskussion um die Schriftautorität eine besondere Rolle spielen wird.4

Jegliche Autorität hat sich also erstens vor dem Forum der Vernunft und der Gesellschaft zu verantworten und muss zweitens gegenseitig anerkannt sein.5 Autorität ist demnach davon abhängig, dass sie bejaht wird und muss deshalb von denjenigen akzeptiert und gewollt sein, über die Autorität ausgeübt wird. So wird die Autorität eines Arztes aufgrund seiner fachlichen Qualifikation von denen anerkennt, die sich von ihm behandeln lassen. In dieser Beziehung wird Autorität zu einem „Relationsbegriff“.6

Wenn dies im gesellschaftlichen Bereich akzeptiert ist, verwundert es nicht, dass der Autoritätsbegriff auch im engsten menschlichen Beziehungsbereich, der Familie, neu bestimmt werden muss. Dieser Prozess ist bis in die Gegenwart hinein nicht abgeschlossen und wird vor allem in der Pädagogik unter Stichworten wie „antiautoritäre“ oder „autoritative Erziehung“ diskutiert.7

Autorität wird aber sowohl in gesellschaftlicher wie persönlicher Hinsicht nun in einem kommunikativen Geschehen verortet.8 Dies ist bereits bei Augustin im 4. Jh. n. Chr. zu beobachten, der die Notwendigkeit von Autorität im Vorgang des Lernens erkennt: „Zur Erkenntnis gelangen wir mit gleicher Notwendigkeit auf einem doppelten Wege, nämlich auf dem der Autorität und dem der Vernunft. Der Zeit nach geht die Autorität vor, der Sache nach aber die Vernunft.“ (De Ord. 2,26)9

Autorität hat demnach in erster Linie eine propädeutische Funktion. Es geht nicht um Gehorsam oder das Unterwerfen unter eine fremde Macht, sondern um das Vertrauen, das notwendig ist, um zu lernen und zu eigenständigen Positionen zu kommen. Autorität ist demnach lediglich – aber notwendig – der Anfang des Lernens.10 Sie ist die erste Stufe eines Prozesses, in dem sich die eigentliche Autorität erst aufbaut.

Autorität ist also drittens ein relationaler Begriff. Er bedeutet, dass Autorität von einer Gruppe von Menschen verliehen und akzeptiert werden muss. Autorität wird demnach gemacht und dann bestätigt. Letztlich gilt dann: „Autorität bewährt oder blamiert sich in der Kommunikation.“11

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