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Das Nebenzimmer des »Esplanada«, das auch als Konferenzraum genutzt wurde, war nicht bis zum letzten Platz besetzt.

Die meisten Stadtväter hatten sich verleugnen lassen, als der zweite Bürgermeister, Doc Henderson, für den Abend zu einer Ratsversammlung eingeladen hatte.

Auch der Lord Mayor fehlte. Angeblich lag er mit Kopfschmerzen zu Bett.

So fanden sich nur um die zwölf Mann von insgesamt dreißig ein, die die Geschicke El Pasos leiten sollten. Auf den Tischen standen Wassergläser, aus denen die mehr oder weniger beleibten Herren ab und zu missmutig nippten.

Unruhig rutschten sie auf ihren Stühlen herum. Obwohl keine Tagesordnung bekannt war, wusste doch jeder, worum es an diesem Abend ging – die drohende Lynchjustiz in der Stadt.

Doc Henderson führte den Vorsitz. Als sein Hammer auf die Tischplatte fiel, kehrte noch tiefere Ruhe ein. Durch die Wände hörten sie die Rufe der lynchwütigen Meute. Henderson ließ die Geräuschkulisse für einige Sekunden einwirken.

»Ich brauche nicht lange zu erklären, weshalb wir zusammengekommen sind«, begann er dann im Stehen und fixierte jeden einzelnen der Anwesenden mit seinen kalten grauen Augen. Seine Kiefer mahlten. »Um es kurz zu machen, meine Herren: Wir sind aufgerufen, etwas zu unternehmen. Sie alle kennen und schätzen Mister Saltillo. Und Sie kennen auch dieses furchtbare Gerücht, das die Runde in der Stadt macht. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, dass nichts, aber auch gar nichts dahintersteckt. Señor Saltillo ist am Tod dieses Mädchens so unschuldig wie Sie oder ich.«

Doc Henderson legte eine Pause ein, ehe er fortfuhr. Wieder fixierte sein harter Blick jeden einzelnen der Anwesenden, bis er an Judge Harris haften blieb.

Der Richter war um die Fünfundvierzig. Das Beeindruckendste an ihm war ein gepflegter Backenbart, an dem er jetzt nervös herumzupfte.

»Starren Sie mich nicht an, als würde ich auf der Anklagebank sitzen«, sagte Judge Harris scharf. »Der Haftbefehl wurde korrekt ausgestellt. Als Unterlagen hatte ich einen von Ihnen ausgestellten Totenschein zur Verfügung, aus dem die Todesursache einwandfrei hervorging, sowie ein ausführliches Protokoll, das mir Mister Gomez zukommen ließ.«

»Gomez!« Der Arzt sprach den Namen des Advokaten aus wie ein obszönes Schimpfwort. »Als ob auch nur einer in diesem Raum ist, der nicht weiß, was wir von diesem Mann zu halten haben. Sie müssten schon alle mit Blindheit geschlagen sein, wenn Ihnen nicht aufgefallen ist, dass dieser Moloch sich allmählich über die ganze Stadt ausbreitet und wie ein Krake seine Tentakel in alle möglichen Geschäfte steckt und sie schließlich an sich reißt. Er ist ein Blutsauger …«

»Mäßigen Sie sich, Doc!«, fuhr Moneray, der größte Bankier der Stadt, dazwischen. »Behaupten Sie nichts, was Sie nicht beweisen können. Mister Gomez ist ein ehrbarer Bürger dieser Stadt. Er bezahlt pünktlich seine Steuern, und das nicht zu knapp.«

»Und außerdem unterhält er bei Ihnen das größte Konto, über dessen Gelder Sie verfügen können«, fiel Doc Henderson ihm ins Wort. Die grauen Augen des Arztes sprühten Blitze. »Doch nochmal zu Ihnen, Richter. Ich denke, Sie können es verantworten, uns zu sagen, weshalb dieser ominöse Haftbefehl überhaupt ausgestellt wurde.«

Judge Harris sprang auf.

»Ich werde es sagen. Aus dem mir vorliegenden Protokoll geht einwandfrei hervor, dass Saltillo in den Morgenstunden des gestrigen Tages das Mädchen Maria Leto, ehemals wohnhaft in Hermansillo und von dort von Helfern des Beschuldigten zwangsweise nach Texas verbracht, um sie der gewerblichen Unzucht zuzuführen, zu Tode gepeitscht hat. Das ist Ihre eigene Diagnose, Mister Henderson. Der Totenschein hegt bei den Akten.«

»Was?«, entfuhr es dem Arzt. »Des Mädchenhandels wird Saltillo auch noch bezichtigt? Ich kann es nur Ihrer Naivität und der Tatsache zuschreiben, dass Sie noch nicht lange in El Paso leben, dass Sie diesen verdammten Wisch nicht sofort dorthin befördert haben, wo er hingehört – in die Abortgrube.«

»Was erlauben Sie sich? Ich …«

»Ach, halten wir uns doch nicht mit Floskeln auf, während draußen ein Unschuldiger gehängt werden soll!«

»Ob er unschuldig ist, wird sich bei der Verhandlung herausstellen«, warf Judge Harris patzig ein.

Doc Henderson streckte seinen Arm in Richtung Tür.

»Bei welcher Verhandlung, frag ich? Haben Sie keine Ohren? Noch eine halbe Stunde höchstens, und Sie können einen Toten freisprechen. Ist das dann in ihrem Sinn? Streiten wir uns jetzt nicht mehr über Schuld oder Unschuld. Tun wir endlich etwas, damit dieser Spuk dort draußen ein Ende findet. Wozu wurden wir schließlich gewählt?«

»Sheriff Thunder ist ein tüchtiger Mann«, wandte der Bankier ein. »Der bekommt das schon in den Griff.«

In diesem Augenblick stürmte ein Junge herein.

»Der Sheriff ist angeschossen!«, rief er noch unter der Tür. »Sie wollen jetzt das Office niederbrennen. Sie rücken mit Fackeln an.«

»Das habt ihr‘s!«, knurrte Doc Henderson, zornesrot im Gesicht. »Wenn erst das Office brennt, dann brennt bei ungünstigem Wind auch gleich die ganze Stadt. Immer noch der Meinung, dass wir nichts unternehmen sollen, verehrte Kollegen?«

Die Stadtväter von El Paso waren fahl wie Schafskäse.

Nur Moneray behielt die Fassung.

»Wir sollten diesen Saltillo vielleicht ausliefern .«, schlug er vor.

Doc Henderson war mit wenigen Sätzen beim Bankier. Ohne jede Vorwarnung setzte er ihm die Faust auf die Nase.

Moneray fiel vom Stuhl.

»Noch jemand mit einem so klassischen Ratschlag?«, fragte Doc Henderson sarkastisch.

Die Männer schwiegen. Sie wussten, dass es jetzt zu spät war, eine Bürgerwehr aufzustellen. Das hatte Henderson wohl im Sinn gehabt bei der Einberufung dieser außerordentlichen Versammlung.

Der Junge, ein etwa zwölfjähriger Mexikanerbengel mit pfiffigem Gesicht, hielt die Hand auf, als Henderson an ihm vorbeiging.

»Einen halben Dollar, Señor? Sie haben doch zu mir gesagt, ich soll aufpassen.«

»Schon gut, Pablito.« Doc Henderson strich dem Jungen über die verfilzte Mähne. »Hier hast du deinen halben Dollar.«

Er drückte ihm die Münze in die Hand.

»Wer führt denn das große Wort draußen?«

»Rusty Merrety, Sir.«

»Dann muss ich wohl losziehen und ihn mir kaufen.«

Doc Hendersons Stimme klang auf einmal müde. Er glaubte nicht an den Erfolg seiner Mission. Keiner im Konferenzraum glaubte daran.

»Und wir sollten ihn doch ausliefern«, quengelte Moneray und rappelte sich auf alle viere, »bevor die ganze Stadt in Flammen aufgeht.«

Erbarmungslose Männer auf dem Höllentrail: Wichita Western Sammelband 7 Romane

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