Читать книгу Gangster Squad - Paul Lieberman - Страница 13

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O’Mara erhielt die Nachricht, als er am 16. April 1948 zur Nachtschicht erschien: „Freddie, der Dieb“ Whalen war von drei Männern aus Fresno gekidnappt worden, die behaupteten, er habe sie und einen Buchmacher um 2.900 Dollar beschissen. Fred Whalen ging gerade in der Nähe seines Hauses in Hollywood gemütlich mit dem zweieinhalbjährigen Enkel spazieren – der Sohn seiner Tochter Bobie –, als das Trio plötzlich aus einem Wagen sprang, ihm Handschellen anlegte, ihn auf die Hinterbank schubste und wegraste. Der kleine Junge blieb hilflos auf dem Gehweg zurück. Familienmitglieder beobachteten die Entführung und rannten hinter dem flüchtenden Wagen her, doch ohne Erfolg. Ein Anruf bei der Polizei in Hollywood genügte, und schon wurde eine detaillierte Beschreibung verbreitet, die den Cops half, die Täter in Burbank festzunehmen. Sie drohten Freddie, eine Flugreise zu unternehmen und ihn aus der Maschine zu stoßen, wenn er nicht augenblicklich mit der Kohle rüberrücke, die er ihnen als „Dr. Harry Moore“ abgeknöpft hatte.

Die Öffentlichkeit wusste zu dem Zeitpunkt nichts über einen Fred Whalen, ausgenommen, sie zählten zu den Billard-Fanatikern, die etwas über seine verblüffenden Tricks gehört oder das Spiel mit dem großartigen Ralph Greenleaf gesehen hatten. Doch unter Trickbetrügern und spielwütigen Detectives stellte Freddie, der Dieb eine Legende dar. Für sie war er der cleverste Gauner, den man in Los Angeles seit Jahren gesehen hatte, mal abgesehen von dem Kerl, der in den Zwanzigern die halbe Stadt mit dem Ölschwindel über den Tisch zog. Doch C.C. Julian flüchtet aus Kalifornien und brachte sich um. Freddie Wahlen war hingegen immer noch aktiv und übertrumpfte sich selbst mit einer List nach der anderen. Als die meisten Schwarzbrenner und Schmuggler nach der Prohibition vor dem Ruin standen, kaufte er billigen Whiskey aus Lebensmittelgeschäften auf, füllte ihn in täuschend ähnliche Flaschen um und verkaufte das Zeug als teuren Johnny Walker. Doch seine aktuelle Gaunerei – und der Grund, warum ihm die Typen aus Fresno einen Fallschirmsprung ohne Fallschirm spendieren wollten –, ließ sich schlichtweg nur als Geniestreich bezeichnen.

Schritt eins: Freddie ging in ein Krankenhaus und gab sich als Arzt aus, natürlich im weißen Kittel und mit einem Stethoskop um den Hals. Zuerst überreichte er der Dame an der Rezeption ein Rosenbouquet, quasi, um das Eis zu brechen, und stellte sich dann als Doktor-so-und-so vor, in Fresno benutzte er den Namen Dr. Harry Moore. Er erklärte, dass er als Gefallen für einen dort angestellten Arzt, der sich im Urlaub befand, nach einigen Patienten schauen würde. Als Nächstes warf er der Dame ein unwiderstehlich charmantes Lächeln zu und bat sie: „Ich erwarte einen Anruf, meine Liebe. Es wäre nett, wenn sie mich ausrufen lassen könnten.“ Schritt zwei: Freddie streute in der Klinik die Information, dass er eine Passion für Ponys habe. Wüsste wohl jemand, wo man eine Wette platzieren kann? In kürzester Zeit stand er in Kontakt mit dem lokalen Buchmacher und setzte für den Anfang einige kleinere Beträge, alles sichere Nieten. Er machte dem Buchmacher ein verheißungsvolles Angebot – wie wäre es, wenn er, Dr. Moore, die Wettgelder aus dem Hospital für ihn einsammelte? Was für ein Angebot – ein liebenswürdiger, hochseriöser Arzt, der ihm freiwillig einen neuen Kundenkreis erschloss und betreute! Und dann auch noch das Geld von Kollegen der Zunft, Krankenschwestern und den ganzen Patienten einsammelte! Wie sollte man da widerstehen? Doch der Buchmacher ging seiner „Sorgfaltspflicht“ nach und rief erst im Krankenhaus an, ob dort tatsächlich ein Dr. Moore praktizierte. Die nette Dame am Empfang antwortete ihm säuselnd: „Natürlich, unser Dr. Moore. Ich werde ich sofort ausrufen lassen.“

Schritt drei: Ungefähr um 10 Uhr morgens traf sich der in Pferde vernarrte Dr. Moore mit dem Buchmacher selbst oder seinem Laufburschen in einem nahegelegenen Motel, um ihm die auf Index-Karten verzeichneten Wetten zu überreichen, denn die ersten Rennen an der Ostküste standen kurz bevor. Freddie bot dem Mann einen Drink an und erzählte einige Witze, hielt einfach einen netten Plausch. Sein Zielobjekt hatte nicht den blassesten Schimmer, dass ein Komplize – manchmal sein Schwager und manchmal andere Wunderlichs – im Nebenzimmer saß und die Resultate über die Telefone mithörte. Sie benutzten einen kaum sichtbaren Draht, um frisierte Karten mit neuen Wetten unter der Tür durchzuschieben. Allerdings standen dort jetzt die Namen der Siegerpferde, die oft mit einem großen Vorsprung gewonnen hatten. Die Möbel in Freddies Motelzimmer waren so arrangiert worden, dass niemand die Aktion bemerken konnte. Freddie saß am Schreibtisch und musste nur noch die Index-Karten aufheben. Als Billardprofi hatte er sein Geschick mit den Händen bewiesen, was ihm nun zugutekam. Mühelos steckte er die neuen Karten in den Haufen, den er dem Buchmacher mit einer Handbewegung überreichte. Der arme Kerl hatte überhaupt keinen Grund, einen Schwindel zu vermuten, denn er hatte den Arzt ja schon vor dem Start der Rennen getroffen. Es war einer der klassischen Tricks, um das Faktum der verschiedenen Zeitzonen in den USA auszunutzen, und trieb in Kalifornien und auch darüber hinaus einen Buchmacher nach dem anderen in den Ruin. Ach ja, die echten Wettliebhaber lagen natürlich oft daneben und sahen selten einen Cent. Freddies Tochter meinte dazu: „Daddy schaffte es nur bis in die fünfte Klasse, aber sein Wissen reichte vollkommen aus.“

Doch dieses Mal hatte es Freddie übertrieben, als er einem Buchmacher in Merced anbot, die Wetten aus gleich drei Krankenhäusern nahe Fresno einzusammeln. Der Mann holte sich noch Verstärkung von zwei Freunden, um das Großunternehmen durchzuziehen und verlor in kürzester Zeit 2.900 Dollar. Gab es denn wirklich so viele glückliche Zufälle? Das Trio schöpfte Verdacht, folgte dem angeblichen Doc und entschied sich zu dem Charterflug. Doch als sie ihn entführt und ein wenig weichgeklopft hatten, schlug er ihnen sogleich eine Rückzahlung vor. Er bot den ruppigen Entführern zwei Diamantringe seiner Frau an – der eine mit 10 und der andere mit 5 Karat –, die wenigstens 12.000 Dollar einbrächten. Das Trio schluckte den Köder und rief Lillian von einer Telefonzelle aus an, damit sie die Juwelen auf dem schnellsten Weg zu einer Drogerie in Burbank schaffte. Statt ihrer erschienen dort dann allerdings die Polypen.

Zu Beginn der Ermittlungen wollte O’Mara herausfinden, wer hinter dem betrogenen Buchmacher steckte. Das Trio schien auf einer unteren Stufe der Futterkette zu stehen, da sich einer der Drei als ehemaliger Klempner ausgab und ein anderer als Stud-Poker-Spieler und Natursteinschleifer. Doch viele Buchmacher bezahlten einen Typen wie zum Beispiel Mickey, der einige Stufen über ihnen stand, falls nicht für den Nachrichtenservice, dann zum eigenen Schutz – entweder vor seinen Schlägerbanden oder bestechlichen Cops oder eben vor Typen wie Freddie Whalen. Es machte Sinn, wenn ein paar Muskelmänner hinter einem standen, die man beauftragen konnte, Betrügern eine Abreibung zu verpassen. Einem Bericht des Bundesstaates Kalifornien nach arbeiteten 500 Buchmacher im Rahmen von Mickeys Netzwerk, denen er telefonisch seine Anweisungen gab. Auch unter Dragnas Fittichen hatte sich sicherlich ein ganzer Haufen „Schutzbefohlener“ versammelt. Und so machte sich O’Mara zu Fred Whalens Haus in Hollywood auf, um mal selbst sein Glück zu versuchen.

Fred lebte zu der Zeit in einem Apartment im Tal und zwar in der Lodi Street, gegenüber des Hollywood Studio Club, dem Treffpunkt junger Frauen der Unterhaltungsindustrie, die es geschafft hatten oder es bis ganz nach oben schaffen wollten. Die 21-jährige Möchtegern-Schauspielerin Joan Cory war damals gerade aus dem Club gekommen, als Freddie mit seinem Enkelsohn über den Gehweg schlenderte, und wurde Zeugin der Entführung. „Es sah aus wie eine Szene aus einem Film“, japste die dunkelhaarige Schönheit ganz aufgebracht. Und noch eine weitere aufstrebende Schauspielerin lebte in einer naheliegenden Pension: Sie hatte im Krieg in einer Munitionsfabrik geschuftet und zog sich nun zum ersten Mal aus, um lumpige 50 Dollar zu verdienen – ihr Name war Norma Jeane Backer [später strich die Schauspielerin das „e“ aus dem zweiten Vornamen Jeane, A.T.]. „Ich war mit der Miete im Rückstand“, erklärte das Mädchen, das später als Marilyn Monroe Weltruhm erlangte.

Freddie Whalen ließ O’Mara eintreten – kein Problem, er hatte doch nichts zu verbergen. Die beiden – zwei Iren in der Neuen Welt – führten ein nettes Gespräch. Nur Jack, Freds Sohn, befand sich noch im Haus. O’Mara hätte aber nie daran gedacht, dass die beiden verwandt waren: Whalen Senior hatte einen durchschnittlichen Körperbau, trug ein kurzärmeliges Hemd und wirkte unglaublich entspannt für jemanden, der beinahe seinen „Freiflieger“ gemacht hätte. Ganz offensichtlich verließ er sich immer noch auf sein Glück und seine Raffinesse. Im Kontrast zu Daddy hatte Jack eine beeindruckende Physis. Als ihm O’Mara die Hand schüttelte, verschwand sie beinahe in Jacks Pranke. Fotos im Wohnzimmer zeigten den jungen Whalen in Uniform. Fred berichtete voller Stolz, dass sein Sohn im Krieg als Pilot kämpfte. Jack sah sehr gut aus und beeindruckte die Leute mit seinem dicken, welligen und tiefschwarzen Haar – ihnen blieb förmlich die Spucke weg. Er ähnelte dem düsteren, schwermütigen Schauspieler Robert Mitchum, der oft die Rolle der Bösewichte übernahm. Allerdings hatte er breitere Schultern und war ein wenig dicker. Seine Hand zu schütteln reichte für einen langanhaltenden Eindruck.

Doch Jack Whalen brachte kaum ein Wort über die Lippen. Nervös und mit grimmigem Gesichtsausdruck stampfte er im Zimmer auf und ab, bis sein Daddy schließlich meinte, dass er nichts von dem Trio wisse, das ihn töten wollte, und damit auch keine Aussage machen könne.

O’Mara stellte das nicht in Frage. Er hatte den Ehrenkodex unter Dieben kapiert. Und hinzu kam, dass Freddie sich wohl schlecht in den Zeugenstand setzen und erklären konnte, was er im weißen Kittel mit Stethoskop in einem Krankenhaus in Fresno gemacht hatte. Die beiden trennten sich, nachdem sie eine Vereinbarung geschlossen hatten. Falls wieder ungebetene Gäste auftauchen sollten, würde Freddie seinen neuen Freund bei der Gangster Squad verständigen. Im Gegenzug musste er sich keine Sorgen machen, vor Gericht zitiert zu werden. Und was war für die ins Netz gegangenen Gangster geplant? Sergeant J.J. O’Mara würde sie wieder auf einen kleinen Plausch zum Mulholland Drive entführen …

Gangster Squad

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