Читать книгу Gangster Squad - Paul Lieberman - Страница 10

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Jetzt begann der erste Einsatz gegen die kriminelle Unterwelt: Er richtete sich gegen die unliebsamen Besucher der Restaurants und Nachtclubs in Hollywood. Laut O’Maras Worten war es „Lumpengesindel aus Rhode Island, das wir Beulenpest nannten“. Die Ganoven – sie stammten aus Detroit und standen in der Tradition der alten Purple Gang – verlangten in Lokalen wie dem Brown Derby, wo sich die Klatschkolumnisten trafen, einen prozentualen Anteil an den Einnahmen. Auch das Mocambo blieb nicht unbehelligt, ein Schuppen, in dem der gertenschlanke Frank Sinatra einige Jahre zuvor seine Karriere begann. Doch die Polizeikräfte sahen sich mit einem ähnlichen Problem konfrontiert wie schon bei den von Taschendieben ausgeplünderten Armeeangehörigen – die Clubbesitzer wollten nicht vor Gericht aussagen. Sie befürchteten, dass ihren Familien ein Leid geschehen könnte. „Und was sollen wir jetzt machen?“, fragte Sergeant Jack O’Mara.

Ja, die Clubbesitzer wagten noch nicht einmal, die Erpressungen zu melden! Als ein paar Buchmacher zufällig so einen Zwischenfall beobachteten, steckten sie den Cops die Neuigkeit. Die Squad teilte sich daraufhin in Zwei-Mann-Teams auf und observierte unauffällig die verschiedenen Hollywood-Läden, die en vogue waren. Jumbo und sein Partner landeten sofort einen Treffer. Sie saßen an der Bar und kippten einige Drinks, um nicht aufzufallen. Direkt vor ihnen spielte sich eine Szene wie aus einem Pulp-Magazin ab. Zwei Typen kamen an die Bar, und einer meinte forsch:

„Wir kommen wegen des Schutzgeldes.“

„Schutzgeld für was?“, fragte der Barmann.

„Schutz vor dem hier“, meinte der zweite Kerl und verpasste dem armen Mann einen kräftigen Boxhieb. Dann griff er in die Kasse, schnappte sich das Geld und verschwand mit der Bemerkung: „Bis nächste Woche.“

Die Besitzer der Bar wollten jedoch keine Aussage machen. Guter Rat war teuer oder, wie O’Mara schon bemerkte: „Was sollen wir jetzt machen? Das Ganze auf sich beruhen lassen oder zur Tat schreiten?“ Ihm persönlich schwebte ein bisschen Action vor.

John J. O’Mara stammte ebenfalls nicht aus Los Angeles. Er war sich nicht sicher, wie seine Familie aus Irland nach Portland, Oregon, gelangt war, aber dort wurde er 1917 geboren und dort verbrachte er auch seine Kindheit. Dann fiel im Rekordwinter 1919/1920 an nur einem Tag fast ein Meter Schnee auf den zugefrorenen Hood River, gefolgt von den „Silberfäden“ 1922, einem Naturereignis, bei dem der Regen auf eine ungewöhnlich kalte Luftschicht traf. In Sekundeschnelle verwandelten sich die Tropfen in lebensgefährliche Eisgeschosse, die wie Kugeln oder Pfeile vom Himmel herabprasselten. „Mein Dad meinte dann: ‚Kalifornien, wo die Straßen mit Gold gepflastert sind – wir kommen!‘“ Sein Vater stapelte die sieben Kinder in einen Ford Modell T, und schon schwappten sie mit der großen Migrationswelle gen Südwesten, die auch die Whalens im selben Jahr in Los Angeles anspülte, mit der Ausnahmen, dass Familie O’Mara aus dem Norden kam.

Jacks Vater fand in einem Elektrizitätswerk Arbeit, fest darauf bauend, dass der wöchentliche Gehaltsscheck eine sichere Grundlage für das Überleben bieten würde. Das Geld reichte sogar für den Kauf eines kleinen Hauses mit zwei Zimmern, an das ein Schlafzimmer für die drei Jungen angebaut wurde. Die neue Bleibe der Familie lag im Süden der Stadt, in einem klassischen Arbeiterviertel. Die Kids besuchten anfänglich die Pfarrschule der Nativity Church, in der man acht Jahrgangsstufen in vier Klassenräume stopfte und sie lehrte, dass Himmel und Hölle keine Abstraktionen, sondern real sind. Es gab gut und böse und dazwischen so gut wie gar nichts! Vielleicht lag das Prügeln irgendwo zwischen den beiden Polen, das für die Jungs fast schon zu einem Zeitvertreib geworden war und dem Jack seine gebrochene Nase zu verdanken hatte. Er war ein schmächtiger Junge mit rabenschwarzem Haar und stechenden türkisfarbenen Augen, die für die Familie ein klares Zeichen für seine irische Herkunft darstellte. Man hätte ihn schnell mit einem Ankömmling auf einem der Schiffe verwechseln können. Mit den großen blauen Augen konnte er die Menschen durchdringen, sie einschüchtern, noch lange bevor es ihm gewahr wurde.

Als die Highschool-Zeit heranbrach, schickte man die Mädchen auf die christliche Saint Agnes und die Jungs auf die Manual Arts, in der man handwerkliche Fähigkeiten vermittelte für angehende Drucker, Kfz-Mechaniker oder Schmiede. Natürlich kam die Leibesertüchtigung beim Football oder Langstreckenlauf nicht zu kurz. Obwohl man Jacks Kraft an der gut ausgebildeten Schultermuskulatur und den dicklichen Fingern erkennen konnte, war er doch nur etwas über 1,70 groß und hatte eher eine Hühnerbrust. Die Lehrer teilten ihn zum Laufen ein, zuerst zum Cross-Lauf, dann für mittlere Distanzen wie eine halbe Meile, wo man durch unnachgiebiges Training und Entschlossenheit sein Ziel erreichte. Praktisch lief er immer so schnell wie möglich, bis ihm die Luft ausging. Jack hing während seiner Highschool-Tage meist mit einer von Frank Bruce aus Memphis, Tennessee, angeführten Clique ab. Bruce wurde später zum Millionär, denn er setzte sich schon früh für die Raumfahrt ein. Die Gruppe nannte sich „Delta Tau Sigma“ und mietete das Parterre eines Hauses in Hermosa Beach an, das ihnen gerade genügend Platz bot, um sich Badebekleidung anzuziehen und zum Wasser zu rennen. Nach der Planscherei ließen sie sich erschöpft auf den Boden fallen oder übten sich in Boxkämpfen. Damals erkannte Jack, dass er anscheinend kräftigeren Gegnern überlegen war. „Ich habe sie überrascht“, sagte er. Dann traten sie einem Team in der semiprofessionellen Municipal Football Association bei, die Turniere auf einem Spielfeld veranstaltete, um das herum 10.000 Zuschauer Platz fanden, die herzlichst eingeladen waren, eine kleine Aufmerksamkeit zu spenden, meist 25 Cent. Bei diesen zweitklassigen Shows spielte oft ein Team aus raubeinigen Hafenarbeitern aus San Pedro gegen die nur aus Schwarzen bestehenden Ross Snyder Bulldogs. O’Mara, mittlerweile bei einem Gewicht von über 60 kg angelangt, meinte zu seinen Team-Kollegen: „Werft mir das Ding zu, ich werde durch deren Reihen hindurchlaufen.“ Und so holte sich Delta Tau Sigma die Meisterschaft im Jahr 1939 – Sie können es gerne überprüfen. Doch die allerbeliebteste Freizeitaktivität der Jungs bestand darin, auf Catalina Island den Mädchen hinterherzujagen. Sie sparten sich mühsam die 3,95 Dollar für eine Eintrittskarte zusammen, die eine Rundfahrt mit dem großen weißen Dampfer beinhaltete, sowie eine Nacht in den „Villen“, kaum mehr als einfache Zelte. Während des Tages vergnügten sie sich beim Speerfischen. Dabei stiegen die Mutigsten in eine zusammengeschweißte Tauchglocke, die man aus einem alten Wassererhitzer gefertigt hatte und in die Luft über einen 20 Meter langen Gartenschlauch gepumpt wurde. Ihr bevorzugtes Ziel war jedoch das berühmte Casino der Insel, wo man nicht spielte, sondern eine flotte Sohle aufs Parkett legte. Der riesige Tanzsaal im Jugendstil lag in Avalon Harbor und zog die Bigbands von Glenn Miller und Harry James an, nicht zu vergessen die Scharen junger Mädchen, die während des Jitterbug Dampf ablassen wollten.

Connie Paegel war 16, als O’Mara ihre heißen Beine vom Ende des Saals aus ins Auge stachen. Wie seine Schwestern besuchte das dunkelhaarige Mädchen mit den haselnussbraunen Augen die Saint Agnes. Ihr Teint schimmerte golden. Und Kurven? Wohin man auch sah! Sie war eine lebhafte Tänzerin, einer der ersten Fans der Musik von Sinatra, aber trotz ihrer Quirligkeit machte sie einen wohlbehüteten Eindruck – sie sollte auch in ihrem späteren Leben niemals ein Auto fahren. Connie bemerkte Jack ebenfalls: „Er war der dünnste Mann dort, der kleinste und drahtigste.“ Mehr als 70 Jahre später beschrieb eine ihrer Töchter, wie sich damals Liebebeziehungen anbahnten:

Man heiratete eine Frau wegen ihrer langen Beine und der dicken Titten. War sie schön und brachte sie Spaß, wollte man sie gleich in den Sack stecken. Und man heiratete einen Mann, weil er gut aussah und ein sicheres Einkommen hatte. Schließlich wollte ein Mädchen schnell weg von Zuhause. Da spielten großartige Gedanken oder Existenzängste kein große Rolle, nicht wahr?

Vor der Hochzeit ging Connie mit ihrer Mom und ihrer Schwester ins I. Magnin und probierte eins der eleganten Kleider mit üppiger Seide und Spitze an, die auch Myrna Loy getragen hätte. Zuhause wurde die schwarze Singer (noch mit Fußantrieb!) hervorgeholt und ein fast identisches Kleid genäht. Connie bewahrte die ganzen Jahre über ein kleines Fototagebuch auf, mit den Kapiteln „Unser Hochzeitstag“ und „Unsere Flitterwochen“. Dort erzählte sie von der Fahrt über die sich lange hinschlängelnde Straße in die San Bernardino Mountains, die zwar gefährlich war, aber viel Spaß machte:

Um sieben Uhr abends erreichten wir Big Bear – fanden eine nette Hütte & gingen zum Essen. Was für eine Mahlzeit … Wir kauften uns noch Rum, Coke und Zitronenlimo, und zurück ging’s in die Hütte. Nach einigen Drinks legten wir uns schlafen –!

Als sie am nächsten Morgen aufwachten, hatte es zu schneien angefangen. Einen Tag später mussten sich die beiden einen Weg freischaufeln.

Jack verriet ihr am Abend der ersten Begegnung, dass er Polizist werden wolle. Er hatte die Highschool schon verlassen und schlug sich mit Jobs an Tankstellen durch oder mischte sich unter das riesige Heer von Malochern, die mühevoll die Waren der nachts aus San Francisco ankommenden Frachtzüge entluden. Während der Weltwirtschaftskrise nahm man halt jeden Job an. Zuerst dachte er darüber nach, sich beim FBI zu bewerben, doch wegen der zunehmenden Zahl an Skandalen brauchte Los Angeles dringend neue Polizeibeamte. Viele Männer waren gefeuert worden oder in Pension gegangen, und so suchte die Bowron-Verwaltung händeringend frisches Blut. Die zukünftige Connie O’Mara mochte den Gedanken – vielleicht konnte er ja eines Tages zum Chief aufsteigen –, und fütterte ihren Freund mit Bananen und Eiscreme, damit er das Mindestgewicht, das für den Job gefordert war, auf die Waage bringen konnte. John O’Mara trat seinen Dienst am 3. September 1940 in der Police Academy an und gehörte zu den Männern, aus denen ein neues LAPD geschmiedet werden sollte. Natürlich forderte er schon nach einigen Tagen Tom Bradley heraus, den schnellsten Rekruten der Akademie, und verstand zuerst nicht, warum der ihn immer abhängte. Bradley gehörte zu den 100 schwarzen Bewerbern und wurde später der erste farbige Bürgermeister von Los Angeles.

Vor dem Kriegseintritt der USA setzte man O’Mara bei der Verkehrspolizei und zum Streifendienst ein. Gegen ihn gab es im Laufe der Zeit nur eine einzige Beschwerde, und die kam auch noch von einem Besoffenen, den er nicht mehr hinter das Steuer gelassen hatte. Eines Tages wurde er angerufen, da sein kleiner Bruder Paul in einer Bar für einen Aufruhr gesorgt hatte. Er schnappte sich seine Knarre und bat darum, dass die Cops ihn mit Paul allein in der Zelle ließen – noch Tage danach schmerzten ihm die Knöchel seiner Hand! Seine Waffe feuerte er nur ein einziges Mal ab, und zwar auf einen Einbrecher, der dabei war, in das Apartment von zwei alten Damen einzusteigen. Der Ganove verletzte ihn leicht mit dem Messer und versuchte über einen Zaun zu klettern – Jack traf ihn direkt ins Hinterteil, so wie damals Archie den Typen in Watts. In jenen Zeiten wurde ein Cop nicht gefragt, warum er auf einen Flüchtenden gefeuert hatte – man gratulierte ihm zu seinem guten Schuss!

Nach dem Angriff auf Pearl Harbor setzte die Küstenwache auch Polizeibeamte ein, da sie eine professionelle Hilfe beim Schutz der Häfen und wichtiger Objekte in Meeresnähe waren. Zuerst mussten sie Eignungstests ablegen, woraufhin O’Mara auf die Aleuten versetzt wurde, wo eine Dechiffrierungs-Einheit die japanische Kommunikation überwachte und dadurch den Code des Feindes zu knacken hoffte. Durch die Geheimdienstarbeit musste er längere Dienstintervalle auf dem gottverlassenen Adak Island verbringen, aber zweimal schmuggelte er Connie dorthin und mietete für sie ein Zimmer in einem Haus auf dem Festland, was natürlich gegen die Bestimmungen verstieß. Doch wenn es für ihn um eine gute Sache ging, brach O’Mara schon mal die Regeln.

Aus dem Militärdienst entlassen, sah er aus wie ein 75 kg schweres, pfeifenrauchendes Spencer-Tracy-Double. O’Mara war genau der Typ Mann, den Willie Burns für seine Sondereinheit suchte, die Los Angeles gegen die bösen neuen Invasoren verteidigen sollte.

O’Mara und Jerry Thomas, „der Professor“, patrouillierten gerade – natürlich in Zivil – vor einem nahegelegenen Lokal für Nachtschwärmer, als sein Partner die beiden muskulösen Arschlöcher aus Detroit sah. Thomas war für solche Jobs wie geschaffen, denn er konnte sich jedes Wort eines Verdächtigen merken, ohne ein Notizbuch zu benutzen. Die Kriminellen dachten immer, sie könnten frei von der Leber weg quatschen, doch Thomas behielt alles.

„Wo sollen wir die Typen hinbringen?“, fragte Jumbo, als sich die beiden mit einem weiteren Gangster-Squad-Team trafen und man gemeinsam das weitere Schicksal der abendlichen Beute beratschlagte.

„Warum nicht in die Wüste?“, schlug Thomas vor. „Wir ziehen die beiden aus und lassen sie dort liegen.“

„Meinst du nicht, das Rathaus wäre besser?“, entgegnete Jumbo. Im Keller des Gebäudes gab es einige leerstehende Räume, die sie nachts benutzten, da niemand hören oder sehen konnte, was die Cops dort veranstalteten.

„Nein, wir bringen sie hoch“, meinte O’Mara. Damit war es beschlossene Sache.

Vom Mulholland Drive aus, einer sich die Hügel hochschlängelnden Straße in den Bergen, die Los Angeles teilte, war die Aussicht fantastisch. Warum sollten man das herrliche Panorama nicht mit den Gaunern teilen, die sich in den angesagten Clubs Hollywoods breitmachten? Vom Sunset Strip dauerte die Fahrt nur fünf Minuten. Niemand sagte ein Wort in dem engen Wagen, in dem die Ganoven und die Cops dicht an dicht saßen.

Schon zuvor hatten Polizisten aus L.A. Verdächtige in die Hügel gebracht. Neue Aufgaben erfordern einen neuen Ansatz!

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir hier weder in New York, Chicago oder Cleve­land sind. Wir befinden uns in L.A., und wir lassen uns die Machenschaften dieses Gesindels nicht bieten. Die Leute aus dem Osten werden unsere Botschaft verstehen. Wir kochten die Gauner ein wenig weich – Sie wissen schon, was ich meine – oben in den Hollywood Hills, abseits vom Coldwater Canyon oder auch anderswo. Nachts ist es dort stockfinster. Man redet Klartext – von Mann zu Mann.

O’Mara mochte die Dunkelheit der Hügel und das Funkeln der Lichter der Stadt in der Ferne, denn hier konnte man auf Höflichkeiten verzichten. Um seine Botschaft klar und unmissverständlich rüberzubringen, presste er die entsicherte Pistole in das Ohr eines der Typen. Den folgenden Spruch hatte er sich nicht zurechtgelegt. Es platzte einfach so aus ihm heraus.

Musst du niesen?

Das wurde dann zu O’Maras Markenzeichen – eine Knarre im Ohr und drei eindeutige Worte.

Merkst du, dass deine Nase kribbelt? Musst du niesen? Richtig … laut … niesen?

Gangster Squad

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