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1969

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In der Schule setzte ich mich neben ein Mädchen mit Rattenschwänzen. Sie war sehr freundlich, denn sie ließ mich alle Hausaufgaben und Klassenarbeiten von sich abschreiben. Ihre Mutter erlaubte nicht, dass wir auch nachmittags zusammen spielten. Sie musste immer lernen. Deshalb war sie auch so gut.

Mein bester Freund war Meschan. Er wohnte gleich im Nachbarhaus.

Weil ich vorher in Trier gewohnt hatte, sagte ich immer „gell“ und „isch“ und so was. Meschan hänselte mich deswegen. Das versuchte ich mir also ganz schnell abzugewöhnen.

Ich rief und er kam runter.

Wir streunten durch die Straßen und durften nur auf den Rissen im Asphalt gehen. Wir stellten uns vor, dass der Rest Hundekot war. Mit einem Fingerdruck in der Hosentasche auf unsere Dödelspitze konnte man ihn aber abschalten. Wenn also einer neben eine Linie getreten war, stritten wir uns darüber, ob er rechtzeitig abgestellt hatte oder nicht.

Das wurde schnell doof, auch weil wir das schon wochenlang spielten. Deshalb suchten wir den Süßigkeitenmann. Irgendwo latschte er immer rum. Wir trafen auf ihn, als er gerade an der ‚Reichsapotheke‘ (hieß echt so) vorbei ging.

„Hallo, Mann, kaufst du uns Süßigkeiten?“ fragte Meschan. Er beäugte uns.

„Ja, los! Mach schon!“ drängelte ich. Tatsächlich ging er mit uns an eine Bude und kaufte uns eine Tüte voll mit buntem Pfennigzeugs.

Während ich Brausepulver mit Waldmeistergeschmack von der Handinnenfläche leckte und Meschan eine Lakritzeschnecke in seinen Mund stopfte, hockten wir auf einer Bordsteinkante und spielten ‚Opas letzten Versuch‘. Dazu stellten wir drei Streichhölzer mit den Köpfen gegeneinander auf die Streichholzpackung. Zwei davon klemmten wir mit der Schublade fest. Das dritte lehnten wir nur lose gegen die anderen beiden. Dann zündete man von unten die Phosphorköpfe an. Das nicht eingeklemmte Holz stellte sich beim Verbrennen lustig auf. Wir lachten und machten neue Versuche.

Da Meschan nicht konnte, rannte ich zum Kinderspielplatz auf dem Karl-Marx-Platz. Da lungerte Inka rum. Prima Name! Sie war dick und hatte schon Busen. Sofort griff sie mich und küsste mich. Fühlte sich dufte an. Mit dem Ärmel trocknete ich meine nasse Backe und fischte aus dem Mülleimer neben der Bank eine winzige, leere Underbergflasche. Ich schraubte den roten Deckel ab, zündete eine Wunderkerze an, knickte den Draht hinten um, stülpte sie brennend in das Fläschchen, drehte schnell den Deckel drauf und schmiss sie in den nächsten Busch. Es gab einen dumpfen Knall und die Glassplitter peitschten durch die Gegend.

An einem Samstag nach dem Frühstück gab mir mein Vater drei Mark und schickte mich zum Frisör. Es war so ein Altherrenfrisör am Stephansplatz. Er konnte Kinder nicht leiden. Deshalb ging er rabiat mit ihnen um.

Er machte den Umhang so eng, dass ich hustete und riss mir am Kopf rum. Während er schnippelte, quasselte er mit anderen Kunden über Fußball. Er schnitt eine Seite viel zu kurz. Also holte er die Maschine und ratschte alles auf eine Länge. Mit seiner stoppeligen Bürste fegte er die Haare aus dem Nacken.

„Aua“, sagte ich, weil es kratzte. Er hörte es gar nicht, sondern fuhr mich runter, kassierte die Kohle und schickte mich raus.

Es war richtig kalt am Kopf. Eiskalt, wie ich fand. Den Tränen nahe, rannte ich nach Hause. Vor der Tür merkte ich, dass mein Schlüssel weg war. Ich klingelte, aber keiner machte auf. Logisch, denn Muttern war mit meiner Schwester Klamotten kaufen und Vatern half nem Kumpel eine Kommode in die Garage tragen (Bierkästen leeren).

Hundertmal klapperte ich die Strecke zum Friseur ab, ewig durchsuchte ich meine Hosentaschen und stülpte sie nach außen. Aber der Schlüssel blieb verschwunden.

Ich klingelte bei Meschan und allen anderen Nachbarskindern, die ich kannte. Aber keiner war da. Es fing an zu regnen und zog immer mehr am Kopf.

Stundenlang lungerte ich so rum. Es war ätzend langweilig und ich kriegte Kopfschmerzen im Hinterkopf.

Ab und zu lief ich zur Haustür und klingelte. Dann trottete ich wieder los, rieb den Kopf oder rannte, damit mir wärmer wurde. Am Nachmittag klingelte ich wieder. Diesmal ertönte der Summer und ich raste hoch in den dritten Stock. Muttern war aus der Stadt zurück.

Sie war schockiert und schimpfte, weil der Frisör die Haare stoppelkurz geschoren hatte.

Ich griff in die Jacke, die an der Flurgarderobe hing und hatte als erstes meinen Schlüssel in der Hand.

„Nie wieder gehe ich zum Frisör!“ rief ich zu Muttern und bekräftigte noch mal: „Wirklich, nie wieder!“ Da sah sie mich verwundert an.

wie Hulle

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