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Sonja Güdner saß Finkler unbeweglich gegenüber. Ganz in die Ecke des Sofas gekauert, schaute sie abwesend in den Garten hinaus, während ihr Kaffee in der Tasse kalt wurde. Sie hielt die Lippen zusammengepresst, was ihnen einen bitteren Ausdruck verlieh. Ihre Haare hingen strähnig herab. Eigentlich kannten sie sich kaum, dachte Finkler. Wenn er ehrlich war, hatten Güdner und sein Privatleben ihn nie wirklich interessiert. Einmal war er zu Achims fünfunddreißigstem Geburtstag gekommen. Damals war sie eine fröhliche junge Frau gewesen, die strahlend mit ihrem Mann tanzte und ihm nach ein paar Gläsern Wein ein Geburtstagsständchen sang, das alle zum Lachen brachte.

Ein zweites Mal war er nach seiner Reha bei Sonja gewesen, da er sich verantwortlich gefühlt hatte, ohne zu wissen, warum und wofür. Damals war ein befreundetes Paar zu Besuch und hatte all das, was zwischen ihm und Sonja stand, in einem andauernden Redeschwall erstickt. Doch jetzt war niemand da, der das Schweigen füllte.

Finklers Augen folgten Sonjas Blick durch die Glasfront in den Garten. Draußen spielten dick vermummt ihre beiden Kinder. Elias ging in die erste Klasse, sein Bruder war jünger, wie alt er war, wusste er nicht mehr. Die Brüder stritten sich darum, wer die Schubkarre über den Rasen schieben durfte, auf dem verfaulendes Laub darauf wartete, zusammengerecht zu werden.

Sonja hatte sich bemüht, freundlich zu sein, als er vor der Tür stand, doch ihr Lächeln war wie aufgeschminkt und konnte die Ablehnung in ihren Augen nicht überdecken.

Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln und ein paar höflichen Fragen nach seiner Gesundheit war das Gespräch schließlich verebbt. Inzwischen saßen sie schon seit Längerem in einer Stille, die langsam so dicht wurde, dass Finkler fast glaubte, sie mit den Händen greifen zu können. Bisher war es ihm nicht gelungen, die Frage zu stellen, wegen der er hier war. Wie sollte er es anstellen, ohne dass es grob klingen würde? Ihm fiel nichts ein, also ging er es frontal an. Anschließend würde er sich mit Anstand schnellstens verdrücken.

»Im Präsidium fehlen Teile der Akten. Wir fragen uns, ob Achim noch ein paar Unterlagen zu Hause hatte.«

Ihr Kopf zuckte herum. »Bist du deswegen gekommen?« Enttäuschung lag in ihrem Ton.

»Nein«, beschwichtigte er, »ich dachte nur …«

»Er hat den Dreck immer im Präsidium gelassen und nie etwas mit hierhergebracht.« Sie sah ihn abschätzig an. »Es gehörte nicht in sein Leben, das er neben dem Beruf hatte. Vielleicht handhabst du das anders, doch er hat das strikt getrennt.« Sie betonte das »du«.

»Also ist nichts hier?«

»Nein, natürlich nicht«, blaffte sie.

Finkler sah, dass sie ihrer aufsteigenden Wut gerne mit einer größeren Tirade Luft gemacht hätte. Doch sie zögerte und plötzlich blitzten ihre Augen.

»Weißt du, was ich mich immerzu frage?« Ihre Stimme war hart und schneidend. »Warum er dich zu retten versucht hat. Weißt du, Sebastian, Achim hielt dich für einen guten Polizisten, einen sehr guten sogar. Doch menschlich bist du ihm immer fremd geblieben, oft warst du ihm sogar zuwider. In seinen Augen warst du total verbohrt. Alles hast du dem Job unterworfen, gnadenlos.«

Er hielt ihrem Blick stand.

»Immer hat er hinter dir aufgeräumt, wenn du in deiner Rücksichtslosigkeit wieder einmal durch das Präsidium gepflügt bist. Achim mochten sie in der Abteilung, dich nicht. Fragst du dich manchmal, warum niemand zu dir ins Krankenhaus gekommen ist?«

Finkler senkte den Blick.

»Nie hast du ihm gedankt oder auch nur gezeigt, dass du merkst, was er für dich tut. Ich frage mich also, was ihn angetrieben hat, dich zu retten und«, ihre Stimme drohte zu ersticken, »uns zurückzulassen. Weißt du, was ich abends schreie, wenn die Kinder im Bett sind und ich nicht schlafen kann? Was ich Achim zurufe, wo immer er jetzt ist? Ich schreie: Warum hast du ihn nicht verrecken lassen und bist abends zu uns zum Essen gekommen?«

Sie war laut geworden und fing an zu weinen.

Finkler hatte keine Antwort darauf. Was sie sagte, stimmte. Güdner gegenüber hatte er sich immer wie ein Arschloch verhalten. Und nicht nur Güdner gegenüber. Seine Wangen brannten.

Sonja drehte sich weg und schaute ihren Kindern weiter beim Spielen zu.

»Ich will, dass du nie wieder herkommst.«

Wortlos stand Finkler auf und verließ das Haus.

Das Traummosaik

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