Читать книгу Gangster Squad - Paul Lieberman - Страница 14

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Schließlich stellte man der Gangster Squad ein Büro zur Verfügung, auch wenn es eher einem Loch glich. Die Räumlichkeiten lagen in der alten Central Station, in der immer noch Pferdeboxen aus dem 19. Jahrhundert standen und sich ein kreisrunder Wendeplatz befand, wo die Beamten mit ihren von Pferden gezogenen „grünen Minnas“ die Übeltäter schnell und effektiv ausladen konnten, um danach wieder Streife zu fahren. Als die Gangster Squad grünes Licht bekam, eine Sekretärin einzustellen, traf sie ihre Wahl mit größter Sorgfalt: Sally Scott hatte während des Krieges für die Navy in Washington gearbeitet und war damals der höchsten Geheimhaltungsstufe unterworfen. Sie half Keeler, die Informationen aus dem Notizbuch auf Karteikarten zu übertragen, und abonnierte diverse Zeitungen aus dem ganzen Land, um Artikel über bestimmte Gangster auszuschneiden und neben dem Spucknapf in einem Aktenordnerschrank zu archivieren. Die Cops erhielten nach wie vor Gehaltsschecks, als würden sie den alten Jobs nachgehen, doch nun stand ihnen endlich, ungeachtet ihres Status als Undercover-Agenten, ein Treffpunkt zur Verfügung – mit einem Hutständer neben der Tür.

Der größte Fortschritt stellte in ihren Augen allerdings eine Wanze dar, die in Mickeys Wohnzimmer versteckt war, denn durch die Abhöraktion erhielten auch sie wertvolle Informationen. Einen Tag, nachdem die Polizei die sechs Männer auf dem Wilshire festgenommen hatte, wurde Mickeys Handlanger Neddie Herbert belauscht: „Ich kann dich nicht im Mocambo treffen. Ich hab Muffe, dass die mich am Arsch kriegen.“ Frühmorgens gegen halb vier Uhr stürmte Neddie dann in Mickeys Schlafzimmer, um ihn auf den neusten Stand zu bringen: „Die haben schon wieder jemanden verhaftet. Ich will raus aus dem Schlamassel. Jesus Christus! Ich will noch einige Tage leben bleiben.“

„Die können doch nicht einfach jeden aus der Stadt werfen“, antwortete Mickey. „Das ist gegen die Verfassung.“

Später meckerte er darüber, dass einige Officers vom LAPD Kunden in seinem Modegeschäft belästigten und manchmal die niegelnagelneuen Kleidungsstücke mit roter Kreide beschmietren. „Um Himmels Willen, die Kerle lassen sich an 200-Dollar-Anzügen aus. Die bringen fast jeden Kunden auf die Wache – das ist doch lächerlich.“

Ein anderer Mann seiner Bande spekulierte, ob „Willie Burns der nächste Bürgermeister von Hollywood“ werden wolle.

Die Gangster Squad hatte ihre helle Freude daran, Mickey auf die Palme zu bringen. Die Abhöraktion, die zu einem wahren Fiasko wurde, konnte man ihr jedoch nicht zur Last legen. Die Sitte hatte die besagte Wanze angebracht, zu einer Zeit, als sich die Sondereinheit noch im Aufbau befand. Damals war Mickey dank seiner Glückssträhne in der Lage gewesen, sich ein ranchartiges Anwesen in Brentwood, einem noblen Vorort, zu kaufen und zu renovieren. Er glaubte, dass sich Brentwood außerhalb der Stadtgrenzen befand, was allerdings nicht stimmte. Die Detectives von der Sitte nutzten einen regnerischen Tag für den geplanten Lauschangriff. Die Bauarbeiter hatten frei, und so zogen sie in Malochermontur los – Schutzhelme und Sicherheitsschuhe inklusive – und latschten dreist in das Haus. Sie versteckten des Mikrofon in Mickeys Wohnzimmer zwischen dem offenen Kamin und der Vorratskiste für Holzscheite, verlegten das dünne Kabel unter dem Rasen bis zu einem Verteilerkasten der Telefongesellschaft. Von dort aus bestand eine Direktleitung zur Abhörzentrale. Als Mickey und Lavonne Cohen mit ihrem Hund Tuffy, einem Boston Bullterrier, in die 513 Moreno Avenue zogen, aktivierten die Cops die Wanze.

Bei dem wunderbaren Coup machten die Beamten von der Sitte allerdings einen Fehler, denn sie nutzten die Dienste eines privaten Elektronikexperten. Russ Mason wurde für das reibungslose Funktionieren der Technik bezahlt und malte sich aus, auch den gesamten Lauschangriff zu betreuen. Doch als daraus nichts wurde, legte er eine Geheimleitung zu seinem eigenen Abhörposten. Und so nahm das Unglück seinen Lauf, das schließlich mit dem Abbruch der Aktion endete.

Doch der eigentliche Skandal ließ noch auf sich warten. Für über ein Jahr – vom 13. April 1947 bis zum 28. April 1948 – ermöglichte die Wanze neben der Holzkiste erst einmal einen intimen Einblick in Cohens Machenschaften.

Mickey war ein umtriebiger Mann. Er tarnte einen hochdotierten Boxkampf als Wohltätigkeitsveranstaltung, sich ironisch darüber beklagend, dass „wir zu dem Kampf nur mit einer Knarre gehen können“, oder tratschte mit den Jungs über einen alten Freund in Cleveland, der sich ein Anwesen für 120.000 Dollar angeschafft hatte und nun nur noch in „allerbester Gesellschaft unterwegs ist“ und sich mit „Dienstmädchen, Butlern, Köchen und Chauffeurs“ umgab. Die in diesem Jahr gesammelten, überaus wertvollen Informationen lieferten eindeutige Hinweise darauf, wo Mickey seine Geschäfte abwickelte, nämlich im nahegelegenen Burbank und in Gegenden des Verwaltungsbezirks von L.A., die für die Cops tabu waren, weil dort der Zuständigkeitsbereich des Sheriffs lag. Das LAPD mag früher der ideale „Ansprechpartner“ für Gauner gewesen sein, wenn sich die Mafia gegen entsprechendes Entgelt Wohlwollen von offizieller Seite für ihre Glücksspiele erkaufte, doch die Zeiten waren längst vorbei. In Burbank ließ Mickey ein komplettes Casino auf der Dincara Stock Farm errichten, hinter den Filmstudios von Warner Bros. gelegen. Zu Beginn des Projekts zogen sich er und die Jungs ein waschechtes Wild-West-Outfit über, ritten über das weitläufige Gelände und bauten die ersten Würfeltische in einer klapperigen Hütte auf, die ehemals von den Stallburschen bewohnt worden war. Doch schon nach kürzester Zeit präsentierten sie im Casino vier Würfeltische, fünf für Black Jack, drei für „Chemin de fer“, einer Variante von Baccara, und einarmige Banditen. Den Spielern bot man kostenlose Drinks und Essen – für gewöhnlich Truthahn und Schinken – an, das philippinische Boys servierten. Für Mickey war das Casino eine mehr als amüsante Angelegenheit – besonders wegen all der schillernden Charaktere! „Da saßen Typen in Indianerkostümen rum, einige in Cowboy-Verkleidung, und so manches Mädchen hatte sich aufgetakelt, als würde sie tanzen gehen. Die kamen direkt vom Set.“

Einer von Mickeys Kumpeln schätzte den Gewinn ein: „Wenn der Laden nur 90 Tage offen bleibt, werden wir über eine halbe Millionen einkassiert haben.“ In anderen Gegenden mussten sie gelegentliche Razzien des Bezirksanwalts des Los Angeles County Districts befürchten, doch nicht in Burbank. Der örtliche Polizeichef Elmer Adams verdiente 8.500 Dollar im Jahr, leistete sich aber eine über 15 Meter lange Yacht, die er zum größten Teil cash bezahlt hatte! Während er ein Trainingsprogramm des FBI in Washington D.C. durchlief, hatte er sogar Post von einem Buchmacher erhalten – 100 Dollar in bar! Adams war in die besten Anzüge aus Mickeys Geschäft gewandet und ein gerngesehener Gast bei den Abendessen der Cohens.

Doch das LAPD konnte nicht so einfach über die fast schon kurios anmutende Korruption in Burbank und im County hinwegsehen – ein pensionierter Captain der Behörde, Jack Dineen, etwa leitete Mickeys Ranch-Casino, man muss sich das einmal vorstellen! Und so startete die Polizei eine witzige Aktion, die Mickey zutiefst verärgerte. Die Cops drängten ihn, doch Karten für die jährlich stattfindende Show zur Unterstützung des LAPD zu kaufen. Mickey erschien also mit den Jungs und erhielt die Chance, sich den aufstrebenden Sänger und Tänzer Sammy Davis Jr. anzusehen, doch er musste insgesamt 1.600 Dollar für das Vergnügen blechen!

Los Angeles hatte mit Mickey einen dicken Fisch an der Angel. Der Mann, den man mit der Wanze belauschte, war mehr als ein aufgeblasener Pfau, der immer eine Show abzog, wenn er im ersten Wagen seiner Cadillac-Karawane durch die Stadt cruiste. Doch es war nicht einfach, ihn dingfest zu machen. An einem Tag gab er damit an, Buchmacher auf fünf Rennbahnen zu beschäftigen und dadurch zwischen 8.000 und 15.000 Dollar zu verdienen. Als Nächstes meinte er: „Ich habe mit der Buchmacherei schon seit vier Jahren nichts mehr am Hut … Hooky fährt heute Abend von Cleveland los. Er bringt mir 45.000 Dollar. Damit kann ich endlich die Bauarbeiten am Haus beenden.“ Ein Besucher, der Mickey unterstützte, war Allen Smiley, der Mann, der in der Nacht des Attentats auf Bugsy Siegel am anderen Ende der Couch gesessen hatte. Smiley hatte eine Theorie parat, warum Mickey all die Rückschläge und Niederlagen überstand, die einen anderen in den Wahnsinn getrieben hätten: „Einige Männer werden geboren, um sich Magengeschwüre zu holen“, sinnierte Smiley mit einem ironischen Unterton. „Und einige Männer werden geboren, um anderen Magengeschwüre zu verursachen.“ Jeder im Raum wusste, zu welcher Gruppe Mickey zählte.

Gut, dass er von so einer Frau wie Lavonne Cohen unterstützt wurde. Sie wartete, bis Mickey mit den Jungs um 3 Uhr morgens aufschlug, machte ihnen Kaffee und Schnittchen und unterhielt die ganze Band mit den Tricks, die sie Tuffy beigebracht hatte. Die Dame des Hauses versuchte sogar, den Vögeln das Sprechen beizubringen. Auf dem Kaffeetisch mit seiner schweren Marmorplatte stand immer eine Vase mit ausgewählten Blumen. Im Boudoir hatte sie zwei Dutzend Kristallschalen aufgestellt, gefüllt mit den feinsten Gerüchen und Aromen, die ihre Eitelkeit widerspiegelten. Wen störte es schon, wenn sie Mickey wegen der hohen Telefonrechnung anmeckerte – die in einem Monat schon mal 300 Dollar betragen konnte, wenn er für einen Mann in Florida die Wetten übernahm? Sie koche in „drei Sprachen“, prahlte Mickey, nämlich „jüdisch, italienisch und irisch“.

Die beiden waren sich 1940 auf einer Party in Billy Gray’s Band Box begegnet, einem Club, der viele Comedians in den Fairfax District zog, einen Stadtteil, der hauptsächlich von Juden bewohnt wurde, die von Boyle Heights dorthin gezogen waren. Die 23-jährige Lavonne stammte hingegen von Iren katholischen Glaubens ab, trug ihre Haare hochgesteckt, arbeitete als Tanzlehrerin in einem der Studios, besaß einen Flugschein und spielte Golf. Sie war alles andere als eine „Pistolenbraut“. Durch die Partnerwahl drückte Mickey erneut sein Bestreben aus, den einfachen Verhältnisse zu entkommen. „Sie war eine Dame von Kopf bis Fuß. Man konnte sie überallhin mitnehmen.“ Das bedeutete aber nicht, dass er sie häufig mit auf Reisen nahm, denn in Ehen wie der ihren gab es oft eine Art stillschweigende Übereinkunft – sie konnte sich beim Bargeld bedienen, das im Wandschrank lag, und stellte dafür keine Fragen zu Frauen, die den Abend oder die Nacht mit ihm verbrachten.

Damals stand häufig ein Wagen der Gangster Squad vor Cohens Haus. Mickey zeigte sich Cops gegenüber verständlicherweise misstrauisch und stellte oft die Frage: „Wer steckt hinter euch?“ Doch bezüglich der Beschattung verhielt er sich meist wie ein Sportsmann. Einmal ließ Lavonne den beiden Typen in dem Zivilfahrzeug sogar einen leckeren Schokoladenkuchen servieren.

An einem besonders heißen Tag erschien Willa, Mickeys treu ergebenes Hausmädchen, und fragte die Beamten, ob sie ein Bier wollten. Zum Teufel auch – na klar!

Willie Burns und Jack O’Mara erhielten all diese Informationen über die Cops von der Sitte, die Cohens Haus verwanzt hatten, erst, nachdem besagter Skandal publik geworden war, denn damals wurden die konfliktbeladenen Kompetenzstreitigkeiten zwischen den einzelnen Dezernaten mit allen Mittel geführt – inklusive eines irrationalen Versteckspiels. Mickey hatte allerdings schon länger gespürt, dass etwas im Busche war, denn er warnte Anrufer: „Die Telefone sind nicht sicher, also halte dich zurück.“ Manchmal drehte er bei einem Gespräch das Radio auf volle Lautstärke. Später meinte er: „Ich wusste die ganze Zeit über, dass die Cops mir eine Wanze untergejubelt hatten. Ich spielte ihnen die beste Musik vor – keine Geringeren als Bach und Beethoven.“

Sein Gärtner hatte die Leitung entdeckt, während er Löcher für Zaunpfähle aushob. Daraufhin ließ Mickey das gesamte Anwesen von seinem eigenen Elektronikexperten inspizieren, dem fast 140 kg schweren J. Arthur Vaus, der einen Metalldetektor und einen Stromsensor und damit schließlich auch die Wanze in der Nähe der Holzkiste fand. Dennoch bewahrte Mickey Stillschweigen. Doch letztlich veröffentlichten die Los Angeles Times und der San Francisco Chronicle Auszüge mit Transkriptionen von Gesprächen, die an die Öffentlichkeit gelangt waren. Die Schlagzeilen hätten nicht marktschreierischer sein können: COHENS DICKE GESCHÄFTE, oder, noch spektakulärer: COPS HIELTEN WICHTIGE INFORMATIONEN ZURÜCK.

Zwar standen Mickeys eigene Worte im Fokus des öffentlichen Interesses, doch auch die Tatsache, dass das LAPD den Lauschangriff durchgeführt und anscheinend nichts unternommen hatte. Ein tobender Bezirksstaatsanwalt des Verwaltungsbezirks L.A. erklärte, dass er niemals über die Verwanzung informiert worden sei. Darüber hinaus habe er nie die Chance gehabt, die abgehörten „Nuggets“ auf ihre Zulassung in einem Strafverfahren hin zu prüfen – daraus bastelten die Schreiberlinge folgende Schlagzeile: BEZIRKSSTAATSANWALT ZERREISST COPS IN DER LUFT. Für das Stadtratsmitglied Ernest Debs wirkte die Aktion wie eine Rückkehr in die Zeit des korrupten Los Angeles, in der Cops der Sitte Beweise gegen Kriminelle sammelten, um Schweigegelder zu erpressen. „Die haben sich die Informationen beschafft, um Mickey Angst einzujagen“, kommentierte er das Desaster. Eine Grand Jury zitierte jeden einzelnen in die Abhöraktion verwickelten Officer der Sitte vor Gericht, denn zu allem Unglück tauchten jetzt auch noch Berichte auf, dass Abschriften der Gesprächsprotokolle auf dem Sunset Strip zu kaufen waren – für läppische 2.500 Dollar konnte man sich einen Eindruck von Mickeys innerstem Heiligtum beschaffen. Für das LAPD stellte das einen gigantischen Albtraum dar. Glücklicherweise war es nicht allzu schwer, die undichte Stelle zu ermitteln: Die „Transkriptionen“ waren keine exakten Gesprächsprotokolle, sondern Notizen, die sich der von der Sitte abservierte Elektronikexperte gemacht hatte. Als man Russ Mason mit den Anschuldigungen konfrontierte, versuchte er sich wie ein Erstklässler mit einer „Der-Hund-hat-meine-Hausaufgaben-gefressen“-Taktik herauszureden – angeblich habe ein mysteriöses Feuer die Gartenlaube mit allen Notizen zerstört. Der „Elektrolurch“ blieb ungefähr 15 Minuten bei der Geschichte und gestand dann alles. Wieder einmal lernte das LAPD eine Lektion: Ziehe niemals zu deiner schmutzigen Arbeit einen Außenstehenden hinzu.

Und darum hatte die Gangster Squad ihren eigenen Experten!

„Man sagt, dass alle Kalifornier aus Iowa stammen“, seufzte die dem Schicksal geweihte Hauptfigur in dem Film Frau ohne Gewissen. Con Keeler war die Verkörperung dieser Aussage, obwohl seine Familie schon seit einigen Generationen in L.A. wohnte. Seine Vorfahren hatten sich im 19. Jahrhundert von Iowa aus in einer Siedlerkutsche aufgemacht und dabei geholfen, den Anbau von Alfalfa und langstapeligen Baumwollpflanzen in Kaliforniens Palo Verde Valley zu etablieren, bis der Colorado die Farmen wegspülte – damals war der Hoover-Damm noch längst nicht errichtet. Die Familie zog daraufhin nach L.A., wo Cons Vater, der gut mit seinen Händen umgehen konnte, als Tischler und Regalbauer arbeitete. Der rothaarige Con zeigte sein handwerkliches Talent schon als Kind, bastelte Kurzwellenradios in seinem Zimmer und schnappte sich jedes Maschinenteil, das er fand, um es zu verwerten.

Als Con kurz vor Kriegsbeginn beim LAPD anheuerte, ließ er sich als stämmiger junger Mann beschreiben. Er war ca. 1,80 Meter groß. Während des körperlichen Eignungstests bei der Academy konnte der Instructor seinen Augen nicht trauen und ließ sich von Con ein zweites Mal die Hand geben. „Womit haben Sie sich denn bislang ihr Geld verdient?“ „Tja, als Mechaniker.“ Sein Gegenüber nickte: „Das erklärt alles.“ Bei ihm verband sich die Kraft eines Farmerjungen aus Iowa mit Moralvorstellungen eines Freimaurers. Er konnte seine Abscheu gegenüber den alten Beamten nicht verbergen, die jahrelang Bestechungsgelder angenommen hatten. Für Keeler bestand das wichtigste Kompliment, das man einem Mann oder einem Cop machen konnte, in dem einfachen Satz: „Er verhielt sich immer ehrlich und aufrecht.“ Und die alten Knacker waren davon weit entfernt. Als Frischling verdiente er 170 Dollar pro Monat und musste in der ersten Zeit Verkehrskontrollen durchführen, auch als die anderen schon etwas von seinen speziellen Talenten wussten. Doch zuerst rief ihn sein Land zum Kriegsdienst, und Con ließ sich vom Army Air Corps rekrutieren. Er hatte überhaupt keine Ambitionen, ein schnittiger oder gar berühmter Pilot zu werden, sondern wollte sich die Hände an den Motoren der neuen B-24-Bomber dreckig machen. Keeler stand kurz vor der Versetzung nach Europa, als man ihm eine niederschmetternde Lektion in Bürokratie-Wahnsinn erteilte.

Kurz vor der Abfahrt des Zugs standen wir auf dem Bahnsteig herum. Ich wurde ausgerufen, um mich bei den Ärzten zu melden. Sie erklärten mir, ich habe Hämorrhoiden, was nicht stimmte. Doch bei der Musterung hatte wohl ein Schreiberling einen Haken in dem Kästchen gemacht: Der Doc untersucht dich, und ein verschlafener Soldat nimmt die Ergebnisse auf und überträgt sie in das Formular – doch in meinem Fall war das falsch. Ich ging also zu einem Captain, den ich gut kannte. Er fragte mich, ob ich vielleicht einen entzündeten Zehennagel gehabt habe oder eine andere Infektion, die man angeben könne, denn Offiziere machten nun mal keine Fehler! Egal, sie legten mich auf eine Bahre, rollten mich in einen OP, fummelten an meinem Fuß rum, gaben mir ein Spinalnarkotikum und so weiter, das volle Programm. Und dabei mussten sie die beiden Tischler rausjagen, die das Parkett sandstrahlten. Da war ein unglaublicher Nebel drin, und da es sich um einen Operationssaal handelte – voller Bakterien und Pilze –, fing ich mir natürlich eine Entzündung ein. Die mussten mich mehrere Male mit Silbernitrat behandeln, um den Infektionsherd zu bekämpfen – und dann war ich wirklich krank.

Con Keeler verbrachte einige Monate in einem Armeekrankenhaus. Nachdem das Fieber auf eine unerträgliche Höhe angestiegen war, rollten die Krankenschwestern sein Bett in den abgedunkelten Raum, in den man die hoffnungslosen Fälle verfrachtet. „Ich hab sie hinter’s Licht geführt“, meinte er, doch wegen dieses tragischen medizinischen Irrtums war er sein Leben lang zum Humpeln verurteilt und benötigte für das Bein eine orthopädische Metallstütze. Keeler verabscheute Selbstmitleid – er war Soldat von Kopf bis Fuß –,aber es reichte schon an ein Wunder heran, dass er es durch den Krieg schaffte. Das zweite Wunder geschah, als das LAPD ihn trotz der Behinderung wieder einstellte. Zwar konnte er nicht mehr alle Aufgaben erledigen und musste sich um die Verkehrssicherheit kümmern, aber immerhin. Und dann erhielt er eines Abends den Anruf von Willie Burns.

Keeler rannte natürlich nicht so schnell wie ein O’Mara, aber er konnte aus diversen Elektroteilen und Abhörequipment primitive Wanzen basteln, die ihren Zweck erfüllten. Zudem kannte er einen ausgewählten Kreis von Akustik- und Elektro-Ingenieuren, die an hochmoderner Überwachungstechnologie arbeiteten. Darunter befanden sich Männer der Naval Intelligence und des Office of Strategic Services (OSS), des Vorläufers der CIA. Sie entwickelten Systeme für Lauschangriffe über weite Distanzen hinweg, bei denen keine direkten und verräterischen Anschlussverbindungen mehr nötig waren – und das war im Fall Mickey Cohen besonders wichtig, denn seine Crew suchte regelmäßig nach verdächtigen Leitungen.

Die Gangster Squad juckte nicht, was die von der Sitte für einen Mist gebaut hatten – sie würden es erneut versuchen, diesmal mit einem raffinierteren System.

Ein kleines Mikrofon war mit einem Transmitter verbunden, der das Signal zu einem Empfänger übertrug, der sich einige Blocks weiter befand. Das ließ sich mit einer Radioübertragung vergleichen. Doch es gab einen großen Nachteil. Der Transmitter wurde mit einem Sechser-Satz Batterien betrieben, die innerhalb kürzester Zeit den Geist aufgaben und ersetzt werden mussten. Die größte Herausforderung jedoch bestand im Platzieren der Wanze.

Mittlerweile hatte sich Mickeys Haus in eine regelrechte Festung verwandelt. Wachen patrouillierten rund um die Uhr auf dem Gelände, Suchscheinwerfer konnten den letzten Winkel erhellen, und die Einfahrt war durch ein mit Stahl beschlagenes Tor gesichert, durch dessen Guckloch seine Männer jeden Ankömmling argwöhnisch musterten. Wie sollte man dort hineingelangen? Ein geschicktes Ablenkungsmanöver stellte die Lösung dar! Die Squad wartete einen Abend ab, an dem Mickey und Lavonne ausgegangen waren. Jumbo und der behäbige Archie Case begannen auf einem in der Nähe gelegenen Bauplatz so viel Lärm wie möglich zu veranstalten. Wie zu erwarten, schauten die Wachen nach dem Rechten und bewegten sich vom Haus weg. Das war Keelers Chance! Er schlich über den Rasen des dahinterliegenden Nachbarhauses, kletterte über den mit Stacheldraht gesicherten Zaun und schlich sich durch den Orangenhain auf Mickeys Anwesen an das Haus heran. Um jedes Geräusch zu vermeiden, band sich Keeler Sackleinen um die Schuhe. Zum Schutz gegen die Hunde – Mickey hielt damals den verwöhnten Tuffy und Mike, einen Boxer – hatte Keeler seine Kleidung mit einem Hauch Ammoniak getränkt, der jede Schnüffelnase leicht verätzte.

Unter dem Haus befand sich ein Hohlraum, der von Holzsplittern übersät war. Vorsichtig kroch Keeler um sie herum, riss lautlos die Spinnenweben ab und robbte sich zu dem riesigen Heißwasserbehälter vor, durch den Mickey in der Lage war, sich die Hände täglich eine Million Mal zu waschen. Während Mickeys Leibwächter in Richtung des Lärms starrten und versuchten, die Störenfriede mit den Scheinwerfern einzufangen, mühte sich Keeler am Schloss eines Lüftungsschachts unter Mickeys persönlichem Wohnbereich ab, das sich erstaunlich leicht öffnen ließ, und schon stand er in dessen Privatgemächern. Hier konnte Mickey in Ruhe schlafen oder eins der zahlreichen Meetings abhalten, deren Vokabular nicht in Lavonnes „blumiges“ Wohnzimmer passte. Keeler versteckte das Mikrofon in einem mit Zedernfurnier verzierten Schränkchen, in dem Mickey Dutzende Paare Schuhe aufbewahrte, und versteckte das kurze Kabel, das zum batteriebetriebenen Transmitter unter dem Haus führte, hinter einer Holzleiste. Die Batterien würden höchstens zehn Tage halten und mussten dann ausgewechselt werden. Doch das war ein Problem, mit dem sich Keeler erst in der nächsten Woche herumschlagen musste. Er kroch denselben Weg wieder zurück, schlich sich durch den dunklen Obstgarten davon und erreichte schließlich wieder sicheres Gelände. Die Squad hatte wenige Tage zuvor die Information erhalten, dass einer der Anwohner, ein britischer Arzt, im Krieg beim Nachrichtendienst diente. Nach einem gemütlichen Plausch unter Veteranen erklärte sich der Brite gerne bereit, seine Garage als Abhörposten zur Verfügung zu stellen, und ließ sogar die Installation einer Antenne auf dem Dach zu.

Die Arbeit begann noch am selben Abend. Keeler und seine Kollegen hockten sich mit Kopfhörern vornübergebeugt über die Apparatur und hörten sich das Japsen der beiden Hunde Tuffy und Mike an. Als Nächstes lauschten sie den freundschaftlichen Gesprächen von Mickey und seiner Abendgesellschaft, die gerade nach Hause gekommen waren. Unter den etwa sechs Anwesenden befand sich auch Florabel Muir, die Kolumnistin des Mirror, die blitzschnell am Tatort des Mordes von Bugsy Siegel aufgetaucht war und seitdem oft über seinen Nachfolger geschrieben hatte. Sie machte Lavonne Komplimente über das ach so wunderschöne Haus. Es war bedeutungsloses Geplauder, doch ein Beweis für die Effektivität des primitiven Wanzen-Systems. Ja, die Abhöreinrichtung funktionierte, doch schon bald sollte die gesamte Operation in Gefahr sein!

Zu einer Zeit, in der kaum zehn Millionen Amerikaner einen eigenen Fernsehapparat hatten, besaß Mickey natürlich das neueste Modell, vertrieben durch das W & J Sloane Warenhaus. In einen Mahagoni-Schrank eingelassen, verfügte das Gerät über 45 Röhren, um einen störungsfreien Empfang zu gewährleisten. Doch Mickey hatte nichtsdestotrotz Probleme mit dem Empfang. Mittels der Wanze hörten die Cops, wie er über ein Flimmern auf dem zweiten Kanal meckerte. Schnell erkannte die Squad die Fehlerquelle – ihre Übertragung lag im unteren Frequenzbereich, und der wurde auch beim Zweiten genutzt! Natürlich würde das Mickey bald selbst herausfinden. Am folgenden Morgen rief er direkt bei W & J Sloane an und machten dem Chef die Hölle heiß. „Holt das verdammte Scheißding ab, oder schickt einen Techniker zum Reparieren!“ Sie einigten sich auf Letzteres.

Von nun an nahm O’Mara die Angelegenheit in die Hand. Glücklicherweise würden die Batterien nicht mehr lange halten und den Störenfried deaktivieren. Doch warum sollte man nicht den Techniker auf seinem Weg zu Mickey abfangen und einen Plan B realisieren?

Ich folgte dem Wagen fünf oder sechs Blocks, hielt ihn an und schnauzte den Mann zusammen. Dann überzeugte ich den Kerl zu einer Finte, um die Wanze zu installieren. Der hatte die Hosen voll, stimmte aber zu. „Du hast einen neuen Kollegen“, schlug ich vor.

Der Mann vom Wartungsdienst sollte also ein Mitglied der Gangster Squad in stilechter Montur mit zum Haus nehmen. Mickey wollte einen erstklassigen Service? Ja, den bekam er auch, denn sogar zwei Männer würden an seinem wunderschönen Mahagoni-Fernseher rumschrauben. Dort brachten sie eine zweite Wanze an – „direkt in dem verdammten TV“ – und benutzten eine Frequenz (dafür beteten sie), die den Empfang des Zweiten hoffentlich nicht störte.

„Das ist gut, dank euch, Jungs“, frohlockte ein gutgelaunter Mickey und spendierte den beiden 50 Dollar Trinkgeld.

„Mr. Cohen, das ist aber wirklich nicht nötig“, bedankte sich der falsche Techniker. „Ich kann gerne einmal in der Woche vorbeischauen und den Empfang persönlich prüfen. In Fernsehern stecken oft kleinere Probleme, die man nur früh genug entdecken muss.“

Mickey dachte natürlich, dass der Eifer des Handwerkers durch die großzügigen Trinkgelder hervorgerufen worden sei. Er hätte niemals geahnt, dass durch diese Finte die Batterien immer rechtzeitig ausgewechselt werden konnten. Klar, wenn das Ding lief, fiel es schwer, ein Wort zu verstehen, und meist lief die Flimmerkiste, da Mickey und seine Frau all ihre Freunde einluden, damit sie die Edel-Glotze bestaunten.

Doch O’Mara spürte, dass der Erfolg der Mission auch an kleinen Siegen gemessen werden konnte. Und eins stand fest – es war ein kleiner Sieg, wenn man noch ein halbes Jahrhundert später eine Geschichte erzählen konnte, die mit dem Satz endete: „Und so kam es, dass Mickey Cohen den Lauschangriff der Cops selbst bezahlte!“

Gangster Squad

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