Читать книгу Western Ferien Sammelban 9018 - 9 Romane um Gunfighter und Helden - Pete Hackett - Страница 56
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ОглавлениеCarlo Janos war es gelungen, den Campesinos neuen Mut einzuflößen. Sie hatten nun wieder eine Aufgabe, an der sie sich aufrichten konnten. Der Gedanke an eine neue Heimat, die ihnen schon bald gehören sollte, verdrängte die quälenden Schuldgefühle, mit denen sie sich herumschlugen, seit sie in Tinayas Altas das erste Kleidungsstück, das ihnen nicht gehörte, von der Wäscheleine rissen.
Jetzt am Abend ließ sich über alles besser reden als tagsüber unter der sengenden Sonne. Der Abend hatte etwas Friedliches, und sie liebten nichts so sehr wie den Frieden und die Ruhe.
Sie hatten ein Tal gefunden, das wohl nicht geeignet war, um ihnen eine neue Heimat zu bieten, in dem sie aber wenigstens ungestört die Nacht verbringen wollten. Hier in der öden Einsamkeit würde sie niemand suchen. Außerdem hatte Carlo Janos die Auffassung verbreitet, dass man ihnen schon längst gefolgt wäre, wenn sich wirklich von den Beraubten oder deren Marshals jemand mit ihnen hätte anlegen wollen.
„Sie wagen nicht, uns zu folgen“, hatte er gesagt. „Und wenn sie es doch tun, werden sie wieder Prügel beziehen.“
Natürlich waren sie entschlossen, sich gegebenenfalls mit ihren Knüppeln und den wenigen Gewehren, über die sie verfügten, zu verteidigen, aber es war ihnen doch lieber, wenn die Gringos sie in Ruhe ließen. Sie würden auch nie mehr stehlen oder sonst etwas Verbotenes tun.
Die Frauen hatten ein kleines Feuer angezündet, während die Männer in einiger Entfernung begannen, einfache Zelte aufzuschlagen. Anna, die hübsche Frau von Pablo Santos, begann sogar ein mexikanisches Volkslied zu singen. Von den wilden, zerklüfteten Bergen war darin die Rede und von den weiten Ebenen, in denen die Freiheit ihre Hütten baut. Die Frau zerdrückte verstohlen ein paar Tränen.
Maja trat zu ihr.
„Du musst nicht mehr weinen, Anna“, flüsterte sie tröstend. „Jetzt wird alles wieder gut. Carlo hat es gesagt.“
Anna sah die Jüngere bewundernd an. Woher nahm sie nur die Kraft? Sollte sie sich beschämen lassen? Hatte sie etwa mehr verloren als alle anderen?
Gemeinsam gingen sie zu den übrigen Frauen, die bei den Kindern saßen und warteten, dass das Lager für die Kleinsten fertig wurde. Die allgemeine Stimmung war zuversichtlich. Die bedürfnislosen Campesinos sahen erleichtert einer Nacht entgegen, in der sie ruhig schlafen würden, beschützt von der Santa Maria und den unwegsamen Felsen, die einen schwer zugänglichen Wall um ihr ärmliches Lager legten.
Doch sie ahnten nicht, dass gerade in diesen Felsen das Verderben lauerte. Die Berge, die sie schützen sollten, wurden zum niederträchtigen Verräter.
Die raubeinigen Männer, die sich an die kahlen Felsen drängten, bewegten sich wesentlich vorsichtiger als die harmlosen Bauern, und sie fanden noch ihren Spaß an deren Ahnungslosigkeit.
„Sie führen sich wie die Kinder auf“, stellte Fred Steel amüsiert fest. „Sie singen und haben ihr Lager weit auseinandergezogen.“
„Die Hauptsache ist, dass sie keine Wachen aufgestellt haben“, raunte Maxwell Hook. „Wie kann man nur so beschränkt sein? Die Gegend ist wild und unbekannt für sie, aber, sie benehmen sich, als säßen sie zu Hause hinter ihrem Herd.“
„Typisches Bauernvolk“, sagte Henry Carter verächtlich und schob sein kantiges Kinn vor. „Unsereins würde sich da anders verhalten, aber die fordern ja einen Überfall geradezu heraus.“
„Geht es jetzt los?“, fragte John Millis ungeduldig. Ihn interessierte nicht, ob sich die Campesinos richtig oder unvorsichtig verhielten, er wollte endlich zuschlagen. Hinter seiner niedrigen Stirn hatte nur ein Gedanke Platz, und der hieß: Gewalt.
Der Boss der Waffenschmuggler bremste ihn.
„Nicht so hitzig, John! Du kriegst schon noch deinen Spaß. Die Burschen erleichtern uns unseren Plan zwar außerordentlich. Trotzdem ist es nicht nötig, dass wir in eine ihrer Kugeln rennen, falls es doch einem einfällt, nach der Knarre zu greifen.“
„Dann füllen wir den Burschen eben mit Blei.“ John Millis war schnell fertig. Komplizierte Überlegungen und Kombinationen waren nicht sein Fall. Bei ihm musste sich was rühren, nur dann fühlte er sich so richtig wohl.
„Du hast heute nicht deinen besten Tag“, sagte Maxwell Hook unzufrieden. „Weißt du nicht mehr, was wir abgesprochen haben?“
„Klar! Wir wollen das Gesindel mit über die Grenze nehmen.“
„Stimmt! Es ist zwar völlig egal, ob dabei ein paar von ihnen draufgehen, aber vorher müssen sie noch für uns arbeiten. Sterben werden sie noch früh genug. Notfalls sorgt ihr eigener Gouverneur dafür.“ Sein grobknochiges Gesicht füllte sich mit Hohn. Der behaarte Bandit sah in den vom Schicksal gebeutelten Mexikanern nichts weiter als Spielsteine, die er für seine Zwecke benutzen und nach Belieben hin und her schieben konnte.
Al Burn strich sich gelangweilt über seinen Schnurrbart.
„Ein paar knackige Weiber haben sie dabei. Ein Jammer, dass sie diese Fetzen tragen.“
Fred Steel grinste und leckte sich die Lippen.
„Das kannst du ja ändern, Al. Aber wahrscheinlich sind sie dir zu dreckig.“
„Das kannst du laut sagen. Meinst du, ich gebe mich mit solchen mexikanischen Schlampen ab? Die schreien doch bloß gleich und fangen zu beten an. Mit denen hat man keinen Spaß.“
„Haltet jetzt euer Maul!“, fuhr Maxwell Hook seine Männer an. „Ihr schreit, dass man es bis Mexiko hinüberhört. Wollt ihr, dass sie uns bemerken? Die Kerle da unten sind noch mit ihren Zelten beschäftigt. Ich denke, jetzt ist der geeignete Moment. Al und Fred, ihr passt auf, dass die Burschen vernünftig bleiben. Wir anderen schnappen uns die Weiber. Die Dürre dort mit den Zöpfen scheint zu ihrem Anführer zu gehören. Die haben ein Balg. Wenn wir die beiden erwischen, ist die Sache schon gelaufen.“
Die Banditen fielen über die ahnungslosen Frauen her, als diese sich in völliger Sicherheit wähnten. Im Nu waren einige von ihnen überwältigt. Sie hatten noch keinen Revolver an ihrer Schläfe gespürt, jetzt sagte ihnen der hässliche, kalte Druck, dass sie sich zu früh gefreut hatten. John Millis drohte sogar, den kleinen Mano zu erschießen, falls Maja nicht vernünftig wäre.
Den Frauen blieb fast das Herz stehen. Was waren das für Kerle, die so brutal sein konnten? Sie hatten sie noch nie in ihrem Leben gesehen.
Carlo Janos sah mit Entsetzen, was geschehen war. Wilder Zorn packte ihn. Es war seine Schuld, das sah er jetzt ein. Er war zu nachlässig gewesen. Zumindest hätte er ein paar Wachen aufstellen müssen. Aber es hatte ihn keiner gelehrt, wie ein misstrauischer Bandit zu handeln. Sie waren nichts weiter als Bauern, die ihre Ruhe haben wollten.
Sie wollten nicht kämpfen, sie waren seit jeher eher fortgezogen, als sich einer blutigen Auseinandersetzung zu stellen. Ihre Fäuste waren an den Umgang mit Werkzeugen und nicht mit Waffen gewöhnt. Wenn sie auch in den letzten Tagen geplündert und andere Menschen geschlagen hatten, so war dies doch nur aus reiner Not geschehen. Schließlich wollten sie überleben. Und jetzt erschienen diese finsteren Gestalten und bedrohten ihre Frauen und Kinder.
Mit einem wütenden Aufschrei riss er sich von Bolo Montana los, der ihn zurückhalten wollte. Er hielt noch einen Hammer in der Hand, den er beim Errichten der Zelte benutzt hatte. Fred Steel sprang ihn von der Seite an, aber er duckte sich und hetzte weiter. Und jetzt stand er keuchend vor Maxwell Hook und schwang den Hammer, obwohl der andere seine Frau mit dem Revolver in Schach hielt. Der Anführer der Bande erwartete den Verzweifelten mit tückischem Glitzern in den Augen. Er steckte sein Schießeisen rasch in den Gürtel und ließ seine langen Arme pendeln. Besser konnte er es gar nicht erwischen. Wenn er diesem Kerl einen gehörigen Denkzettel verpasste, war das wirkungsvoller als eine Kugel. Er wartete, bis Carlo Janos mit aller Kraft zuschlug. Da wich er wie ein Puma aus und wuchtete beide Fäuste vor.
Maxwell Hook kannte kein Erbarmen. Während Maja vor Entsetzen schrie und der kleine Mano laut zu weinen anfing, knüppelte er den Campesino zusammen. Maja wollte sich über ihn beugen, aber Hook schleuderte sie brutal zurück.
„Er ist noch nicht krepiert“, fauchte er. „Aber wenn einer von euch miesen Maisdreschern das Gleiche versuchen sollte, stecke ich ihm ein Stück Blei in seinen ausgemergelten Bauch. Ich hoffe, dass das klar ist.“
Es war klar. Aber Juan Diego ergriff unbändiger Zorn, als er mitansehen musste, wie Carlo Janos zusammengeschlagen wurde und sich schon längst nicht mehr verteidigen konnte, während der Bandit nicht von ihm abließ. Hastig stürzte er in eins der halb fertigen Zelte und holte eins der Gewehre heraus, das sie bei ihren Überfällen erbeutet hatten. Er fühlte, dass er handeln musste. Carlo Janos war dazu nicht mehr in der Lage. Es gelang ihm nicht, auch nur einen Schuss abzugeben. Im Nu waren Al Burn und Fred Steel bei ihm, die ihm das Gewehr aus der Hand rissen und anschließend auf den Kopf schlugen. Juan Diego konnte eine Kleinigkeit vertragen. Er hatte in seinem Leben schon eine Menge Prügel einstecken müssen. Sein gebrochenes Nasenbein und die zahlreichen Narben in seinem Gesicht zeugten davon. Doch den beiden Banditen war er hilflos ausgeliefert. Keiner der anderen Campesinos wagte es, ihm beizustehen. Die brutalen Kostproben hatten ihnen sämtlichen Mut genommen. Wenn schon die beiden Stärksten ihrer Gruppe nichts ausrichteten, wäre ihr Eingreifen reiner Selbstmord gewesen, den sie trotz allem riskiert hätten, wenn er etwas genutzt hätte.
Aber die fünf Männer hatten längst gewonnen. Auch Juan Diego wälzte sich jetzt unter Schmerzen am Boden. Die Banditen trieben alle Männer, Frauen und Kinder zusammen und bedrohten sie mit ihren Revolvern und den Gewehren, die sie bei den Campesinos gefunden hatten.
„Das haben sie sich selbst zuzuschreiben“, sagte Maxwell Hook kalt und deutete auf die beiden Zusammengeschlagenen. „Ich hatte sie gewarnt.“
Die Überfallenen drängten sich dicht zusammen. Die Frauen durften sich um die Verletzten kümmern. Zum Glück hatten sie nichts gebrochen, aber sie sahen beide entsetzlich aus. Sie dienten für alle anderen Mexikaner als eindringliche Abschreckung, aber es verfiel ohnehin niemand mehr auf den abwegigen Gedanken, Widerstand zu leisten.
„Ihr seid ganz miese Zwerge“, sagte Maxwell Hook. „Geht frech über die Grenze und klaut uns Amerikanern das letzte Hemd. Aber damit ist es vorbei. Für Leute wie euch hat man hierzulande wirkungsvolle Gesetze.“
Bolo Montana übernahm notgedrungen die Rolle des Sprechers. Jetzt war das geschehen, was er schon immer befürchtet hatte. Von Anfang an war er gegen die Plünderungen gewesen, wenn er auch gerechterweise zugeben musste, dass er keinen besseren Weg gewusst hatte.
„Ihr werdet uns doch nicht etwa einem Marshal ausliefern?“, fragte er verzweifelt.
„Was hattet ihr gedacht? Marshal Erdoes in Cabeza Prieta wird sich sicher freuen, euch Halunken wiederzusehen.“
„Ihr wisst ...?“
Maxwell Hook lachte brutal.
„Natürlich wissen wir das. Wir wissen überhaupt alles, was ihr in den letzten Tagen getrieben habt, seit ihr aus Mexiko abgehauen seid. Ihr scheint noch nicht zu ahnen, dass längst ein Aufgebot hinter euch ist. Die Männer werden uns dankbar sein, dass wir ihnen die Arbeit abgenommen haben.“
Bolo Montana hörte, wie die Frauen hinter ihm weinten. Alle Hoffnung war auf einen Schlag wieder dahin, ihre Lage war entsetzlicher als je zuvor. Wenn es ihm nicht gelang, diese Leute umzustimmen und sie laufenzulassen, hatten sie nichts Gutes zu erwarten.
„Wir wollten nichts Unrechtes tun“, versicherte er. „Wir waren in Not. Unsere Kinder schrien vor Hunger.“
„Erzählt das dem Marshal! Vielleicht rührt ihr ihn mit euren Ausreden zu Tränen. Was leugnet ihr noch? Schließlich seid ihr beobachtet worden. Ihr habt wie die Wilden geplündert. Ihr habt mehr genommen, als ihr gebraucht hättet.“
„Wir werden alles wieder zurückgeben. Wir wollen arbeiten und die Bestohlenen entschädigen.“
„Das hättet ihr euch früher überlegen sollen. Ihr seid nun mal zu Verbrechern geworden. Da könnt ihr jetzt nichts mehr ändern. Allerdings ...“
„Allerdings?“ Bolo Montana schöpfte neue Hoffnung. Gab es doch noch eine Möglichkeit? War die Lage nicht gar so verzweifelt, wie er befürchtet hatte? Maxwell Hook genoss die nächsten Worte. „Ihr scheint ganz brauchbar zu sein. Wenn ihr tut, was ich euch befehle, könntet ihr eventuell mit unserem Schutz rechnen.“
Die mexikanischen Frauen atmeten erleichtert auf. Da war der Hoffnungsschimmer. Man bot ihnen eine Chance. Sie würden wieder in ein ordentliches, anständiges Leben zurückkehren können.
„Was sollen wir tun?“, fragte Bolo Montana. Er war nicht ganz so zuversichtlich. Diese rücksichtslosen Männer schienen ihm nicht von jener Sorte zu sein, ihnen ein faires Angebot zu unterbreiten.
„Ihr habt jetzt Übung“, erklärte der Bandenführer gnadenlos, „und für euch selbst habt ihr nun wohl genug geraubt. In Zukunft werdet ihr für andere arbeiten.“
„Stehlen?“, fragte der Mexikaner entsetzt.
„Ist dir das Wort so fremd, du dunkelhäutiger Strolch? Was spielt es noch für eine Rolle, ob ihr das, was ihr einmal begonnen habt, fortsetzt? Denkt daran! Der Marshal wartet nur darauf, euch in die Finger zu kriegen. Dann habt ihr nichts zu lachen. Ihr habt geplündert, also ist es egal, wenn ihr dabei bleibt. Die Strafe ist sowieso dieselbe, falls man euch erwischt.“
Die Banditen lachten roh. Sie weideten sich an der Verzweiflung der völlig zerstörten Campesinos. Der Boss war schon ein gerissener Hund. Der wusste, wie man dieses Pack anfassen musste. Sein Plan ging wieder mal bestens auf.
Anna und Maja schluchzten verhalten. Mit tränenverschleierten Augen blickten sie auf die Kinder. In welchem Elend mussten sie aufwachsen? Nahm denn das Unglück, das über sie hereingebrochen war, überhaupt kein Ende? War es da nicht besser, auf fremder Erde zu sterben, als dieses qualvolle Leben als Verbrecher fortführen zu müssen?