Читать книгу Krimi Paket 10 Thriller: Mord ist kein Vergnügen - Pete Hackett - Страница 18
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ОглавлениеAm nächsten Morgen rief ihn Captain Rogers an. „Ich habe was für dich“, sagte er.
„Was denn?“, wollte Bount wissen. „Einen Toten“, erwiderte der Captain.
„Na, wenn das kein wundervoller Tagesauftakt ist“, meinte Bount grimmig. „Ist es jemand, den ich kenne?“
„Das bezweifle ich. Oder kannst du mit dem Namen Oliver Carr was anfangen?“
„Keine Reaktion in meiner Schaltzentrale“, erwiderte Bount.
„Ein kleiner Angestellter. Er wurde vergiftet. Die Obduktion hat ergeben, dass ihn dieselbe Cyanidlösung aus dem Wege räumte, die diesem Nick Gringer zum Verhängnis wurde. Naja, es gibt allerdings einen kleinen Unterschied dabei. Oliver Carr musste mit einer stärkeren Dosis fertig werden. Sie muss sehr schnell gewirkt haben, aber die Zusammensetzung war im Prinzip die gleiche wie bei Gringer. Möglicherweise ist’s ein Zufall, aber mir fiel er auf. Ich dachte, es könnte nichts schaden, dich darauf hinzuweisen.“
„Schon notiert, vielen Dank“, sagte Bount. „Da gibt es noch einen Toten. Den Burschen aus der 42ten Straße. Was ist mit ihm?“
„Oh, du sprichst von Blacky. Alles deutet darauf hin, dass der Ladenbesitzer in Notwehr handelte. Sein Opfer heißt Don Keller. Ein übler Gangster. Arbeitete für den Cobelli-Mob. Ich brauche dir nicht zu sagen, dass Cobelli die Gegend um die 42te kontrolliert.“
„Was ist mit Leicester?“
„Er ist getürmt.“
„Was wirst du unternehmen?“
„Eine Fahndung ausschreiben und mich rasch wichtigeren Dingen zuwenden“, sagte der Captain. „Ich bin überzeugt davon, dass Leicester die Wahrheit sagt. Jetzt versucht der Alte unterzutauchen, weil er Cobellis Rache fürchtet.“
„Ihr hättet ihn in Schutzhaft nehmen sollen.“
„Wen, Leicester? Ich hab’s ihm angeboten. Er wollte davon nichts wissen.“
Bount bedankte sich und legte auf. Eine Stunde später klingelte er im Hause 61 235te Straße an Jill Larks Wohnungstür. Niemand öffnete. Er probierte sein Glück an der Nachbartür. Eine Frau machte auf, deren Kopf mit Lockenwicklern gespickt war und die Bount durch fingerdicke Brillengläser musterte, „Kann ich was für Sie tun, Mister?“
„Ich möchte zu Miss Lark. Es ist eilig. Können Sie mir sagen, wo ich sie finde?“
„Oh, Jill arbeitet. Sie ist sehr tüchtig. So was wie 'ne Chefsekretärin ...“
Bount zog Gringers Foto aus der Tasche. „Kennen Sie den?“, fragte er.
Die Frau nahm das Foto in die Hand, betrachtete es aus der Nähe und hielt es dann auf Armeslänge von sich. „Er kommt mir vertraut vor“, sagte sie. „Kann es sein, dass ich ihn schon einmal irgendwo gesehen habe? Jetzt fällt es mir wieder ein. Er ist mal hier gewesen. Ich habe ihn beim Verlassen von Jills Wohnung gesehen.“
„Wann war das?“
„Vor zwei, drei Wochen, so genau kann ich das nicht sagen. Ist es denn so wichtig?“, fragte sie und gab ihm das Bild zurück.
„Ich suche ihn“, wich Bount aus. „Wo arbeitet Mss Lark?“
„In der Finanzabteilung von Fletcher, Fletcher & Greenstar“, erwiderte die Frau.
Etwa elf Uhr dreißig betrat Bount das Vorzimmer von Lyonel Dissinger. Es war groß und elegant, wie fast alles in dem dreißigstöckigen Verwaltungsgebäude des Gemischtwarenkonzerns. Hinter dem Schreibtisch, der das Namensschild Jill Lark trug, saß die junge Dame, die Bount suchte. Sie sah sehr viel besser aus, als er es erwartet hatte. Ihr Sex Appeal gefiel ihm, aber er brauchte nur an die brechenden Augen des Mannes auf dem U-Bahnsteig zu denken, um seinen Appetit an die Kette zu legen.
„Sir?“, flötete Jill und strahlte ihn an.
„Ich bin Bount Reiniger“, stellte er sich vor.
„Wenn Sie zu Mr. Dissinger wollen, muss ich Sie enttäuschen. Er ist heute morgen zu einem Kongress nach Pittsburgh geflogen.“
Bount zog sich einen Stuhl heran und nahm darauf Platz. „Das ist ja fabelhaft“, sagte er. „Es gibt mir die Möglichkeit, mich ohne Zeitbeschränkung mit Ihnen zu unterhalten.“ Er lächelte. „Sie haben doch nichts dagegen?“
Jill erwiderte sein Lächeln. Ihre roten Lippen leuchteten wie gelackt. „Das hängt vom Thema ab, das Sie aufzugreifen wünschen“, meinte sie kokett.
„Mord“, sagte Bount.
Er hatte eine Schwäche für Knalleffekte dieser Art. Die Reaktion des Gesprächspartners pflegte meist mehr Aussagekraft zu haben als ein Dutzend langer Sätze.
Was Jill Lark anging, so zeigte sie sich zwar erstaunt, beinahe schockiert, aber das war angesichts von Bounts Verhalten, keineswegs ungewöhnlich. „Mord?“, echote sie.
„So ist es. Ich bin Privatdetektiv.“
„Geht es um Mr. Carr, Sir?“
Bount hob die Augenbrauen. Jetzt war er es, der das Opfer eines Knalleffektes wurde. „Sie kennen ihn?“
„Nur sehr flüchtig. Eigentlich bloß vom Sehen. Er hat in der Firma gearbeitet, oben in der Computerabteilung, Die Nachricht von seiner Ermordung hat sich wie ein Lauffeuer in der Firma ausgebreitet.“
Bount holte Gringers Foto aus der Brieftasche und überreichte es Jill. „Kennen Sie den?“, fragte er.
„Ja. Woher haben Sie das Bild?“
„Das ist nicht wichtig. Wer ist der Mann auf dem Foto?“
„Das ist Nick. Nick Gringer. Er hat mich einige Male ausgeführt.“
„Er ist tot, das wissen Sie doch?“
„Nein, tot? Wie entsetzlich!“, stammelte Jill. „Ein Unfall?“
„So kann man es nennen. Aber Mord ist die präzisere und passendere Bezeichnung. Er wurde vergiftet. Mit einer Cyanidlösung. Genau wie Oliver Carr, der in dieser Firma arbeitete. Haben Sie dafür eine Erklärung?“
„Nein. Warum fragen Sie gerade mich?“
„Sie kannten Gringer. Ich war dabei, als er starb.“
„Sie?“
„Ja. Lesen Sie denn keine Zeitungen?“
„Doch, schon, aber von Nicks Tod ist mir nichts zu Ohren gekommen. Natürlich habe ich mich gewundert, dass er sich nicht mehr gemeldet hat. Ich wollte ihn schon selbst mal anläuten, er wohnt, wohnte im ,Roosevelt', aber irgendwie bin ich davon wieder abgekommen. Offen gestanden war unsere kleine Affäre sehr einseitig. Schon das Wort Affäre ist dafür eigentlich um ein paar Nummern zu groß. Er hat sich in einem Restaurant zu mir an den Tisch gesetzt, wir sind ins Gespräch gekommen, und als wir uns verabschiedeten, bat er mich um meine Telefonnummer. Ich habe sie ihm gegeben, weil er einen netten, höflichen Eindruck machte, und weil es mir gefiel, wie er zu plaudern verstand. Er war noch einer von der alten Schule, wissen Sie. Richtig galant. So etwas gefällt einer Frau.“
„Aber klar“, sagte Bount. „Wie ging es weiter?“
„Er rief mich an, lud mich zum Essen ein. Von da an sahen wir uns ziemlich regelmäßig ... mindestens zweimal in der Woche. Er war mal bei mir, und ich habe ihn einige Male im Hotel besucht. Ich glaube, er war in mich verliebt. Als ich das merkte, ging ich zu ihm auf Distanz. Schließlich hätte er fast mein Vater sein können ... er war 43, glaube ich.“
„Sie wissen es nicht genau?“
„Doch, 43. Ich habe ihn mal nach seinem Alter gefragt, und da hat er es mir genannt.“
„Was trieb er in New York?“
„Das habe ich auch von ihm wissen wollen. Er war in manchen seiner Antworten nicht sehr präzise. Manchmal drängte sich mir sogar der Verdacht auf, dass er etwas zu verheimlichen hatte. Wenn es stimmte, was er mir sagte, dann hatte er eine größere Erbschaft gemacht und war damit beschäftigt, sein Geld möglichst nutzbringend anzulegen. Ich habe ihn immer nur mit voller Brieftasche angetroffen. Ich habe ihm gesagt, wie leichtsinnig es sei, anderen Leuten zu zeigen, was er besaß, aber darüber hat er nur gelacht. Sein Tod beweist, dass er gut beraten gewesen wäre, meine Warnungen etwas ernster zu nehmen.“
„Sie glauben, dass es Raubmord war?“
„Ich glaube gar nichts, aber mir fällt auf Anhieb kein anderes Motiv ein. Der arme Nick. Er war so sympathisch“, seufzte sie.
„War er mit Carr befreundet?“
„Das halte ich für ausgeschlossen. Wie kommen Sie darauf?“, fragte Jill. „Beide starben an demselben Gift.“
„Kann das nicht Zufall sein?“
„Durchaus, aber es liegt nahe, da eine Verbindung zu suchen“, meinte Bount.
„Ja, natürlich. Darf ich fragen, in wessen Auftrag Sie Ihre Recherchen betreiben?“
„Ich tue es auf eigene Faust. Ich kann den Ausdruck in den Augen des sterbenden Gringer nicht vergessen. Und ich vergesse auch nicht die Art, wie er Ihren Namen nannte und nach dem ,Warum' fragte.“
„Er hat meinen Namen genannt?“, flüsterte Jill und schluckte.
„So ist es. Es hörte sich an, als wollte er fragen: Warum hast du das getan, warum hast du mich getötet?“
„Das ist völlig absurd. War es nicht eher so, dass er sich vor dem Tode fürchtete und zu wissen begehrte, warum sein Ende ihm die Chance nimmt, mir weiterhin seine Liebe zu zeigen?“
„Das ist durchaus möglich“, meinte Bount, „aber ich habe Anlass, zu glauben, dass meine Version der Wahrheit näher kommt.“
Jill Larks Wangen röteten sich. „Das ist unverschämt“, zischte sie. „Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie damit zum Ausdruck bringen? Sie bezichtigen mich des Giftmordes! Ich habe keine Worte für diese ... diese Unterstellung. Sie ist schlechthin grotesk. Es mag zutreffen, dass ich Nick nicht geliebt habe, aber ich hatte weder einen Grund ihn zu hassen, noch ihn zu töten.“
„Es ist anzunehmen, dass er reich war. Dafür sprechen nicht nur seine Hinweise auf die angeblich gemachte Erbschaft, dafür spricht auch sein nicht gerade billiger Hotelaufenthalt. Bei dem Toten wurde kein Geld gefunden. Auch in seinem Hotelzimmer fand sich nichts von Wert. Sie gehören zu den wenigen, die ihn näher kannten und die gewusst haben dürften, was er besaß.“
Jill sah erschöpft aus. Sie schloss kurz die Augen, dann hob sie die Lider und sagte mit einer Mischung aus Resignation und Konzentration: „Sie sind Detektiv. Sie jagen nach Schuldigen und greifen nach der erstbesten Motivation, die sich Ihnen bietet. Okay, ich wusste, dass Nick vermögend ist, aber ich kenne viele vermögende Männer, wenn Sie wollen, nenne ich Ihnen sogar die Namen. Aber das bedeutet doch nicht, dass ich sie umbringe, um mich selbst zu bereichern! Ich verdiene in dieser Position ausgezeichnet. Ich bin mit meinem Leben zufrieden. Ich habe nicht den geringsten Grund, es zu verändern oder gar kriminell zu werden. Sehe ich denn aus wie eine Mörderin?“
„Nein“, erwiderte Bount wahrheitsgemäß.
Jill stieß die Luft aus. „Vielen Dank“, meinte sie sarkastisch. „Sie sind wahrhaftig ein harter Mann. Sie schlagen einem die Verdächtigungen um die Ohren, dass es nur so kracht. Ich wusste nicht, dass Nick tot ist. Jetzt, wo es mir zu Ohren gekommen ist, werde ich die Polizei anrufen und mich als Zeugin zur Verfügung stellen, das verspreche ich Ihnen. Ich befürchte nur, ich werde kein Licht in das Verbrechen bringen können. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer den armen Nick auf dem Gewissen hat.“
„Wo hat er gelebt, ehe er nach New York kam?“
„Im Mittelwesten. In einer Fünftausend-Seelen-Gemeinde“, erwiderte Jill. „Er hat mir einmal den Namen des Ortes genannt, aber ich habe ihn vergessen.“
„Er hieß nicht Gringer. Der Name war erfunden.“
Jill starrte ihm ins Gesicht. „Warum denn das?“, fragte sie verblüfft.
„Ich weiß es nicht. Seine Papiere waren falsch. Der Polizei zufolge handelte es sich um ganz erstklassige Fälschungen, um Profiarbeit.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Es beweist, dass Nick einiges zu verbergen hatte. Fest steht allerdings, dass er nicht zu den gesuchten, registrierten Verbrechern gezählt haben kann. Seine Prints sind in Washington nicht gespeichert.“
„Würden Sie mir einen Gefallen tun, bitte?“
„Das hängt davon ab, wie er beschaffen sein soll“, meinte Bount vorsichtig.
„Arbeiten Sie für mich.“
„Wie stellen Sie sich das vor?“
„Als Privatdetektiv sind Sie auf die Honorare Ihrer Klienten angewiesen. Lassen Sie mich Ihre Klientin sein. Ich habe Nick nicht geliebt, aber er hat mir viel bedeutet. Es käme mir schäbig vor, wenn ich nicht alles menschenmögliche versuchte, um sein schreckliches Ende klären und sühnen zu lassen. Sind Sie sehr teuer?“
„Kommt ganz darauf an, was Sie darunter verstehen. Qualität kostet Geld. Ich unterhalte ein großes Büro mitsamt Stab und bekenne mich zu der Schwäche, nicht schlechter als andere leben zu wollen. Billig bin ich also nicht“, schloss Bount. .
„Nein, das halte ich nicht durch“, seufzte Jill Lark. „Am Ende fordern Sie ein paar Hunderter für den Tag. Falls die Aufklärung der Sache Wochen oder Monate in Anspruch nehmen sollte, müsste ich dabei pleite gehen. Schade! Ich würde wirklich gern etwas tun, um Ihnen zu beweisen, wie viel mir daran liegt. Nach Lage der Dinge werde ich mein Angebot wohl zurückziehen müssen.“
„Ich räume Ihnen einen Sondertarif ein“, sagte Bount. „Zweihundert, pro Tag. Was halten Sie davon?“
Jill Lark presste die Lippen zusammen und überlegte. Dann sagte sie: „Einverstanden. Aber wenn Sie nach zwei Wochen nicht vorangekommen sind, muss ich aussteigen.“
„Bis dahin ist alles klar“, versprach Bount.
„Was macht Sie dessen so sicher?“
„Ich habe da so meine Erfahrungen“, meinte er. „In einer Woche wissen wir mehr.“
„Wer hat Ihnen gesagt, dass Nick mit mir befreundet war?“, erkundigte sich Jill.
„Das ist eine lange, wenn auch keineswegs uninteressante Geschichte“, meinte Bount. „Ich will sie Ihnen erzählen. Oder halte ich Sie auf?“
„Keineswegs“, meinte Jill und holte eine Thermoskanne aus ihrem Schreibtisch. „Um diese Zeit gehe ich sonst zum Essen. Ich teile mir mit meinem Chef die Mittagspause, aber da er nicht da ist, muss ich die Stellung halten, wegen des Telefons“, erklärte sie und füllte eine Tasse mit Kaffee. Sie musterte Bount fragend. „Nehmen Sie auch eine?“
„Danke, nein.“
„Sprechen Sie nur weiter“, bat Jill, dann trank sie.
„Tja, was soll ich Ihnen sagen? Ich habe mit dem Hoteldetektiv vom ,Roosevelt' gesprochen und erfahren, dass Gringer mit einer Begleiterin in einem taubenblauen Kostüm gesehen wurde, mit einer sehr attraktiven, jungen Dame. Außerdem hat der Detektiv Gringer einmal im Gespräch mit einem Ramschladenbesitzer in der 42ten Straße gesehen. Ich bin also losgezogen, um mit dem Geschäftsmann zu reden. Ich habe ihm Gringers Foto vorgelegt. Der Ladenbesitzer winkte ab, nein, er kenne den Mann nicht. Das war, wie ich inzwischen weiß, gelogen.“
„Tatsächlich? Warum hat er bestritten, Nick zu kennen?“, fragte Jill,
„Das weiß ich nicht, aber er dürfte seine Gründe gehabt haben“, sagte Bount. „Ich ging und kehrte nochmals in den Laden zurück, um eine Frage zu stellen, die ich vergessen hatte. Dabei stieß ich auf einen Toten, auf einen Mann, der sich Blacky nannte und Don Keller hieß. Der Ladenbesitzer hatte ihn in Notwehr getötet. Jetzt frage ich mich, was Blacky von dem Mann wollte.“
„Das Ganze wird ja immer schlimmer und furchtbarer“, murmelte Jill Lark.
„Es kommt noch besser“, sagte Bount. „Als ich den Laden verließ, weil ich keine Lust verspürte, von der Polizei in lange Befragungen verwickelt zu werden, entdeckte ich im Schaufenster des Ladens ein taubenblaues Kostüm mit exakt dem Hütchen, das der Hoteldetektiv mir beschrieben hatte. Ich wandte mich an den Verkäufer und erfuhr, dass das Kostüm ein einziges Mal verkauft worden war, nämlich an Gringer. Er muss es für Sie erstanden haben. Da der Verkäufer sich an Ihre Adresse erinnerte, hatte ich keine Mühe, Sie aufzuspüren.“
„Das ist wirklich toll“, murmelte Jill. „Ja, Nick hat mir so ein Kostüm geschenkt. Der Rock war ein bisschen zu weit. Ich habe ihn mir enger machen müssen.“
„Ich habe da eine Theorie entwickelt“, sagte Bount. „Wollen Sie sie hören?“
„Ja, bitte, schließlich bezahle ich Sie dafür“, meinte Jill mit einem Anflug von Spott.
„Gringer wurde gesucht. Nicht von der Polizei, sondern von der Unterwelt. Es ist nicht auszuschließen, dass irgendein Syndikat Fotos von Gringer verteilt hat. Gringer sah das Kostüm in dem Laden, ging hinein und kaufte es. Der Ladenbesitzer merkte, dass er den Mann vor sich hatte, der gesucht wurde und versuchte Gringer aufzuhalten. Ehe Gringers Gangsterfreunde auftauchten, hatte Gringer sich abgesetzt. Vielleicht war ihm Leicesters Gesprächigkeit verdächtig vorgekommen. Es kann aber auch sein, dass der Ladenbesitzer sein eigenes Süppchen zu kochen versuchte und das Syndikat mit falschen Informationen fütterte. Jedenfalls kam das Syndikat zu dem Schluss, dass Hugo Leicester für sein Doppelspiel bestraft werden müsse, deshalb schickten sie ihm Blacky auf den Hals. Leicester kehrte den Spieß um und killte den Killer.“
„Unglaublich“, murmelte Jill, „aber was hat das alles mit Nick zu tun? Warum sollte er von der Unterwelt gejagt worden sein?“
„Es ist zu vermuten, dass er sich mit Geld oder Vermögenswerten ausstattete, die die Mafia als ihr Eigentum betrachtete“, sagte Bount.
„Wer hat das Geld jetzt?“
Bount lächelte. „Die Mafia hat es sich zurückgeholt. Es kann aber auch sein, dass Sie es an sich genommen haben.“
Jill runzelte die Augenbrauen. „Ich finde das gar nicht witzig“, sagte sie.
„Ich will nicht witzig sein“, stellte Bount klar. „Immerhin geht es um Mord.“
„Ich bezahle Sie nicht, um mich von Ihnen beleidigen zu lassen“, meinte Jill giftig.
„Erstens haben Sie mich noch nicht bezahlt, und zweitens bin ich zwar bezahlbar, aber nicht käuflich. Mit anderen Worten: Wenn sich herausstellen sollte, dass Sie bei unserer Zusammenarbeit die Prinzipien von Treu und Glauben verletzt haben, können Sie nicht erwarten, dass ich loyal zu Ihnen stehe. Sie wären nicht der erste Klient, der im Laufe der Ermittlungen zu meinem Gegner wurde.“
„Sie haben wirklich eine reizende Art mit Ihren Klienten umzuspringen“, nörgelte Jill und holte das Scheckbuch aus ihrer Tasche. „Sie bekommen Eintausend als Anzahlung“, entschied sie und griff nach dem Kugelschreiber. Ehe sie das Scheckformular ausfüllte, nahm sie einen weiteren Schluck aus ihrer Kaffeetasse. „Ich bekomme doch das zu viel Bezahlte zurück, falls sie schon morgen oder übermorgen fündig werden sollten?“, fragte sie.
„Das versteht sich von selbst.“
Jill unterschrieb den Scheck, löste das Formular aus dem Heft und überließ es Bount.
„Danke“, sagte er und steckte es ein.
Jill legte den Kugelschreiber aus der Hand, Sie starrte ins Leere. Es schien, als husche ein Schatten über ihre Gesichtszüge. „Mein Gott“, flüsterte sie.
„Was ist?“, fragte Bount.
„Mein Magen. Mir ist auf einmal ganz schlecht. Sollte was mit dem Kaffee...?“
Sie führte den Satz nicht zu Ende. Bount nahm die Tasse an sich. Er roch daran, ohne etwas Verdächtiges wahrzunehmen. Jill Lark erhob sich. Sie schwankte ein wenig und begann plötzlich zu zittern.
„Einen Arzt“, stammelte sie. „Rasch einen Arzt!“
Sie wäre zusammengebrochen, wenn Bount nicht blitzschnell reagiert hätte. Er rannte um den Schreibtisch und fing das in den Knien einknickende Mädchen auf. Er bettete es kurzerhand auf die Schreibtischplatte, griff nach dem Telefon und wählte den Notruf.