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2.1 Zur Typologie der voralpinen Landwirtschaft

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Zu den früher getroffenen allgemeinen Feststellungen zur spezifisch voralpinen Landwirtschaft1 sollen hier einige Ergänzungen gemacht werden, die dem Verständnis des Folgenden dienlich sind. Die Betriebsgrösse war in Innerrhoden wie in Obwalden ungefähr gleich klein, nämlich meistens um die 5 bis 10 Hektar (ohne Alpweiden).2 Eine bestimmte Obergrenze war gegeben, weil um 1945 praktisch sämtliche Arbeit noch ausschliesslich durch Familienmitglieder und von Hand erfolgte. Die Betriebe waren im Gegensatz zu denjenigen im inneralpinen Raum arrondiert und von zwei- oder dreilattigen Holzzäunen umgeben.3 Diese waren relativ arbeitsaufwendig und mussten immer wieder erneuert werden. Den einfacher zu verlegenden und haltbareren Stacheldraht verwendete man aber nicht so gern, weil sich die Tiere daran verletzen konnten und dann die Häute zur Lederherstellung nicht mehr viel galten. Der bereits seit 1943 von einer Ausserrhoder Firma (Lanker in Speicher) fabrizierte elektrische Viehhüter setzte sich dann später mit der allgemeinen Mechanisierung durch. Zum Land unmittelbar um Wohn- und Ökonomiegebäude gehörten nicht selten Heimweiden, etwas weiter entfernte Landstücke auf mittlerer Höhe.4 Die Alpen waren in Appenzell zur Hälfte privat, ein Viertel gehörte Korporationen, der Rest grösstenteils dem Staat.5 In Obwalden gehörten die Alpen zu 75 Prozent Korporationen, Genossenschaften und Teilsamen, nur ein kleiner Teil war privat.6 In Engelberg besass das Kloster etwa die Hälfte der Kuhrechte.7 Ansehnlicher Alpbesitz war ein grosser Vorteil, denn er ermöglichte es durch die breitere Futterbasis, im Tal mehr Kühe zu halten.

Der Betriebsgrösse entsprach der Bestand an Kühen, zwischen sechs bis zehn im Schnitt. Bauern mit 20 oder mehr Kühen galten als reiche Grossbauern. Wie wichtig die Rinderhaltung insgesamt war, belegen zwei Verhältniszahlen: In Obwalden kamen 1951 auf 1000 Einwohner 800 Stück Rindvieh, in Innerrhoden 836. Die Bedeutung der Rindviehhaltung zeigte sich ferner in folkloristischer Form an den festlich gestalteten Alpaufzügen und -abfahrten, im Kunsthandwerk (Bauernmalerei, Weissküferei, Accessoires der Sennentracht, Schellenriemen), sowie in den herbstlichen Viehschauen, die zu den Höhepunkten der bäuerlichen Festkultur gehörten.8 Die Verarbeitung der Milch unterlag schon vor dem Krieg grösseren Veränderungen.9 Die Eigenherstellung von Käse und Butter gab es in ausschliesslicher Form nur noch auf den Alpen. Der aus der Milch der Talbetriebe gewonnene Rahm wurde in Appenzell grösstenteils an die Butterzentrale Gossau geliefert, die übrig bleibende Magermilch verfüttert. Ebenso wurde der berühmte Appenzeller Käse zum grössten Teil nicht mehr in Innerrhoden selbst, sondern in den Nachbarkantonen hergestellt; die den Verkauf organisierende, 1942 gegründete Geschäftsstelle befand sich in St. Gallen. Aus Obwalden ging ein grosser Teil der Milch nach Luzern. Kälbermast und Aufzucht von Jungtieren, die dann exportiert wurden, waren angesichts der schon in der Zwischenkriegszeit ständig sinkenden Milchpreise für viele Bauern in beiden Kantonen eine ertragreiche Alternative. In Obwalden hatte der Viehhandel besonders in dem hoch gelegenen und daher von der Natur benachteiligten, aber verkehrsgünstigen Lungern grosse Bedeutung und war in diesem Ort eine wichtige Einnahmequelle. Einige dieser Händler aus Lungern wurden angesehene und reiche Mitglieder der bäuerlichen Gesellschaft.

Zu den Kühen kam vor allem in Appenzell eine zahlenmässig recht bedeutende Schweinehaltung, nicht nur für den Eigenverbrauch, sondern auch für den Markt.10 Das Schwein war der ideale Abfallverwerter, man konnte es mit der bei der Butterherstellung anfallenden Magermilch oder der beim Käsen übrig bleibenden Schotte (Molke), aber auch mit pflanzlichen Resten füttern. Geräuchertes Schweinefleisch bereicherte vielfach als einziges Fleisch die Sonntagsmahlzeiten der Bauern, und Schlachtschweine brachten wegen der hohen Preise gerade für diese Sorte Fleisch vielen Bauern willkommene Bargeldeinnahmen. Darauf und auf die weibliche Handstickerei bezog sich das etwas derbe, aber geflügelte Wort in Innerrhoden «D’ Fraue ond d’Saue ehaltids (erhalten) d’s Land».11 Demgegenüber wurde in Obwalden, wie bereits erwähnt, der Obstbau stärker gepflegt.

Agrarische Religiosität

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