Читать книгу Gangster Squad - Paul Lieberman - Страница 5

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Präludium: Ein Geigenkasten unter dem Bett

Willie Burns hat angerufen“, berichtete Connie O’Mara, als ihr Mann Jack nach Hause kam.

„Was wollte er?“

„Du sollst noch einmal zur Wache kommen.“

„Okay, Boss.“

Es war ein kühler Herbstabend in Los Angeles. Sergeant John J. O’Mara holte den Mantel aus dem Schrank und schnappte sich den schmalkrempigen Filzhut vom Ständer nahe der Tür des zum Garten hin gelegenen Apartments, das sie seit seiner Rückkehr aus dem Krieg angemietet hatten. Sein Revolver steckte noch im Schulterhalfter.

Ihr alter Plymouth parkte gegenüber der Saint Anselm Catholic Church. Der Priester dort hatte Jack schon für die Kollekte eingespannt, da der junge Ire mit den durchdringenden blauen Augen seiner Meinung nach ein idealer Kandidat war, um den Klingelbeutel herumgehen zu lassen. Ihm konnte sich niemand verweigern.

Das Apartment der O’Maras lag nur drei Meilen von der Wache des Los Angeles Police Departments auf der 77th Street, Ecke Watts, entfernt, und so blieb Jack kaum Zeit, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, warum ihn Lieutenant Burns nach dem Dienst noch zu sich bestellte.

O’Mara hatte reichlich Ärger am Hals, da er eine Diebesbande hatte auffliegen lassen, bei der auch der jugendliche Sohn eines hohen Vorgesetzten mitmischte. Einige altgediente Cops hielten es für angebracht, die Akte verschwinden zu lassen. Er nicht!

Als O’Mara die Wache betrat, hatten sich schon 18 Männer im Besprechungszimmer versammelt, darunter einige der bulligsten Cops, die ihm bislang unter die Augen gekommen waren. Hier ging es nicht um gewöhnlichen Diebstahl!

Fast alle Männer trugen ähnliche Mäntel und Hüte wie er selbst. Lieutenant Willie Burns hatte seinen Hut tief ins Gesicht gezogen – wie einer von den bösen Jungs.

Burns wartete am anderen Ende des Raums. Er war ein kleingewachsener harter Typ, der schon zu Beginn seiner Polizeikarriere angeschossen worden war und im Krieg als Geschützoffizier bei den Marines gedient hatte. Burns stand hinter einer Bank, auf der ein Thompson-Maschinengewehr lag.

„Der Boss hat mir befohlen, eine Sondereinheit zu bilden“, sagte er beiläufig, während er mühelos die Tommy auseinandernahm und wieder zusammensetzte.

So nannte er es damals – schlicht und einfach eine Sondereinheit. Später erklärte Burns gegenüber einer Grand Jury: „Meine wichtigste Aufgabe bestand darin, die durch Gangster verübten Morde zu minimieren und einige der harten Burschen unter Kontrolle zu bringen.“ Nun erläuterte er aber zunächst einmal den 18 Männern die Details: Wenn sie mitmischen wollten, müssten sie Zielpersonen wie Benjamin „Bugsy“ Siegel ins Visier nehmen, den New Yorker Playboy von der Murder Inc., der nach Kalifornien geflohen war. Bei der Murder Inc. handelte es sich um eine „Firma“, bei der man von einer Prügelattacke über einen Messerangriff bis hin zu Mord alles in Auftrag geben konnte. Auch Jack Dragna stand auf der Liste, ein sizilianischer Bananenimporteur, der unauffällig, aber effektiv über das illegale Glücksspiel und ähnliche verbotene Geschäfte in Los Angeles herrschte. Die meisten Cops hatten Dragnas Namen noch nie gehört.

Den nächsten Namen kannten jedoch fast alle, da Mickey Cohen ein Jahr zuvor einen fetten Buchmacher um die Ecke gebracht hatte. Mickey gehörte zu den Jungs von nebenan. In Brooklyn als Meyer Harris Cohen geboren, war er von seiner Mutter als Kleinkind in den Westen mitgenommen worden und in L.A.s Armenviertel Boyle Heights aufgewachsen. Schon als Zeitungsjunge musste er sich um heißbegehrte Straßenecken prügeln, später kämpfte er, der nur eine Größe von kaum 1,65 aufwies, im Fliegengewicht um Preisgelder. Mickey war zwar ein kleiner Mann, aber aus hartem Holz geschnitzt. Und er wusste, dass er mit einer Knarre deutlich größer war. Mal boxte er, dann veranstaltete er Glücksspiele, und manchmal verübte er kleinere Überfälle in den Gegenden von Cleveland und Chicago. Schließlich zog er die Aufmerksamkeit des Capone-Clans auf sich, dessen Mitglieder ihn „den kleinen Juden“ nannten. Sie bestärkten ihn, seine Geschäfte wieder in den Westen zu verlagern. Dort sollte er von Kaschmir-Träger Ben Siegel noch etwas über den richtigen Stil lernen und Bugsy unter Umständen dabei helfen, die zweitklassigen Gauner von den Straßen L.A.s zu vertreiben. Doch Mickey tauchte bis 1945 meist unterhalb des Radars auf. Das änderte sich erst, als der über 110 kg schwere Maxie Shaman in eins seiner illegalen Wettbüros stürmte, das am Santa Monica Boulevard lag und mehr schlecht als recht als Farbengeschäft getarnt war. Er trug nach Mickeys Aussage eine 45er – die Waffe wurde später neben der Leiche gefunden – und wollte ihn umbringen. So blieb Mickey nichts anderes übrig, als den stämmigen Buchmacher mit der 38er niederzustrecken, die er in seiner Schreibtischschublade aufbewahrte.

Kurz darauf wurde Paulie Gibbons, ein weiterer Buchmacher, auf einer Straße in Beverly Hills mit sieben Schüssen niedergemäht. Im Spätsommer 1946 ging es Bennie „The Meatball“ Gamson und George Levinson, die beide aus Chicago stammten, an den Kragen. Der Doppelmord gipfelte in der Schlagzeile: „Glücksspielkrieg im Gangstermilieu!“ Auf die Justizbehörde in Los Angeles wirkte das wie eine letzte Warnung, und so beauftragte man Lieutenant Willie Burns im Oktober des Jahres damit, 18 eigens ausgewählte Kandidaten zur Gründung eines Sondereinsatzkommandos zusammenzutrommeln.

„Ihr werdet hiermit arbeiten“, erklärte ihnen Burns, während er die Tommy-Gun hochhielt und das 50-Schuss-Rundmagazin einschnappen ließ.

Die ganze Geschichte sollte wie folgt ablaufen: Wenn sie mitmachen wollten, würden sie weiterhin zwar offiziell auf den Gehaltslisten ihrer alten Polizeireviere stehen, von nun an jedoch aus zwei alten, verrosteten Fords heraus operieren. Verhaftungen dürften nicht vorgenommen werden. Falls jemand in den Bau einfahren sollte, müssten sie die Mordkommission, die Sitte oder das für Diebstahl zuständige Dezernat verständigen, damit die den Job erledigten. Wenn Boss C.B. Horrall es für angemessen erachtete, stünden Routineaufgaben auf der Tagesordnung. Sie hätten Zugriff auf Bares, einen Geheimfonds vom Secret Service zum Schmieren von Informanten, um Neuigkeiten über Typen wie Bugsy, Dragna und Mickey Cohen zu sammeln. Ein offizielles Büro – Fehlanzeige! Sie müssten sich an Straßenecken, auf Parkplätzen und oben in den Bergen treffen.

Burns gab den 18 Männern eine Woche Bedenkzeit und zitierte den Hinweis eines alten Lieutenants vom 77., der meinte, dass ein solcher Auftrag das Wohlwollen des Chefs nach sich ziehen, ja sogar Helden aus den Männern machen konnte: „Oder ihr endet unten in San Pedro und könnt im Nebel Streife latschen.“ Sergeant Jack O’Mara zog an seiner Pfeife, während sie zur Vorsicht ermahnt wurden: „Egal, was ihr auch macht – bleibt sauber!“

Nachdem die Woche verstrichen war, tauchten nur noch sieben Beamte bei Willie Burns auf. Somit bestand die Gangster Squad mit diesem aus insgesamt nur acht Cops. Zu ihnen gehörte auch O’Mara, der seiner Frau Connie jetzt erklären musste, was sich in dem stilvollen Geigenkasten befand, den er von nun an unter dem Bett aufbewahrte.

Sergeant Jerry Wooters kam erst später an Bord. Er sammelte weder die Kollekte ein, noch rauchte er Pfeife, sondern er bevorzugte Zigarren oder Zigaretten, die ständig in seinem Mundwinkel hingen. Gerard „Jerry“ Wooters ließ sich als schlanker und knochiger Mann beschreiben, der das Gesetz nach Belieben auslegte. Er war der Sohn eines vagabundierenden Goldgräbers, den es nach Kalifornien verschlagen hatte, um hier den alten Traum vom schnellen Geld zu verwirklichen. Doch sein Vater blieb zeitlebens ein armer Schlucker. Jerry hatte versucht, sich vor dem Kriegsdienst zu drücken, doch ohne Erfolg. Er wurde über dem Pazifik abgeschossen und trieb tagelang in einem Schlauchboot. Falls die Japaner ihn gefunden hätten, wäre das sein sicherer Tod gewesen. Wenn ihn aber ein amerikanisches Schiff auflesen würde, so dachte er damals, würde er mit einigen Medaillen dekoriert nach Hause kommen.

Wieder in den Staaten zurück, schleppte er stets die Bilder von sich und einigen schnuckeligen Krankenschwestern im Anzug mit. Als Polizist machte er durch seine Aufsässigkeit von sich reden. Die Unterwelt und seine Vorgesetzten kannten Jerrys Devise: „Leckt mich doch alle am Arsch!“ Bei seinem ersten Fall im Rahmen der Gangster Squad leitete er eine Untersuchung, die die Spielregeln für Cops in Kalifornien von Grund auf verändern sollte.

Jerry Wooters und Jack O’Mara hatten bis auf ihren Dienstgrad als Sergeant und die Besessenheit von Mickey Cohen keine Gemeinsamkeiten.

O’Mara stellte Mickey Jahre später eine Falle. Er benutzte Cohens eigene Waffen, um zu beweisen, dass er ein Killer war.

Wooters hingegen schmiedete eine Allianz mit Mickeys Rivalen aus den Fünfzigern – Jack „dem Kassierer“ Whalen, einem Kraftprotz, der stolz darauf war, nie eine Waffe zu benötigen, denn seine nackten Fäuste reichten aus, um alle Probleme zu lösen. Whalen träumte insgeheim davon, als Schauspieler in Hollywood ganz groß rauszukommen.

Beide Cops zogen die Ermittlungen alleine durch, ohne ihre Pläne abzustimmen.

Es sollte noch ein Jahrzehnt dauern, bis das FBI unter der Führung von J. Edgar Hoover die Existenz der Mafia offiziell anerkannte, doch die Gangster Squad des LAPD ließ nichts unversucht – wirklich nichts –, um Mickey Cohen und seinem Gesindel das Leben zur Hölle zu machen. Cops der Squad inszenierten Ballereien aus vorbeifahrenden Wagen, um die Zielpersonen zu Tode zu ängstigen. Auswärtige Ganoven wurden in ein Auto verfrachtet und zum Mulholland Drive kutschiert, wo man sich mit ihnen „unterhielt“ und sie nachdrücklich davon überzeugte, die Stadt zu verlassen. Die Cops spielten „Holzwürmer“ oder Techniker der Telefongesellschaft, um bei den Gangstern Mikrofone zu verstecken – wer schert sich schon um Durchsuchungsbefehle? Sie verwanzten Fernseher und sogar das Bett einer Geliebten. Sie stellten den lästigen Kolumnisten einer Zeitung kalt und erwiesen Jack Webb, der das LAPD mit der Dragnet-TV-Show glorifizierte, einige Gefallen, von denen die Öffentlichkeit nichts erfahren durfte. Die Gangster Squad stahl Waffen und Adressbücher von Angehörigen der Mafia und hinterließ anonyme Nachrichten auf deren Kissen – wohlweislich keine Pralinenschachteln.

Oft war der Fortbestand der Einheit durch Ermittlungen der Grand Jury, angesichts von Klagen oder wegen des einen oder anderen skeptischen Polizeichefs bedroht, doch die Cops hielten bis zum Ende der Fünfziger eisern durch. Dann kam einer ihrer Fälle vor den Obersten Gerichtshof des Bundesstaates. Einer ihrer eigenen Leute, der aufmüpfige Jerry Wooters, war zu skrupellos vorgegangen und hatte des Nachts eine tödlich endende Schießerei im Valley trotz Warnung nicht verhindern können. Eine Kugel direkt zwischen die Augen markierte schließlich das Ende der Gangster Squad in ihrer bisherigen Form und damit einer prägenden Ära in der Geschichte von Los Angeles.

Die Einheit operierte zu einer Zeit, in der die Wahrheit nicht im gleißenden Sonnenlicht zu finden war, sondern im Halbschatten und in der Dunkelheit, nicht in marmorverkleideten Gerichtssälen, sondern auf den trostlosen Straßen der Viertel. Das war ihr Los Angeles – eine sonnengebleichte Stadt voller Palmen, in der ein Mann sein Schicksal selbst in die Hand nehmen musste, eine Stadt, in der fast 100 Jahre lang die Meinung vorherrschte, dass das Böse stets von anderswo kam.

Gangster Squad

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