Читать книгу Revolverhelden in der Stadt: Glorreiche Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 27
20
ОглавлениеMarshal Riders Zustand erschreckte mich. Obwohl ich ihn nur kurze Zeit nicht gesehen hatte, war die Krankheit unübersehbar vorangeschritten. Ich hatte Mühe, mir das Entsetzen nicht anmerken zu lassen, als ich seinen Blick spürte. Denn trotz des hohen Fiebers, das ihn peinigte, schien er völlig klar zu sein.
Chaco hielt sich ein bisschen im Hintergrund der Kammer und verschwand dadurch fast im Halbdunkel.
„Hat Hillary Ihnen gesagt, was ich habe?“ Die Stimme des US Marshals klang hohl, und die Worte drangen mühsam über seine blutleeren Lippen. „Ja, Sie wissen es, Carringo. Ich kann es Ihnen ansehen. Was haben Sie erreicht?“
„Der Wagen ist wieder in Saquarra“, erwiderte ich. „Aber Hansom lebt nicht mehr.“
Rider wollte sich aufrichten, sank aber stöhnend zurück. „Erschossen worden?“
Ich schüttelte den Kopf. „Er war ebenfalls krank.“
Riders Blick schien starr zu werden. „Pocken?“
Mir blieb nichts weiter übrig, als zu nicken.
„Dann habe ich eventuell von ihm …“ Rider brach ab.
„Er könnte vielleicht generell die Ursache sein. Deshalb müssten wir herausfinden, wo er auf der Flucht vor Ihnen überall gewesen ist, Marshal.“
Riders Konzentration schien nachzulassen. Erschöpft schloss er die Augen.
Aus dem Praxisraum blickte Hillary herein und schüttelte den Kopf, als sich unsere Blicke kreuzten, was sicher bedeuten sollte, dass ich von dem Marshal im Moment nichts mehr erfahren würde.
Auch Chaco trat näher.
Rider zwang sich, die Augen wieder zu öffnen, aber Hillary sagte: „Denken Sie an nichts mehr, Mister Rider. Versuchen Sie, zu schlafen.“
Riders Augen fielen zu.
Hillary zog mich zurück. „Es ist erstaunlich, welchen Lebenswillen er hat.“
„Das finde ich auch. Doc.“
„Haben Sie schon darüber nachgedacht, was Sie selbst jetzt zu tun gedenken?“
Ich blickte ihn fragend an.
„Hier in Saquarra kann jeder angesteckt sein“, fuhr der Arzt vorsichtig fort.
„Sie meinen, ich auch?“
„Jeder.“
Ich blickte auf Chaco. „Er will uns vermutlich sagen, dass wir die Seuche weitertragen könnten, wenn wir die Stadt verlassen. Ist es so, Doc?“
„Sie nehmen mir die Worte von den Lippen.“ Hillary lächelte müde.
„Aber wir haben hier praktisch keine Arbeit mehr“, gab Chaco zu bedenken.
„Ach, Sie können mir bei der Pflege der Kranken helfen. Arbeit gibt es in Hülle und Fülle!“
„Sie haben demnach an alles gedacht“, sagte Chaco.
„Ja, stimmt genau. Sogar daran, dass es hier für uns alle drei keinen Lohn für die Mühe geben wird. Die Leute verdienten nie mehr, als zum Überleben gerade nötig ist. Von ein paar unrühmlichen Ausnahmen natürlich abgesehen.“
„Zum Beispiel von diesem Totengräber, der die Leichen nur gegen Bares abtransportiert“, stellte Chaco fest
Mir war selbst schon klargeworden, dass es ausgeschlossen war, aus diesem Seuchensumpf einfach so nach Prescott zu reiten. Womöglich würden wir sie wirklich in die nächste Stadt tragen. Aber allein der Gedanke, wir könnten uns auch infiziert haben, ließ mich schaudern, da es dem Anschein nach keinerlei Rettung für die Betroffenen gab. Die einen starben schneller, andere langsamer. Einen weiteren Unterschied sah ich bisher nicht. Nach einigen Tagen war es schließlich für jeden vorbei.
Hillary blickte uns beide genau an, Chaco zog er sogar direkt unter die Lampe.
„Nein, bis jetzt zeigen sich bei Ihnen keinerlei Anzeichen.“ Hillary wandte sich um und ging in seine Praxis.
Wir folgten ihm. Chaco schloss die Tür der Kammer.
„Es ist vor allem wegen mir, was?“, fragte Chaco.
Hillary wandte sich um. „Was meinen Sie damit?“
„Ich habe Hansom und auch Douglas in dem Käfigwagen direkt berührt. Carringo hat keinen Kranken angefasst.“
„Es muss nicht unbedingt ein Kranker sein, Mister Chaco. Ein Kleidungsstück genügt. Da sitzt die Seuche drin und bildet eine Kultur, wie die Saatkartoffel in der Erde. Nur viel schneller und ergiebiger.“
„Mit anderen Worten, auf solchen Umwegen kann es mich früher umwerfen als dich“, sagte ich. „Also beruhige dich, Chaco. Wir müssen nicht wegen dir in der Stadt bleiben, sondern weil wir nun einmal in die Sache hineingeschlittert sind.“
„Sie haben es haargenau erfasst, Mister Carringo.“ Hillary setzte sich hinter seinen Schreibtisch und seufzte. „Inzwischen greift eine weitere Krankheit um sich, bei der ich keinen Zusammenhang mit den Pocken erkenne.“
„Was?“ Ich stützte die Hände auf die Schreibtischplatte und beugte mich vor.
„Durchfall und Magenschmerzen. Sogar Krämpfe. Der erste Fall lag am Nordende der Stadt, der zweite im äußersten Süden. Ein alter und ein junger Mann, die keine Verbindung zueinander haben und sich kaum kennen.“
Ich richtete mich auf. „Hängt so etwas nicht mit schlechter Ernährung zusammen? Mit verdorbenen Lebensmitteln?“
„Doch.“
„Kannten Sie das früher schon in Saquarra?“, fragte Chaco.
„Kaum. Die Menschen sind ziemlich immun gegen leicht verdorbene Waren, weil sie nur selten etwas essen, was direkt frisch ist. Man kann schließlich nicht nur die ersten zehn Steaks eines Rinds in sich reinquetschen und den Rest wegwerfen. Da ist schon schnell mal was angegammelt, ohne dass die Leute es merken müssen.“
„Also eine regelrechte Verseuchung“, stellte ich fest.
„Ja. Sieht ganz danach aus. Ich weiß bald nicht mehr, wo mir der Kopf steht“
Ich wandte mich ab und ging zur Haustür.
„Vielleicht fällt Ihnen irgend etwas auf, Carringo. Auch der kleinste Fingerzeig könnte wichtig sein.“
„Wir sperren Augen und Ohren auf“, versprach ich und verließ das Haus.
Chaco folgte mir und schloss die Tür. „Hättest du dir mal träumen lassen, dass uns eine Seuche daran hindert, nach Prescott zurückzukehren?“
„Wirklich nicht.“
„Du kannst Manuela nicht mal schreiben, weil das Papier der Weiterträger sein könnte.“
„Und weil sie von hier auch keinen Boten wegschicken“, setzte ich hinzu.
Die Straße lag ziemlich verlassen in der Nacht. Nur der zweirädrige Karren des Totengräbers tauchte bei den Hütten am westlichen Stadtrand auf.
„Wenn ich den sehe, denke ich an eine Eule“, flüsterte Chaco.
„Wieso das?“
„Keine Ahnung.“
„Mir sieht der eher wie ein Geier aus. Wie eine Krähe vielleicht auch noch.“
„Ja, sicher richtiger. Aber mich erinnert er an eine Eule. Ist schon verdammt merkwürdig.“
Mitten auf der Straße rollte der Karren mit dem Esel und dem abgerissenen Kerl im alten Frack vorbei. Er konnte uns im Dunkel unter dem Vordach sicher nicht sehen.
Alle Türen waren geschlossen.
Tilden hielt den Esel an.
„Noch Tote abzuholen?“, rief er durch die Straße.
Knarrend öffnete sich eine Tür. Lichtschein fiel bis zur Straßenmitte und traf den Wagen und das Tier davor. Zugleich erkannten wir die hinten aus dem Karren ragenden Beine von zwei Leichen.
„Madam?“, fragte Tilden die gebeugte Frau, deren Silhouette im Licht der Flurlaterne stand.
Sie vollführte hilflose Bewegungen und weinte schluchzend.
Tilden zog den speckigen Zylinder vom Kopf. „Mein herzlichstes Beileid, Madam. Der gnädige Herr war so ein gütiger Mensch. Gott hab ihn selig.“
„Heuchler!“, rief eine Stimme hinter einem Fenster, wo im Dunkel niemand zu erkennen war.
Tilden stülpte den Zylinder wieder auf den Kopf. „Es kostet zwei Dollar, Madam.“ Er ging auf die Frau zu, schob sie zur Seite und wartete im Flur, bis er sein Geld erhielt. Dann verschwand er für ein paar Augenblicke, trug aber gleich darauf einen Toten mit Hilfe eines alten Mannes aus dem Haus und lud ihn auf den Wagen. Der Mann kehrte zu der Frau zurück.
Tilden fuhr mit seinem Karren weiter. „Noch Tote abzuholen?“, schallte sein Ruf durch die Stadt.
Da sich keine weiteren Türen in der Hauptstraße öffneten, verschwand der zweirädrige Karren links um die nächste Ecke.
Gegenüber führte der alte Mann die schluchzende Frau ins Haus und schloss die Tür.
Verlassen lag die Straße vor uns in der Nacht. Hinter dem erleuchteten Fenster konnten wir Hillary in seiner Praxis sehen, der schwarzes Pulver auf weißem Papier verteilte. Kleine Portionen für eine wachsende Anzahl von Durchfall-Patienten, mit denen er rechnete.
Auf der anderen Stadtseite ertönte auf einmal Hufschlag. Immer lauter hallte das Pochen durch die Stadt. Unter dem Lichtkreis der ersten Straßenlaterne ritt schemenhaft ein Reiter hindurch.