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Die Pockenepidemie griff in Saquarra mit einer geradezu atemberaubenden Geschwindigkeit um sich.

Doc Dan Hillary, der sechzigjährige einzige Arzt in der Stadt, gelangte kaum noch zur Besinnung. Schaffte er es, sich in seine schmuddelige Praxis zurückzuziehen, sank er gleich auf die Pritsche und schlief fest und traumlos, bis er, meistens schon nach weniger als einer halben Stunde, erneut gerufen wurde.

Seit dem letzten Tag hingen seine Schultern noch mehr als früher nach unten. Er spürte Hoffnungslosigkeit, wähnte sich der grassierenden Seuche längst nicht mehr gewachsen und musste begreifen, dass alle seine Mittel mehr oder weniger nutzlos geschluckt wurden.

Immer häufiger zog er auch die Whiskyflasche aus dem Arzneischrank und genehmigte sich mehr als früher, obwohl er dem Alkohol immer stark zusprach. Seltsamerweise spürte er keinerlei Benommenheit, als habe sich der Whisky in Wasser verwandelt.

Der hochgewachsene Mann mit dem krummen Rücken, der ungesund grau aussehenden Hautfarbe, den blutleeren Lippen und den Tränensäcken unter den Augen bewegte sich wieder einmal auf sein Haus zu, hoffend, diesmal wenigstens eine Stunde Schlaf zu finden.

Fleet Tilden, fünfundfünfzig, Totengräber von Saquarra, stand in einer Nische im Schalten und schien zu grinsen. Er war ein schmächtiges Männchen, das an eine Krähe erinnerte, steckte in einem abgetragenen Frack und trug auf dein fast kahlen Schädel einen speckigen Zylinder.

Hillary blieb stehen.

„Na, Doc, wie geht das Geschäft?“ Tilden lachte widerlich. „Wir zwei stecken in einer Hochkonjunktur, was?“

Hillary ekelte der Kerl an, darum hastete er rasch weiter.

Aber schon am nächsten Haus hielt ihn der Wagenbauer Olsen, ein kleines, rundliches Männchen mit weißgrauen Haaren, an. „Wieso wird kein Prediger geholt, Doc? Jetzt sind schon fünf Leute gestorben und werden hopp-hopp verscharrt. Ohne den Segen der Kirche!“

„Einen Prediger hatten wir nie. Und wenn wir die Toten nicht rasch unter die Erde bringen, stecken sich immer mehr von uns an!“

Der Wagenbauer schüttelte den Kopf. „Wieso sind Sie gesund?“

„Was?“ Hillary trat zurück.

„Na ja, Sie kamen doch vor allem mit diesem fremden Marshal in Berührung.“

„Ach so. Ich weiß es nicht. Jedenfalls habe ich ihn sofort isoliert.“

„Das meinte ich doch eben, Doc. Nur Sie hatten mit ihm Kontakt. Aber Sie sind offenbar noch völlig gesund, während die anderen einer nach dem anderen erkranken und abfahren.“

Doc Hillary blickte an dem Wagenbauer vorbei durch die Stadt. Genau das war der Punkt, den er selbst nicht begriff.

„Wenn man eine Weile darüber nachdenkt, muss man zu dem Schluss gelangen, dass die Ansteckung nicht von dem fremden Marshal ausgeht, den der Wells Fargo Mann in die Stadt brachte.“

„Stimmt.“

„Aber wo stecken die Leute sich dann an?“

Sie blickten beide durch die Stadt, als müsse ihnen ein Haus auffallen, von dem die Seuche ausging.

„Lebt er eigentlich noch, Ihr Marshal?“

„Ja.“

„Seltsam. Er hält es tagelang durch, andere rafft es binnen weniger Stunden dahin.“

„Bis jetzt sind bei uns nur recht betagte Leute gestorben, Mister Olsen. Wenn man mal über die sechzig ist, hat man eben nicht mehr die Abwehrkräfte wie ein jüngerer Mensch. Entschuldigen Sie, ich möchte versuchen, mich ein paar Minuten aufs Ohr zu legen.“

„Ja, gehen Sie nur. Aber dass wir keinen Prediger hier haben, das ist schlimm!“

„Sagen Sie Ihren Leuten, dass keiner zu der Hütte gehen soll, in der die Kranken liegen, Mister Olsen.“

„Das habe ich denen schon eingeschärft.“ Der Wagenbauer wandte sich ab.

Hillary schaute wieder durch die Stadt. „Es ist wirklich seltsam“, murmelte er kopfschüttelnd, lief weiter und erreichte sein Haus.

Aber statt Ruhe zu finden, fand er einen jungen Mann, der grünlich im Gesicht auf einem Stuhl hing.

„Jace?“, fragte der Arzt überrascht und ließ seine Instrumententasche aus der Hand fallen. „Was ist denn mit dir los?“

„Durchfall, Doc!“ Schwerfällig stemmte sich der junge Mann in die Höhe und presste die Hand auf den Leib. „Und Krämpfe. Im Magen! Fürchterlich.“

Hillary setzte sich auf die Krankenpritsche.

Der junge Mann sank zurück. „Jetzt hat es mich auch erwischt.“ Hillary schüttelte den Kopf. „Das ist kein Anzeichen für die Pocken, Jace.“

„Nein?“

„Ganz sicher nicht.“ Hillary erhob sich. „Das ist etwas anderes. Und du bist auch nicht er erste, der darüber in den letzten Stunden klagt. Was ist das nur?“

Doc Hillary wandte sich dem Fenster zu und schaute auf die verstört durch die Stadt laufenden Menschen, ohne sich dessen bewusst zu werden. „Was kann ich nur dagegen tun?“ Der Arzt ging zum Wandschrank und schüttelte aus einer Blechdose ein schwarzes Pulver auf ein Stück Papier, faltete es zusammen und gab es dem jungen Mann. „Nimm das! Zweimal. Und wenn es morgen nicht besser ist, dann schicke deine Mutter noch mal hier vorbei.“

„Es ist bestimmt was anderes als die Pocken?“

„Ja, es ist etwas anderes.“ Hillary half dem jungen Mann auf die Beine und schob ihn zur Tür. „Irgendeine Unverträglichkeit. Vielleicht hast du zu altes Fleisch gegessen.“

„Nein, bestimmt nicht.“

„Oder verschimmeltes Brot?“

„Bei uns wird Brot nie so alt, dass es verschimmeln könnte, Doc. Wir sind keine reichen Leute.“

„Ich komme bei euch vorbei.“

„Heute noch?“

„Sobald es klappt“, wich der Arzt aus, schob den jungen Mann endgültig hinaus und schloss die Tür.

Er musste sich auch noch um den Marshal kümmern, von dem er zuerst geglaubt hatte, er habe die Pocken auf andere Leute in der Stadt übertragen. Diesen Gedanken verwarf er indessen völlig. Und das Gespräch mit dem Wagenbauer bestärkte noch mehr seinen Verdacht, dass es in der Stadt selbst eine Quelle für die Epidemie geben musste.

„Aber wo“, murmelte er, wandte sich der nächsten Tür zu, öffnete sie und sah Marshal Rider auf dem weißgrauen Laken, eine Decke bis an den Hals gezogen. Der grauäugige, kantige Mann, noch vor wenigen Tagen eine markante, von Banditen gefürchtete Persönlichkeit, wurde immer mehr zu einem Schatten seiner selbst. Spitz stach die Nase aus dem fleckigen Gesicht, über das der Schweiß lief.

„Es ist seine Konstitution, die ihn noch durchhalten lässt“, sinnierte der Arzt laut, weil er sah, dass Rider im Augenblick schlief.

Er zog sich zurück und schloss leise die Tür, um den Patienten nicht aufzuwecken.

Endlich konnte er sich für eine Weile auf der Pritsche ausstrecken und die Augen schließen. Die Vorstellung, ein Seuchenherd könne sich unerkannt mitten in Saquarra befinden, bereitete ihm so großes Entsetzen, dass er erst keinen Schlaf finden konnte und dieses Bild gewaltsam verbannen musste. Und Jace, der zweite Fall von Durchmarsch und Magenschmerzen innerhalb kurzer Zeit? Dabei vertrugen die Mägen dieser Grenzlandbewohner seit eh und je eine Menge und auch mal leicht verdorbene Lebensmittel.

„Es kann nichts mit den Pocken zu tun haben“, murmelte er noch, dann schlief er ein.

Revolverhelden in der Stadt: Glorreiche Western Sammelband 7 Romane

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