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Prolog

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Der Tag, an dem Sebastian Finkler glaubte, sterben zu müssen, war wie zum Hohn sonnig und warm.

»Der kommt nicht mehr«, quakte Güdners Stimme aus dem Headset.

Finkler konnte den Passat weiter vorne am Straßenrand parken sehen. »Warte ab.«

Gegenüber auf der anderen Straßenseite langweilte sich eine platingefärbte Friseurin durch den Vormittag. Sie stand in einem viel zu engen T-Shirt in der Ladentür, eine Zigarette hing an ihren roten Lippen, als das dunkle Brummen eines Motors sie aufhorchen ließ.

Ein großes Baustellenfahrzeug, über und über mit Dreck verkrustet, bog in die Straße ein und nahm Tempo auf. Ein höherer Gang wurde eingelegt und ruckartig beschleunigte das Ungetüm.

Der Lkw passte nicht in die Straße, war wie ein Fremdkörper, und noch bevor er unvermittelt vielleicht hundert Meter entfernt auf den Bürgersteig gesteuert wurde, spürte Finkler die Gefahr, wusste, dass es danebengegangen war. Er sah im Augenwinkel, wie Güdner aus dem Auto sprang und hektisch zu winken begann.

»Lauf!«

Finkler hätte das Headset nicht gebraucht, um den Ruf zu hören. Als ob er das nicht selbst wüsste.

Das Baustellenfahrzeug raste gegen eine Laterne, die unter der Wucht des Aufpralls wie ein Strohhalm umknickte und mit zersplitterndem Glas auf die Straße schlug. Wieder heulte der Motor auf und das Ungetüm schrammte an einer Hauswand entlang, immer noch auf ihn zu. Finkler blieb ruhig. Er spannte seine Muskeln an und checkte den Fluchtweg, und ja, er wäre sicherlich entkommen, wenn da nicht das Mädchen aufgetaucht wäre.

Ohne die Situation zu erfassen, radelte die zierliche Gestalt auf dem Bürgersteig, denn in ihren Ohren steckten Kopfhörer. Der Blick ging verträumt ins Leere.

Nun schrie Finkler, doch sie sah und hörte ihn nicht.

Er rannte los. Nur ein Gedanke brannte in ihm: Nicht wieder ein Mädchen, das auf einem dreckigen Gehweg starb, nicht schon wieder.

Zwanzig Meter. Fünfzehn Meter. Seine Schritte wurden länger, sein Puls schlug schnell, aber gleichmäßig und so flog er dahin, dem sicheren Tod entgegen.

Zehn Meter. Er registrierte die Pflastersteine unter seinen Füßen, nahm wahr, wie die brüllende Schnauze des Lkws breiter und höher wurde und über dem Kind aufragte wie das Maul eines Raubtiers. Begrenzungspfosten wurden aus ihrer Verankerung gerissen und segelten davon wie Kegel. Fünf Meter. Das Mädchen blickte auf und sah Finklers Gesicht, erkannte, dass etwas Schlimmes passieren würde.

Sie riss den Lenker in der Sekunde herum, als er sie erreichte. Seine Energie katapultierte das Rad davon. Er registrierte flüchtig, dass es blau war, las den Schriftzug Koga Miyata, spürte ihren weichen Rücken, der sich unter seinem Ansturm bog und dann versteifte, dagegenhielt. Dann war sie fort, flog dahin, wohin auch immer es sie trieb. Es war ihm egal.

Einen winzigen Augenblick lang jubelte er. Das Rennen war gewonnen. Dann umwirbelten ihn Wolken aus Rost und Dreck. Doch er nahm sie nicht wahr, sah nicht mehr die Beule im Lack, roch keine Abgase und kein Öl mehr. Die Gewissheit, nun zu sterben, ließ nichts anderem Raum.

Kurz bevor ihn das Maul des Lasters verschlang, riss auch ihn etwas davon. Das Letzte, was in sein Bewusstsein vordrang, war Güdners zuckender Körper, der von den Rädern überrollt wurde.

Das Traummosaik

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