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1975

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Regelmäßig Dienstag nachmittags gleich nach der Penne fuhr ich mit meiner roten ‚Starflight‘ Mofa zu Shorty. Es war unser Sauftag.

Als ich bei Shorty ankam, war Meschan schon da. Die beiden gingen auf die selbe Realschule und hatten nach der vierten Stunde aus gehabt. Sie schlürften Bier. Eine ‚Wishbone Ash‘ Platte dudelte auf einem Plastikplattenspieler. Shortys Lieblingsband. Er war gut drauf und schlug sich immer mit den großen Händen auf die Schenkel. Alle nannten ihn Shorty, vielleicht weil er nicht besonders groß war. Aber klein war er eigentlich auch nicht, eher genauso groß wie Meschan. Ich war halt größer als sie. Shorty sah aus, wie ein Pirat mit seinen schwarzen, krausen Haaren und den Ringen an den Fingern. Er wohnte in einer ausgebauten Garage und neben dem Haus seiner Eltern. Manchmal rief die Mutter über ein Haustelefon zur Kontrolle an.

Wir redeten über Musik und ‚Arminia Hannover‘, dem Fußballverein in der Südstadt. Die zwanzig ‚Herren Pils‘ (Fusel) waren im Nu alle.

Shorty zog seinen langen Ledermantel über, Meschan seine Lederjacke und ich meinen Parka und wir stiegen auf unsere Mofas. Wir gurkten eine Weile rum. Das machte Spaß. Der Himmel war milchig weiß.

Es war eine reine Wohngegend, deshalb war nachmittags niemand unterwegs. Im Vorbeifahren zerrupfte ich Vorgartenbüsche. Shorty schlenkerte auf der ganzen Breite der Straßen hin und her. Seine Beine schlackerten dabei in der Luft. Meschan fuhr mit seiner ‚Zündapp‘ gegen eine Mülltonne. Shorty und ich feixten.

Wir steuerten eine Tanke an und legten für einen neuen Kasten Bier zusammen. Shorty stellte ihn zwischen sich auf seine ‚Mars‘ Mofa und jonglierte damit geschickt durch die Gegend.

Eine Pulle tranken wir gleich beim Fahren. Die leeren Flaschen schmissen wir eine Brücke runter auf den Messeschnellweg, wo sie knapp die rasenden Autos verfehlten (hoffentlich). Shorty lachte höhnisch mit seiner dreckigen Lache.

Zurück in seiner Butze hörten wir volle Pulle ‚Rory Gallagher‘. Shortys zweite Lieblingsband. Es klang auf der schlechten Anlage völlig verzerrt. Dazu tanzten wir, die Haare nach vorne schlagend, im Zimmer rum.

Als auch der zweite Kasten alle war, verabredeten wir uns für Sonntag bei ‚Arminia‘. Shorty kannte Ordner, die einen umsonst reinließen.

Auf dem Nachhauseweg peste Meschan immer vor. Wir gasten einfach durch die Eilenriede, den Stadtwald. Unsere Lichtkegel tanzten in den Baumkronen, der riesigen Rotbuchen. Ich kam manchmal vom Weg ab und bretterte in kleine Gräben oder Büsche.

Meschan, Shorty und ich waren nun selbst Ordner bei ‚Arminia‘ geworden und trugen eine weiße Armbinde. Auch wir ließen Leute die wir kannten umsonst rein. Mit denen tranken wir dann in der zweiten Hälfte Labberbier und feuerten den bescheuerten Mittelstürmer an, der einigermaßen gut stürmte, aber zu blöd war, den Ball reinzuschießen.

Shortys Flamme tauchte auf, mit der er mächtig angab: Stella. Sie war zentimeterdick geschminkt, hatte hochhackige Stiefel und ein Röckchen an. Weil es Januar war, war diese Klamotte bestimmt arschkalt. Aber Meschan und ich waren schwer beeindruckt.

Ein Kumpel von Shorty, Kretsch soff wie ein Tier und grölte zum Mittelstürmer: „Du hast doch nichts in der Birne, du Hirni!“ Außerdem standen bei uns Schmaly, Tobias, Mieza, Bonzo und ein paar, die ich nur vom Sehen kannte. Tobias strich seine blonden Haare zur Seite und zauberte eine Flasche ‚Stonsdorfer‘ aus seiner tarngrünen Bundeswehrtasche.

„Ich habe eine Butterfahrt auf der Ostsee gemacht“, erklärte er. Das Kräuterzeugs schmeckte ekelig, bitter und süß zugleich, aber es ‚turnte‘ gut.

Arminia gewann 3 zu 0 gegen Olympia Wilhelmshaven. Hinter dem gegnerischen Tor klatschte der Blinde. Sein Hund bellte vor Begeisterung. Sie verpassten kein Spiel. Der Kopf des Blinden folgte immer genau dem Ball.

Bevor wir das Haus der Jugend erreichten, hielten Shorty, Meschan und ich bei ‚Plus‘ auf der Hildesheimer Straße. Wir marschierten schnurstracks zum Schnapsregal und packten ohne zu zögern jeder eine Flasche in unsere Mäntel. Das machten wir ganz routiniert. Der Supermarkt war ideal dafür, weil die Angestellten Feiglinge waren und sich nicht an uns ran trauten. In der Nähe der Kasse nahmen wir von unten jeder eine Stange Zigaretten aus einem Karton und stecken sie ebenfalls ein.

Dann drängelten wir uns an den Leuten vorbei, die bezahlen wollten, und waren auch schon draußen.

Diesmal allerdings wartete ein Polizeiwagen mit vier Bullen auf uns. Wir wurden in einen Hinterraum des Supermarkts geführt und mussten alles auspacken. Machten wir.

Shorty riss eine der geklauten ‚Chesterfield‘-Stangen auf, nahm eine Schachtel raus, riss diese auf und steckte sich eine Fluppe an. Den Rest der Schachtel schlugen sie ihm aus der Hand und verpassten ihm Handschellen.

„Was soll‘n das?“ rief er, „hab‘ ich schließlich geklaut! Also gehören sie jetzt mir! Ich hab‘ nun die Kacke am Hals, oder?“

Wir mussten mit zur Bullerei und es wurden ewig Protokolle geschrieben.

Als wir endlich im Haus der Jugend ankamen, holte Shorty plötzlich eine Flasche Schnaps aus seinem Ledermantel. Den hatte er vom Tisch, auf den wir das geklaute Zeugs hatten stellen müssen, ein zweites Mal mitgehen lassen. Das war natürlich affengeil und wir besoffen uns mit dem Zeug.

Einige Tage später kam das dicke Ende: Ein eingeschriebener Brief von der Kripo und eine Vorladung zu einem neuen Verhör. Das gab mächtig Zoff mit den Eltern. Muttern rannte mit zum Revier und scheuerte mir regelmäßig welche.

Die Kripo versuchte uns einen Bandenkomplott anzuhängen. Wir sollten einen Anführer nennen, der dann verknackt würde. Aber keiner sagte was.

Die Richter (jeder kriegte eine Einzel-Verhandlung) waren dann ganz gnädig, Meschan und ich kriegten eine Akte, „auf Lebenszeit“, und Shorty musste an 10 Wochenenden im Zoo Dung schaufeln.

Mit der hochfrisierten Starflight Mofa jagte ich mit fast 70 Sachen (Tachoanzeige) zu den Kiesteichen. Es war richtig heiß und ich fuhr barfuß und im T-Shirt. Irgendso ein Fahrradarsch schnitt meinen Weg und ich stürzte. Der kochend heiße Kühler schröggelte sich in mein Bein.

Ich fuhr weiter bis zum Hauptteich. Dann zeigte ich die Scheiße einem Typen vom DLRG. Der rief sofort einen Krankenwagen. Nervig, nervig. Die Wunde wurde geklammert und verheilte nur schlecht.

Weil die Mofa so hoch frisiert war, kriegte sie immer mehr Macken (die Bremszüge rissen dauernd, weil man den Gaszug so einstellen musste, dass sie auch im Standgas 40 fuhr; ein schleifendes Getriebe; vom Vibrieren überall lockere Schrauben). Besonders nachdem Meschan und ich seine Tante in Detmold besucht hatten. (Astreine Fahrt auf der ich ab und zu Mopeds abgehängt hatte. Die haben vielleicht Bauklötze gestaunt.)

Detmold selbst war dagegen eher schwierig gewesen. Wir hatten versehentlich mit einem Luftgewehr einen Vogel totgeschossen. Meschan war deshalb unglaublich geknickt gewesen, weil er ja katholisch war. Aber ich war es auch, weil mir der Vogel leid getan hatte.

Jedenfalls wurde es Zeit, die Mofa zu verkloppen. Ich fand auch einen Deppen: den Sohn des Budenbesitzers auf der Sallstraße. Er gab mir satte 200 Mark dafür.

Schon eine Woche später war der Vater, als ich Bier kaufte, extrem unfreundlich. Er sagte, dass ich seinen Sohn reingelegt hätte. Stimmte ja auch.

Wieder eine Woche später stand die Mofa da und er demonstrierte mir, was alles kaputt war. Das schlimmste war, dass sie einen Kolbenfresser hatte. Konnte man also wegschmeißen.

Ich verdrückte mich und ging fürs Bier kaufen fortan zu einer anderen Bude.

Samstagmittag. Altstadtfest. Meschan und ich kauften an einem Kiosk eine Literflasche billigen Landjägerkorn. Allgemeiner Treffpunkt des Säuferkollektivs war ein Fleckchen Wiese mit einem verkrüppelten Baum drauf. Dort saßen auch schon alle: Bonzo, Mieza, Tobias, Schmaly, Kretsch, Shorty und andere. Sie grölten und klatschten zur Begrüßung. Auf einer Bühne spielten schlechte Bands. Tausende von Leuten quetschten sich deshalb an der Wiese vorbei.

Ich hatte eine meiner zerfetzten und geflickten Wrangler-Jeans mit Schlag an, dazu ein Hippie-Hemdchen. Ich steckte Räucherstäbchen in die knochige Erde und Meschan und ich soffen den Schnaps. Am Anfang mit O-Saft, später pur. Ziemlich schnell war ich voll breit und torkelte durch die Gegend. Mir war klar, dass ich alle anrempelte, aber es war nicht zu verhindern. Endlich fand ich einen Platz zum Pullern. Aber auf dem Rückweg verlief ich mich und es dauerte ewig, bis ich den Grünstreifen wiederfand. Dann legte ich mich ab und schlief trotz des Lärms ein.

Als ich wieder aufwachte, wurde es dunkel. Eins von den Mädchen, die irgendwie zum Kollektiv gehörte, kam zu mir rüber und fing an, mit mir zu quatschen.

„Ich heiße Lene“, sagte sie und lächelte prima.

„Wie alt bist du?“ fragte ich sie, weil sie mir sehr jung vorkam.

„Dreizehn“, sagte sie. Ihr Lächeln war wirklich dufte und schließlich war ich erst fünfzehn.

„Ich bin die jüngere Schwester von Elke“, fuhr sie fort. Auf Elke fuhren eigentlich alle vom Kollektiv ab. Ihr Zinken war irre lang und mit Knick, die Haare strohblond und glatt, ihre Brustwarzen zeichneten sich immer dufte durch die T-Shirts ab. Außerdem ging sie ganz doll über den großen Onkel und rauchte umständlich, aber elegant ihre dünn gerollten Zigaretten. Sie knutschte nur mit den ganz Harten rum. Ein Weichei wie ich, hatte bei ihr null Chance.

Auch Lene ging etwas über den großen Onkel.

Während wir weiter irgendwelches Zeug (Schule, Kumpels, etc.) quasselten, fand ich ihre Locken, das Gesicht und den Rest immer süßer.

Sie streichelte meine Hand. Wir fixierten uns. Nach einer kleinen Ewigkeit drehte sich ihr Mund zu meinem und sie küsste mich zärtlich. Ich unterbrach den Kuss. Mir war eingefallen, dass ich nach all dem Fusel schrecklich schmecken musste. Also griff ich eine Flasche herumstehendes Bier und trank einen langen Schluck. Dann küssten wir uns endlich und ich strich ihr immer wieder durch ihre weichen Locken.

Auf einmal sagte sie: „Ich muss jetzt gehen. Mein Vater ist ultrastreng und ich bin sowieso schon viel zu spät.“ Langsam öffnete ich meine Augen. Das war komisch, denn das Tageslicht war jetzt weg.

Wir wühlten uns zu einer Straßenbahnhaltestelle und klebten dort aneinander, bis eine Bahn kam.

Lene löste sich aus meiner Umarmung und stieg ein. Unsere Augen waren solange verknotet, bis ich sie nicht mehr sehen konnte.

Als ich zurück zur Wiese stolperte, überwältigte mich ein brutales Gefühl absoluter Einsamkeit. Sogar Tränen rannen meine Wangen runter. Das war neu gewesen.

Immer noch quetschte sich ein nicht abreißender Strom an Menschen an der Wiese vorbei. Grässliche Funk-Mucke müllte einem die Ohren zu. Grelle Lichter rasten über die Bühne. Es stank erbärmlich nach Erbrochenem.

Meschan reichte mir ein Bier und wir schepperten die Flaschen gegeneinander. Ich war so wütend und so glücklich zugleich, dass es mich zerriss. Wütend, weil ich mich sinnlos betrunken hatte, ohne erst mal zu sehen, was so abging. Glücklich, weil Lene nun meine Freundin war.

Ich besuchte Lene. Sie wohnte nicht weit von uns. Gleich nach der Schule klingelte ich. Ihre kleinere Schwester Uta war da und auch Elke. Wir hörten zusammen ‚Au-delà du délire‘ von ‚Ange‘. Ultrakitschig. Lene brühte Tee. Dann hörten wir von ‚King Crimson‘ die mit dem aufgerissenen Maul (‚In the Court of the Crimson King‘). Elke zuckelte irgendwo hin und Uta verschwand in ihr Zimmer Hausaufgaben machen. Also knutschten Lene und ich ein bisschen und redeten dufte.

Kurz vor sieben kam der Vater ins Zimmer.

“Es ist jetzt Zeit zu gehen“, sagte er nur.

Ich lächelte etwas ungläubig, weil es ja erst sieben war.

Aber nach fünf Minuten kam er wieder rein. Diesmal hatte er eine Lederjacke an.

„Ich hab‘ mich doch eben klar und deutlich ausgedrückt, oder?“ sagte er nun wirsch.

„Sei doch nicht so“, flehte Lene. Aber er bliebt hart.

Wir küssten uns noch mal im Hausflur und ich machte mich vom Acker.

In einer Schule, die gleich gegenüber von meiner lag und dessen Schüler automatisch so was wie natürliche Feinde waren, war eine Fete. Lene und ich wollten uns vor dem Tor zum Schulhof treffen. Weil ich sie nirgends sah, soff ich mit den Jungs vom Säuferkollektiv und wartete. Sie kam aber nicht. Als es mir zu bunt wurde, ging ich rein. Versetzt zu werden, war ja wohl das letzte. Beleidigt streifte ich durch die Flure des alten Gebäudes bis zur Mensa und musterte die Millies. Es gab nur wenige, da diese Schule noch immer ein reines Jungengymnasium war.

In der dunklen Mensa sah ich dann Lene! Sie tanzte eng umschlungen mit Wolle! Der gehörte irgendwie zum Kollektiv. Randfigur. Sie blieben umschlungen stehen. Wolles dicke Locken und Lenes Locken vereinten sich zu einem riesigen Knäuel. Sie küssten sich! Dann drehten sie sich langsam zu einem Blues. Es war unfassbar!

Plötzlich bemerkte mich Lene und ihre Rumwackelei gefror. Weil mir nichts anderes einfiel, ging zu den beiden rüber. Alles war ungeheuer peinlich.

„Na?“ sagte ich.

„Na!“ sagte sie.

Wolle machte vorsichtig einen Schritt zurück.

„Du bist ja schon da?“ sagte ich.

„Ja, ich war schon etwas früher da gewesen und da bin ich schon mal reingegangen“, sagte sie.

„Viel Glück mit deinem neuen Freund“, sagte ich. Ich riss mich unheimlich zusammen, um es nicht ironisch klingen zu lassen. Dann drehte ich mich um und ging raus.

Durch die Gegend gerannt. Gezittert. Geschrien. Getreten. Gehechelt. Fallen gelassen.

Am nächsten Tag lag im Briefkasten ein Brief von Lene. Der ging so:

„Was ich am Dienstag gemacht habe, war falsch. Am liebsten würde ich mit Wolle Schluss machen. Ich musste zuerst die ganze Zeit an dich denken, als ich dann blau war, ging es. Ich muss dir noch erklären, wie das kam: Ich bin zu der Schule gekommen und Wolle hat sich neben mich gestellt. Da du nicht da warst, ist es halt passiert. Ich möchte gerne wieder mit dir zusammen sein, aber erst mal muss ich wohl ne Woche mit Wolle gehen, nämlich wenn ich jetzt gleich Schluss mache, komme ich mir fies vor.

Ich nehme es Dir auch nicht übel, wenn du dir eine neue Freundin suchst, allerdings wäre ich dann doch sehr traurig, obwohl ich selber so doof war.

Tschüs in Liebe deine Lene.“

Na, die Sache war natürlich sofort verziehen.

Ab da war mit Lene alles Friede, Freude, Eierkuchen. Wir sahen uns jeden Nachmittag.

Da Sonntag war, war Muttern zu Hause, also mussten wir was unternehmen. Wir gurkten mit dem Rad rum und endeten im Landesmuseum. In der naturhistorischen Abteilung stand ein großer Gummidinosaurier, den kannte ich aber schon, weil ich als Kind immer mit dem Alten hierher musste. Also streunten wir in den Keller, wo die Aquarien waren. Die kannte ich zwar auch schon, aber da gab es super Fische. Zum Beispiel einen Zitteraal. An der Seite des Beckens war eine Glühbirne angebracht und immer wenn er sich bewegte, leuchtete sie. Sehr dufte. Die Fische hatten auch klasse Namen: Citronella, Megalops, Coris, Tricolor und so was.

Hinterher zuckten wir noch zum Haus der Jugend. Auf einer Wiese davor trafen wir Elke, Bonzo und Shorty. Bonzo und Shorty hatten schon jeder die zweite Zweiliterflasche Lambrusco in Arbeit. Wir setzten uns und nahmen auch einen Schluck. Bald ging es Shorty schlecht, vermutlich weil er seit Freitag pausenlos am Zechen war. Er kotzte auf die Wiese.

Ein komischer Typ kam und druckste so rum. Er setzte sich in unsere Nähe. Bonzo gab ihm dann Shortys Lambruscoflasche, weil der die sowieso nicht mehr anrühren würde.

„Ist mit ihm alles in Ordnung?“ fragte der Kerl bald.

„Der denkt nur“, antwortete Bonzo.

„Wieso denkt er denn in Pfützen?“ sagte der Typ.

Wir kriegten uns nicht mehr ein vor Lachen.

Lene musste dann wie immer nach Hause. Ich brachte sie hin. Diesmal wagte ich es sogar mal wieder mit hoch. Ganz schön mutig von mir. Der Alte zog aber auch gleich wieder seine schnöde Lederjacke an.

Also brachte Lene mich an die Tür. Im Hausflur küsste sie mich sehr schön. Ihre Zunge war so weich, dass es mich umhaute. Sie versprach mir zu schreiben, da sie für eine Woche mit den Eltern nach Ratzeburg zu ihren Großeltern fahren musste. Was sollte ich nur eine Woche lang ohne sie anfangen?

Meschans Vespa-Motorroller hüpfte über das Kopfsteinpflaster der Hildesheimer Straße. Meschan fuhr, ich hinten drauf. In Hildesheim war ein Konzert von ‚Gong‘ gewesen. Affentittengeil.

Irgendwo zwischen Gleidingen und Laatzen waren die Pflastersteine überfroren. Das Hinterrad des Rollers rutschte weg. Ich wurde durch die Luft geschleudert und landete, auf meinen Füßen stehend, auf dem Fahrradweg. Ein Zirkuskunststück! Meschan flog auf den Fußweg. Er stand auf, setzte den Eierhelm ab und strich sich durch seine dicken dunklen Haare. Ein nachkommender Wagen bremste scharf, aber schlitterte über das Eis in den Roller. Der Roller schoss die Straße entlang und ein großer Bogen Funken sprühte aus dem Motor. Das Eis glitzerte orange.

Meschan hatte nur eine kleine Abschürfung. Seine dicke Lederjacke hatte Schlimmeres verhindert. Sie war nun zerfetzt. Man eh - totales Schwein gehabt!

Wir schlossen die kaputte Vespa an einen Pfeiler und dackelten zu Fuß weiter.

Am nächsten Tag holten wir die Trümmer ab. Abwechselnd schoben wir sie die Kilometer bis nach Hause. Dann reparierten wir drei Monate dran rum. Eine Woche geiles Fahren. Dann wieder wochenlanges reparieren. Das ging immer so weiter. Am Ende zerlegten wir sogar das Getriebe.

Es war der erste Weihnachtstag und in der Niedersachsenhalle war ‚Christmasmeeting‘. Meschan und ich fanden eine offene Tür und gelangten in die daneben gelegene Stadthalle. Wir tasteten uns durch völlig dunkle Gänge an den Wänden entlang, immer der Musik nach. Auch die Zwischentür zur Niedersachsenhalle war nicht verschlossen. Wir waren drin. Umsonst! Das war natürlich echt dufte.

Shorty, Kretsch, Tobias, Mieza, Yogi waren auch schon da. Elke auch.

Ich war traurig, weil Lene nicht mitdurfte, weil sie ja immer um sieben zu Hause sein musste.

Alle saßen auf Schlafsäcken oder Decken, die sofort im Bier schwammen. Tobias hatte Bernard mitgebracht. Den kannte keiner. Er hatte fleischige Mick-Jagger-Lippen und flüsterte immer. Das hatte wohl eine erotische Ausstrahlung. Jedenfalls baggerte Elke ihn sofort an. Ziemlich schnell zischten die beiden dann zusammen ab. Kretsch war darüber stinksauer.

„Heute wollte ich es mit ihr treiben!“ rief er immer wieder, „Heute war ich dran!“

Es spielten ‚Kraan‘, ‚Curved Air‘, ‚Golden Earing‘ und ‚Nektar‘. ‚Nektar‘ war bombastisch. ‚Kraan‘ war knorke. Der Rest war befriedigend.

wie Hulle

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