Читать книгу Pepi, lass mi eine ...! - Peter Elstner - Страница 26
Mamas Watschen
ОглавлениеDie Zeiten waren schlecht, aber man konnte sich in kleinen Schritten – auch dank des Wiederaufbaus – immer mehr leisten.
Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre kaufte mir Mutter endlich die heiß ersehnte Lederhose. Sie hatte einen Zippverschluss vorne, was mich zuerst enttäuschte, denn ich hatte mir eine mit einem herabklappbaren Hosentürl gewünscht. Aber als ich sah, wie meine Freunde auf der Gasse nach meiner Lederhose schielten (etwas neidisch), mochte ich sie immer mehr, und im Laufe eines Jahres trug ich sie vom ersten wärmeren Tag im März/April an bis in den Oktober hinein.
Im Herbst (1951/52) kaufte mir Mama dann auch noch hohe Schuhe (»Die brauchst für den Winter!«) – wunderschön glänzend, mit fester Sohle, braun. Ich freute mich, weil ich niemanden in der Gasse kannte, der so schöne Schuhe hatte; führte sie auch gleich aus und ließ mich überall am Heumarkt sehen. Im Laufe meines Spazierganges kam ich auch oben am Margaretengürtel bei der Feuerwache vorbei – und da spielten gerade die Feuerwehrleute Fußball, in ihren hohen, festen Stiefeln.
Als ich ein wenig zuschaute, meinte einer: »Hearst, Burschi, wüst mitspün? Mia san um an z’wenig.«
Das war was – mit den Erwachsenen mitspielen dürfen, auf einem Spielfeld, das sogar mit Torpfosten versehen war. Nur, es war ein Platz, belegt mit dunkler Schlack!
Ich dachte überhaupt nicht nach, lief zu »meiner« Mannschaft, wurde eingeteilt als rechter Flügel (da konnte ich hinten nichts anstellen) – und los ging’s …
Ich rannte meinen gegnerischen Feuerwehrmännern ein paarmal davon, bis mich einer, der sich nicht gern überspielen ließ, mit seinen Feuerwehrstiefeln ummähte. Zwar war ich gleich wieder auf den Beinen, aber ich hatte komplett aufgeschürfte Knie und Handflächen.
Die Feuerwehrler stritten, der »Chef« in meiner Mannschaft, offenbar ein echter, nahm mich in Schutz und fertigte seinen Kollegen streng ab: »Wannst net so vül kicken kannst, dass den Buam fair aufhoitst, dann is eh traurig, dann bist eh oarm!«
»Meine« Mannschaft lag, als es dämmrig wurde, mit einem Tor vorne, wir mussten aufhören. Ich sagte: »Danke für’s Mitspielen!« Mein – sagen wir – Kapitän rief dann noch im Weggehen: »Kannst wieder kumman!« Damit waren der Nachmittag und der Abend für mich fußballerische Glücksmomente – unvergleichlich!
Erst jetzt spürte ich meine aufgeschürften Knie und Hände, das Gewand war blutig, und dann spürte ich noch etwas: Ich trat mit meinen Füßen auf nackten Boden. Meine funkelnagelneuen Schuhe waren durchgetreten, auf den Sohlen durch die scharfkantige Schlacke durchgerieben! Da das Schuhleder auch etwas von der Marke »Pappendeckel« hatte, stand ich »im Freien«.
Daheim versuchte ich, mich an Mama vorbeizuschummeln, aber Mütter haben offenbar einen Beschützerinstinkt, der sich darin äußert, dass sie immer wahrnehmen, wenn’s wo brennt.
»Wie schaust denn du aus? Hast g’rauft, du bist ja komplett aufgeschunden! Komm, lass dich ansehen«, sie zog mich zu ihr. »Jetzt zieh einmal die Schuh aus!« Ich hatte noch am Gang versucht, das Oberleder zu polieren, und ein bisschen glänzten die Schuhe noch.
Jetzt kommt’s, dachte ich mir, jetzt wird’s ungemütlich. Warum hab ich nicht aufgepasst!?
Und schon setzte es was: Ich bekam eine Ohrfeige von Mama. Es war die erste und letzte, sie war nicht fest, aber sie schmerzte mich mehr als tausend Hiebe – sie kam nämlich aus der Verzweiflung, dass alle ihre Mühe umsonst war und ich nun wieder mit Halbschuhen durch den Winter kommen musste.