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Akkordeon: Der Weg zur Musik
ОглавлениеIn den drei Jahren Hauptschule war Prantl meine Musikalität aufgefallen – er musste dies auch Direktor Zwerenz mitgeteilt haben, denn beide drängten meine Mutter, mich ein Instrument lernen zu lassen, am besten Klavier, aber dafür war nun wirklich kein Geld vorhanden, und in unsere Gemeindewohnung wäre nicht einmal ein Pianino hineingegangen.
»Ein Akkordeon geht sich mit Mühe aus«, wusste Mama, »da kannst du später leichter umsteigen, wenn wir uns vielleicht einmal ein Klavier leisten können …«
Und so kaufte mir Mama mit hart »nebenbei« erarbeitetem Geld ein Akkordeon mit fünf Registern. Es war eine »Regent«, ein englisches Instrument, eine deutsche »Hohner« hätte fast doppelt so viel gekostet.
Die Musikalität hab ich offenbar von meiner Mutter. Mutti hatte als Kind Hausmusik gemacht (das kommt leider immer mehr ab), ohne Instrumente, dafür wurde viel gesungen, zweistimmig mit dem Bruder oder Oma und mit Freundinnen; Wander- und Volkslieder bei Ausflügen, Wiener Lieder und gängige Schlager. Etwa: »Liebe kleine Schaffnerin …«, dann »Mei Muatterl war a Weanerin« (Lieblingslied meiner Mutter), weiters »Amoi möchte i no ois Büaberl Balln schupfen« oder »Und mei Vater war a Hausherr und a Seidenfabrikant«.
Dann die Volks- und Wanderlieder, wie »Hoch auf dem gelben Wagen« und, was mir sehr gefiel: »Kein schöner Land in dieser Zeit«.
Aber Mutti sah auch darauf, dass die Klassik nicht zu kurz kam. »Am Brunnen vor dem Tore«, also Franz Schuberts »Lindenbaum«, schwebte bei uns ebenso durch die Küche wie »s’Röslein auf der Heiden« oder sogar »Der Erlkönig«.
Mama kannte alle Lieder auswendig – und sang mir so lange vor, bis ich auch alles so ziemlich »intus« hatte, wie Mama das von mir verlangte! Und das war gut so.
Aber wo sollte ich Akkordeon lernen? Mama hatte sich schon früher erkundigt, hatte private Lehrer gefragt (zu teuer), sich Musikschulen angesehen und mich auch durch den »Fünften« geschickt: »... schau’n, ob es was Günstiges gibt.«
Nach einigen Beratungen kamen wir überein, ich sollte im Konservatorium der Stadt Wien nachfragen – da gab’s auch eine Möglichkeit, ein Stipendium zu bekommen. Das sollte sehr strengen Maßstäben unterworfen sein – die Gerüchte-Küche brodelte nur so.
Also machte Mama einen Termin aus, mit einem Professor Winklbauer.
Zwei Tage später stand ich im Zimmer des Akkordeon-Lehrers: Ein bisschen mulmig war mir schon, denn ich durfte mir nicht vorstellen, die Prüfung nicht zu bestehen.
Der Musik-Professor war sehr nett, nahm mir bald die Scheu, ließ mich etwas vorsingen – ich sang »Mei Muatterl war a Weanarin« (da hatte ich bei einem Gesangsabend der Mittelschule im Volksbildungsheim inmitten des Schulchores den Refrain »solo« singen dürfen – Mutti war ganz gerührt!), dann sang er was vor – ich musste nachsingen, dann schlug er am Klavier verschiedene Intervalle an, ich musste ihm sagen, wie viele Töne Unterschied – da tastete ich mich über eine Tonleiter heran; er klopfte mit dem Bleistift ein paarmal in einem bestimmten Rhythmus auf die Tischplatte, da erschrak ich – ich durfte nicht innerlich beginnen, nachzuzählen, also ließ ich mein Gefühl entscheiden und sagte, was sich mir innerlich aufdrängte. Und es war alles richtig.
Noch in der gleichen Woche begann der Unterricht bei Professor Winklbauer – ich ging, mit dem Akkordeon auf dem Rücken (da half ein Lederriemen-Gestell), zweimal in der Woche die Kohlgasse hinab und zurück hinauf – eine Konditionsprüfung, da die Kohlgasse am Ende sehr steil war, aber Kraft und Ausdauer hatte ich mir beim Fußballspielen erworben, für das ich natürlich nun weniger Zeit hatte.
Und eines hatte ich gemerkt – ich konnte mich bei vielen Dingen, die ansonsten mit Verstand und Logik zu behandeln sind, eher auf mein Gefühl verlassen, sozusagen auf »meinen guten Stern«. Es ist schwer, das zu erklären, aber irgendwas in dieser Richtung war es.
Ich wurde älter, größer, bestimmter – offenbar kam auch die Pubertät dazu –, ich wurde auch vorlauter, frech möchte ich nicht sagen, da war ich zu gut erzogen. Mama lebte mir Disziplin, Höflichkeit, Aufmerksamkeit, Hilfsbereitschaft – einfach Anstand vor. In dieser Hinsicht war sie – auch unbewusst – mein Vorbild.
Mein Vater ging mir eigentlich in diesem Lebensabschnitt nicht ab. Mama verhätschelte mich als Einzelkind nicht unbedingt, aber manchmal, wenn ich krank war oder irgendwo unterwegs, spürte ich doch, wie sie sich Sorgen machte, mehr als normal, weil sie Angst hatte, möglicherweise nach Vilma auch ihr zweites Kind zu verlieren.