Читать книгу Erbarmungslose Männer auf dem Höllentrail: Wichita Western Sammelband 7 Romane - Pete Hackett - Страница 22

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Es drang in der Tat nicht das geringste Geräusch herauf in Dr. Miguel Gomez‘ verschwenderisch ausgestattetes Frühstückszimmer, wo er ein halbes kaltes Spanferkel verschlang und einige Karaffen Wein dazu trank. Riesige Portionen verschwanden in seinem Mund wie Kadaver im Treibsand. Die Finger wischte er sich an der Schürze seines Mozo ab, ein Mexikaner wie alle anderen Bediensteten auch.

Er hatte sie überall aufgesammelt. Ihnen allen war eines gemeinsam – eine nur mehr hündisch zu nennende Ergebenheit gegenüber ihrem Boss. Denn zweifellos war Dr. Miguel Gomez eine Persönlichkeit, die andere Menschen in ihren Bann zu ziehen verstand.

Nach einem Fingerbad in angewärmtem Zitronenwasser suchte er sein Arbeitszimmer auf, wo er ungeheuer flink den freien Raum über Maria Letos Zeichen mit einer gestochenen Schrift füllte. Mit Siegellack brachte er sein Zeichen an. Dann ließ er das Blatt von zwei »Zeugen« unterschreiben, ihm ebenfalls ergebene Sekretäre aus seiner Kanzlei.

Danach dauerte es nicht mehr lange, bis ein Bote Doc Henderson ins Haus von Dr. Miguel Gomez geleitete.

Henderson war einer der anerkannten Ärzte der Stadt und zugleich deren zweiter Bürgermeister. Er schien von dieser frühen Störung nicht begeistert. Beinahe feindselig starrte er den Advokaten an, während der ihm mit seinen ausgestreckten fleischigen Ärmchen entgegenwatschelte.

»Ein fürchterliches Unglück ist geschehen«, empfing Gomez den Arzt noch unter der Tür. »Aber kommen Sie doch erst mal herein, Doc Henderson. Ich habe eine Patientin.«

»Unfall?«, fragte der ältere Arzt unfreundlich. Er schob sich seinen Kneifer höher auf die Nase, weil er ihm ständig herunterrutschte. »Seit wann beschäftigen Sie Frauen in Ihrem Haushalt?«

»Das arme Mädchen gehört nicht zu meinem Haushalt, Doktor. Einer meiner Diener hat es aufgelesen, als er heute früh zum Markt wollte, um einzukaufen. Natürlich ist er mit ihr sofort zurück in mein Haus gekommen, und ich ließ nach Ihnen schicken. Würden Sie die Patientin untersuchen?«

»Ist schließlich mein Job«, brummte Henderson übellaunig. Lieber hüpfte er nackt in eine Schlangengrube, als mit diesem aalglatten Anwalt zu tun zu haben. Doch sein Berufsethos verlangte es, dass er sich auch Fällen annahm, die ihm nicht schmeckten. Und Dr. Miguel Gomez war am allerwenigsten sein Fall. Er mochte diese Qualle nicht, hatte den Advocato nie gemocht, dem nachgesagt wurde, er habe seine Finger in allen möglichen dunklen Geschäften stecken, ohne ihm freilich jemals etwas nachweisen zu können.

»Wo ist die Patientin?«, fragte Doc Henderson und umklammerte seine Ledertasche mit dem chirurgischen Besteck fester. »Welche Verletzungen hat sie?«

»Das werden Sie gleich sehen«, antwortete Miguel Gomez händeringend. »Aber erschrecken Sie nicht, Doc. Hoffentlich können Sie diesem bedauernswerten Ding noch helfen. Ich habe das Mädchen in meine eigenen Räume bringen lassen. Es ist ja alles so furchtbar.«

»Hmm«, knurrte der Doc.

Er war groß und hager. Silbergrau war sein Haar. Über dem steifen Kragen bauschte es sich zu einer Künstlermähne. Doc Henderson schritt weit aus mit seinen langen Beinen, nahm immer zwei Stufen auf einmal, während er vor Gomez die Treppe in den ersten Stock hocheilte.

Dort musste er auf den Fettkloß warten.

»Dritte Tür links«, keuchte der. »Mein Schlafzimmer.«

Doc Henderson wartete nicht länger. Die bezeichnete Tür war angelehnt. Der Arzt schob sie ganz auf und verharrte erst einmal wie vom Donner gerührt.

Er hatte schon viele schlimme Verletzungen gesehen, doch dieser Anblick ließ auch den Magen eines abgebrühten Wundarztes revoltieren. Ein Glück, dass er noch nicht gefrühstückt hatte.

Auf einem von einem blauen Baldachin überspannten Bett lag ein Mädchenkörper, oder zumindest das, was davon geblieben war.

Der Arzt musste sich zusammenreißen, um seinen Blick nicht sofort wieder abzuwenden, doch er überwand sich überraschend schnell. Das blutige Bündel auf den seidenen Laken atmete noch. Mit ein paar Schritten stand er an der Seite des Mädchens.

Unverkennbar eine Mexikanerin. Früher musste sie einmal sehr hübsch gewesen sein. Und jung war sie auch. Ihr Gesicht war noch am wenigsten entstellt. Die Peitschenstriemen hatten sich vor allem tief in ihren Rücken gefressen. Manche waren so sehr aufgeplatzt, dass ohne Schwierigkeit ein Männerdaumen hineingepasst hätte.

Doc Hendersons buschige Brauen zitterten. Er griff nach einem der schlaff über die Bettkante hängenden Arme des Mädchens, tastete nach dem Puls.

Er schlug nur noch schwach, flatterte. Von einer Atemtätigkeit war nicht mal mehr ein leises Röcheln zu hören. Das Mädchen lag im Koma. Es würde das Bewusstsein nicht wiedererlangen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Kleine starb. Die Erfahrung sagte dem Arzt, dass sie möglicherweise nur noch Minuten zu leben hatte.

Doc Henderson arbeitete fieberhaft und wusste doch, dass jede Hilfe zu spät kommen musste. Sogar ein Grizzly wäre an diesen Verletzungen verendet. Und vor ihm lag ein zartes, etwas unterernährtes Mädchen.

Der Arzt nähte noch an den Wunden, als er bemerkte, dass sich die Brüste des Mädchens nicht mehr hoben und senkten. Er legte die Nadel aus der Hand und erhob sich ächzend.

»Sie ist totgeschlagen worden wie ein räudiger Kojote. Was für ein Mensch bringt so was nur fertig .«

Dr. Miguel Gomez hütete sich, die Frage des Arztes zu beantworten.

»War wohl nichts mehr zu machen«, meldete er sich scheinbar erschüttert. »Dacht ich mir‘s doch. Bedauernswertes Geschöpf. Selbstverständlich komme ich für die Beisetzungskosten auf.«

Doc Henderson wandte sich müde um.

»Sie kennen das Mädchen?«

»Das wäre zu viel gesagt. Ich kenne den Namen. Maria Leto. Geboren in Hermansillo und von Mädchenhändlern nach Texas verschleppt. Während ich Sie rufen ließ, erlangte sie nochmals das Bewusstsein. Sie hat noch eine Aussage machen können.«

»Das halte ich für ziemlich unmöglich, Señor Gomez.«

»Wirklich, lieber Doc Henderson?«

Der Arzt wand sich.

»Ausschließen kann ich es natürlich nicht. Aber ich halte es für ziemlich unwahrscheinlich.«

»Sie stimmen dennoch mit mir überein, dass dieses arme Kind ermordet worden ist?«

»Natürlich. Und zwar auf die bestialischste Weise, die mir je untergekommen ist.«

»Wenn auch nur die geringste Chance bestünde, den oder die Mörder zu bestrafen, sollte sie ergriffen werden, stimmt‘s, Doc Henderson?«

»Und ob!«, polterte der Arzt los. »Und ich würde mit Freuden den Totenschein ausstellen, nachdem dieses Tier gehängt wurde, das zu einer solchen Untat fähig ist. Das ist unmenschlich.«

»Da bin ich ganz Ihrer Meinung, Doc.«

»Haben Sie denn einen Verdacht?«

»Señorita Leto hat noch eine Aussage gemacht. Ich habe mich bereit erklärt, sie als Mandantin zu vertreten. Ich weiß, dass Sie als Arzt über die Leiden Ihrer Patienten zu Stillschweigen verpflichtet sind. Sie wissen, dass es sich bei uns Juristen nicht viel anders verhält. Señorita Maria Leto bleibt meine Mandantin, auch wenn Sie Ihnen unter den Händen starb, Doktor Henderson. Und sie bleibt es, bis ich mein Mandat freiwillig abgebe, was ich jedoch nicht tun werde. Der Gerechtigkeit freie Bahn, lautete schon immer meine Devise.«

Nur aus Respekt vor der Toten im Zimmer spuckte der Arzt dem Anwalt jetzt nicht ins Gesicht. Aus reiner Menschenliebe hatte Dr. Miguel Gomez noch keinen Finger krumm gemacht, das war stadtbekannt.

»Sie sollen ersticken an Ihrer Gerechtigkeit, Miguel Gomez«, meinte der alte Arzt aufgebracht. »Auch dann stell ich mit Freuden ‘nen Totenschein aus.«

»Wir wollen doch besser nicht persönlich werden, Mister Henderson. Wir beide wissen, was wir voneinander zu halten haben. Wir mögen uns nicht, und wir machen keinen Hehl daraus. Das ist mit ein Grund, warum ich ausgerechnet Sie zu Señorita Leto holen ließ. Wenn es soweit ist, werden Sie im Zeugenstand über die Todesursache meiner Mandantin aussagen. Selbstverständlich werde ich Sie dann als ihr Anwalt von Ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbinden. – Schicken Sie mir die Rechnung, Doc. Oder soll ich sie sofort begleichen?«

»Von Ihnen will ich nicht mal ‘nen rostigen Cent«, knurrte Doc Henderson, schloss die Arzttasche und drückte sich an Miguel Gomez vorbei aus dem Zimmer. »Ich werde sehr genau darauf achten, wie Sie den Tod dieses Mädchens benutzen, Señor Gomez«, sagte er auf dem Flur. »Und verlassen Sie sich drauf: Wenn ich Ihnen einen Strich durch eine schmutzige Rechnung machen kann, tu ich das.«

»Viel Glück, Mister Henderson. Verbindliche Grüße an die werte Frau Gemahlin.«

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