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1.6 Kirchliche Organisation und schulische Verhältnisse

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In beiden Kantonen waren 1950 noch 96 Prozent der Bevölkerung katholisch. Mit der noch kleinen reformierten Minderheit, die in den Hauptorten jeweils eine eigene Kirche besass, lebte man indessen im Allgemeinen friedlich zusammen.41 Obwalden gehörte zum Bistum Chur, Appenzell Innerrhoden zu St. Gallen.42 Beide waren allerdings aufgrund historischer Verwicklungen im 19. Jahrhundert formell nicht ihrer Diözese angeschlossen, sondern nur indirekt oder provisorisch unterstellt, ein Status, von dem vor allem die Appenzeller finanziell profitierten.43 Obwalden zählte 1946 insgesamt 13 Pfarreien, beziehungsweise Kuratien.44 In den 1950er-Jahren kamen Wilen zu Sarnen, Kleinteil zu Giswil, sodass noch 11 übrig blieben. In Engelberg stellte das Kloster auch den Pfarrer. Innerrhoden zählte (mit Oberegg) sechs Pfarreien und zwei Kuratien. Die beiden Kantone bildeten je ein Dekanat, demjenigen in Appenzell waren auch die im 19. Jahrhundert neu entstandenen katholischen Pfarreien in Ausserrhoden angeschlossen. Dekane waren meistens die Pfarrer der Hauptorte, die auch sonst eine besonders angesehene Stellung genossen. In beiden Kantonen herrschte ein stark historisch bestimmtes und bei Gelegenheit auch sehr direkt ausgeübtes Staatskirchentum.45 Pfarrwahlen durch die Kirchgemeinden oder die politischen Behörden waren eine Selbstverständlichkeit. In Obwalden waren die Kirch- und die politische Gemeinde identisch. An einigen primär religiösen Feierlichkeiten nahmen die Regierungen offiziell teil (in Appenzell in Amtstracht, ein schwarzer Mantel mit Umschlag).46 Umgekehrt ging der Landsgemeinde in Appenzell ein spezieller Gottesdienst mit Ehrenpredigt voraus;47 in Sarnen wurde anschliessend an die Landsgemeinde eine Vesper abgehalten. Neben den Behörden marschierte dort auch die Geistlichkeit im Landsgemeindezug mit, sass oben auf der Tribüne und nahm am Landsgemeindeessen teil. In Innerrhoden amtierten die Landammänner auch als Klostervögte der Frauenkonvente.48 Der Staat übte dort auch die Oberaufsicht über sämtliche Kapellen aus, obschon sich diese fast ausschliesslich im Besitze von Privaten oder Korporationen befanden. Das Ineinander von Kirche und Staat zeigte sich in der Appenzeller Pfarrkirche sinnfällig: An der Chorwand waren die in den Befreiungskriegen eroberten Fahnen dargestellt (früher hingen dort noch die Originale), und bei feierlichen Gottesdiensten wurden die grossen von den Rhoden gestifteten Kerzen am Eingang zum Chor entzündet.49 Gegenüber den Bischöfen zeigte man sich äusserlich zwar devot, vertrat aber bei Streitigkeiten vielfach dezidiert den eigenen Standpunkt. Bei der Durchsetzung der moralischen Normen der Kirche wirkte die Staatsgewalt mit, wenn sie auch den Interessen der Regierenden entsprachen. Umgekehrt wurden einige kirchliche Verfügungen, besonders solche reformerischer Natur, von den Repräsentanten des Staats nicht immer mit dem erwarteten Eifer unterstützt, sondern nur eingeschränkt umgesetzt, ja bisweilen ignoriert. Die alten Gewohnheiten, auf die sich Regierungen und gewöhnliches Kirchenvolk beriefen, blieben noch lange bestimmend. In Obwalden waren auf der Ebene der Gemeinden noch nach 1945 das staatliche und kirchliche Rechnungswesen vielfach miteinander verquickt; die Kirchgemeinden waren dort ja die Vorläufer der späteren politischen Gemeinden gewesen. Die Kirche war in beiden Kantonen finanziell gut ausgestattet, insbesondere durch die reichlich fliessenden Stiftmessengelder, das heisst die Summen, die für die sehr verbreiteten Seelenmessen einbezahlt wurden. In Appenzell sprach man in pekuniären Angelegenheiten der Pfarrkirche gerne nur vom «reichen Moritz».50

An Klöstern gab es in Obwalden das alte Benediktinerstift Engelberg mit einer Stiftsschule; auch die staatliche Mittelschule in Sarnen wurde bis 1984 von Benediktinern des ehemaligen Klosters Muri-Gries geleitet.51 Dort bestand auch, ebenso wie in Appenzell, ein Kapuzinerkloster. Letzteres führte hier die einzige höhere Bildungsanstalt, eine Real- und Mittelschule mit Internat. Hinsichtlich der Bildungsausgaben standen beide Kantone im gesamtschweizerischen Vergleich in den untersten Rängen.52 In Obwalden gab es ein altes Frauenkloster in Sarnen, eines in Melchtal, mit einem angeschlossenen Töchterinstitut, sowie eine moderne Gründung von Dominikanerinnen (Bethanien in St. Niklausen).53 Innerrhoden zählte insgesamt sogar vier Frauenklöster, wobei allerdings zwei (Wonnenstein und Grimmenstein) als Exklaven in Ausserrhoden lagen. Die Primarschule war staatlich organisiert, doch wirkte die Kirche, wie noch zu zeigen sein wird, auf verschiedenen Ebenen sehr bestimmend auch auf das niedere Bildungswesen ein.54

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