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1.7 Allgemeine Bemerkungen zu den übrigen miteinbezogenen Gebieten

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Zu den übrigen, in der Einleitung aufgeführten, aber nur am Rande einbezogenen Gebieten können und sollen hier nur die wichtigsten strukturellen Elemente genannt werden. Auf die abgesehen vom Konfessionellen weitgehende Ähnlichkeit von Ausser- und Innerrhoden in dieser Hinsicht wurde bereits hingewiesen. Dies gilt besonders für das vom Bauerntum und seiner Folklore geprägte Ausserrhoder Hinterland, während die übrigen Teile stärker industriell ausgerichtet sind.55 Das von Zihlmann beschriebene Luzerner Hinterland und das Entlebuch ähneln geografisch und wirtschaftlich ebenfalls weitgehend Appenzell und Obwalden.56 Dasselbe gilt für das Berner Oberland, wobei hier noch ausgedehnte Alpen hinzukommen, reicht doch das Gebiet bis zur Viertausendergrenze. Im Gegensatz zu fast allen übrigen hier betrachteten Gegenden spielte dort aber auch der Tourismus eine gewaltige und wirtschaftlich wichtige Rolle und dies schon seit langem – das Berner Oberland war neben Chamonix die am frühesten, nämlich schon im späten 18. Jahrhundert von Fremden aufgesuchte Region des Alpenraums. Der Freiburger Sensebezirk betreibt Gras- mit etwas Ackerbau.57 Hingegen unterscheiden sich die inner- beziehungsweise südalpinen Regionen (Wallis, Graubünden, Tessin) nicht nur naturräumlich, sondern auch wirtschaftlich ziemlich stark vom nördlichen Voralpengebiet. In diesen verhältnismässig trockenen und daher zum Teil (besonders im Wallis) einer künstlichen Bewässerung bedürftigen Tälern wurde neben der Viehhaltung, bei der neben dem Rindvieh auch Ziegen und Schafe eine grössere Rolle spielten, in der Nachkriegszeit noch ziemlich viel Ackerbau betrieben, vor allem Roggen und Kartoffeln für den Eigenbedarf.58 Im Wallis kam ausserdem der Weinbau in der Rhoneebene hinzu, wo auch viele Bergdörfer Reben besassen. Es herrschte eine ausgesprochene Stufenlandwirtschaft mit bis zu vier Stafeln vor. Diese bäuerlichen Wirtschaften waren fast autark, auch weil dieses Gebiet in der Regel verkehrsmässig noch schlechter als das Voralpengebiet erschlossen war, im Extremfall nur durch Saumtiere erreichbar.59 Das bäuerliche Element dominierte, noch stärker als in Innerrhoden oder Obwalden, auch in den Dörfern.60 Der zweite Sektor existierte dort nur marginal; im Wallis allerdings arbeiteten in einigen nahegelegenen Orten nicht wenige Männer als Pendler in den grossen elektrochemischen und metallurgischen Betrieben in der Talebene.61 Sie überliessen dann die bäuerliche Arbeit weitgehend ihren Frauen. Die Besitzungen im alpinen Raum waren infolge der dort üblichen Realteilung fast immer extrem parzelliert, zwanzig Parzellen pro Betrieb waren keine Ausnahme. Die Bevölkerung war jedoch wie in den anderen hier untersuchten Regionen ziemlich homogen, abgesehen von städtischen Siedlungen wie Leuk, wo die Standesunterschiede ähnlich wie in Appenzell oder Sarnen speziell im kirchlichen Bereich deutlich zu Tage traten.62 Der Tourismus spielte in der Regel erst ab den 1960er-Jahren eine spürbare Rolle.63 Die dauerhafte Auswanderung war stärker ausgeprägt als in den Gebieten der Nordalpen. Politisch waren in allen diesen Regionen ebenfalls die demokratischen und korporativen Elemente, in Graubünden und im Wallis auch die Gemeindeautonomie, stark entwickelt. Allerdings war die ganze Politik mehr als in den Landsgemeindekantonen der Reglementierung durch die Kantonsregierungen ausgesetzt. Parteipolitisch war wie in den anderen katholischen Stammlanden die Katholisch-Konservative Partei führend, auch wenn in den meisten Gebieten noch andere, von jener meist erbittert bekämpfte liberale Gruppierungen existierten.

Konfessionell waren das Luzerner Hinterland, das Oberwallis und Lugnez und die nicht vom Tourismus berührten Teile des Tessins noch etwas geschlossener katholisch als Appenzell oder Obwalden.64 In den Bergdörfern waren Zugezogene, erst recht Protestanten, damals ein Exotikum. Das Netz an Pfarreien war dicht, weil vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert ständig Abspaltungen von Pfarreien und Kuratien von den Mutterkirchen stattgefunden hatten. Trotz der relativen materiellen Armut existierte eine reiche Sakrallandschaft und alte kirchliche Bräuche wurden hochgehalten, wie besonders am Beispiel des Lötschentals gezeigt wurde.65 Schon Richard Weiss hat darauf hingewiesen, dass der katholische Glaube der alpinen Lebensform besonders angemessen sei.66 In der Tat dominiert im Alpenraum der Katholizismus bei weitem. Protestantisch sind nur der grössere Teil Graubündens, was unter anderem mit dem Widerstand gegen den Bischof von Chur als ehemaligen Landesherrn zusammenhängt, sowie das Berner Oberland samt dem ehemals bernischen Pays d’Enhaut im Waadtland. Hier muss man sich allerdings vor Augen halten, dass die Reformation dem Oberland von der Stadt Bern regelrecht aufgezwungen wurde und gegen den entstehenden Volkswiderstand teils mit Gewalt durchgesetzt werden musste.67 Noch über Jahrzehnte hielten sich katholische Bräuche, etwa die Wallfahrt zu St. Beatus am Thunersee, und Wallfahrer aus dem Wallis und aus Freiburg nach Einsiedeln konnten ungehindert durch das Oberland zum Brünigpass gelangen. Sogar noch am Ende des 17. Jahrhunderts sollen Berner Oberländer Schenkungen für den Neubau der Kirche Giswil gemacht haben.68 Könnten Folgen dieser «Zwangsbekehrung» noch bis ins 20. Jahrhundert gereicht haben und wenn ja, können sie noch aufgespürt werden? Der im Saanenland im Zeitalter der Aufklärung wirkende Landvogt Karl Viktor von Bonstetten jedenfalls war davon überzeugt; für ihn hatte die Reformation auch negative Folgen gezeitigt.69

Anmerkungen

1 Dieses Kapitel richtet sich besonders auch an nichtschweizerische Leser, die mit den Verhältnissen nicht oder kaum vertraut sind. Einführende Literatur zu AI Grosser; Klauser (für die Situation um 1945); Inauen J., Heimweiden (enthält mehr als der Titel vermuten lässt). Zu einigen Aspekten der Bevölkerungs- und Sozialgeschichte Schürmann. Die Geschichte eines ländlichen appenzellischen Bezirks (Gonten) behandelte Weishaupt ausführlich. Für OW Garovi; Dillier; Imf Kerns; Imf VV; Obwaldner Heimatbuch. Für Engelberg Heer (jedoch stark auf die Kloster- und Äbtegeschichte bezogen); Zumbühl. Zum «Volkscharakter» der Kantone Allemann. Allg., wenn auch spezifisch auf Deutschland bezogen, zu Struktur und Problemen des ländlichen Raums das Standardwerk von Henkel.

2 Die Trennung macht der zwischen den beiden Teilen gelegene Kernwald aus, deshalb auch die Bezeichnung Unterwalden «ob» und «nid dem Kernwald».

3 «Flecken» sind in der Schweiz grössere Orte mit ähnlichen historischen Rechten wie Städte (am wichtigsten das Marktrecht), aber im Gegensatz zu diesen eher locker bebaut und ohne Ummauerung.

4 Allg. zu den bäuerlichen Siedlungsformen Weiss, 76ff.

5 In der Regel, aber nicht zwingend, an den ältesten.

6 Vgl. 2.2 und 2.7.

7 In OW kam noch 1950, also nach dem Wegfall der kriegsbedingten Einschränkungen, ein Privatauto auf 65 Einwohner. Garovi, 246. In AI war die Zahl noch viel geringer, nämlich ein Auto auf 123 Einwohner. Geschäftsbericht, 93. Etwas verbreiteter waren damals Motorräder.

8 Dillier, 624; AI H. S. In AI wurde der Polizei 1957 ein erstes eigenes Auto zur Verfügung gestellt.

9 Für die schweizerische Landwirtschaft vor dem grossen Wandel nach dem Krieg allg. das immer noch wertvolle und mit vielen Zahlen unterlegte Werk von Laur. Die neuere Synthese von Moser ist stark auf das ackerbauliche Mittelland konzentriert und behandelt in erster Linie Fragen der bäuerlichen Identität, die Beziehungen zu Staat, Politik und Parteien, sowie die bäuerlichen Verbände, allgemeine Fragen der Agrarstruktur und der Preispolitik. Zu den verschiedenen Agrarzonen und Bodennutzungssystemen neben Laur noch Mathieu; zur grundsätzlichen Differenzierung von Hirten und Ackerbauern Weiss, 104ff.

10 Der Frauenanteil war mit 3 % unbedeutend. Zu dieser Eigentümlichkeit vgl. 2.2 und 2.7.

11 Mit den Frauen 48 %.

12 Nämlich 15 %. 1941 waren es noch 19 % gewesen.

13 Es ist nämlich die Nebenerwerbstätigkeit nach beiden Seiten hin nicht erfasst. Vermutlich ist das Gewicht des agrarischen Sektors deshalb noch etwas grösser. Verglichen mit industrialisierten Regionen (etwa Ausserrhoden) war die Nebenerwerbslandwirtschaft allerdings unbedeutend. Die Prozentwerte werden umgekehrt natürlich geringer, wenn man die Berufsgliederung auf die Gesamtzahl der Bevölkerung bezieht (für AI ergibt sich dann 41 %, für OW 34 % landwirtschaftliche Bevölkerung). Zahlen (auch im folgenden) aus der in Anm. 1 genannten allgemeinen Literatur und den Ergebnissen der Volkszählung 1950, für AI ausführlichere Angaben bei Fuchs und Schmidli. Zu OW noch Furrer, 84ff.

14 OW P. R.; O. B.

15 Enq 30/31; 284, Schmidli, 89f.

16 Eigene Erinnerung (als Enkel eines Gemüsehändlers). Ein Hinweis auch bei Inauen R., Charesalb, 49.

17 Vgl. 2.7.

18 Zu dem Innerrhoden verschiedentlich attestierten «Hang zum Schönen» Dörig, 38.

19 Zumbühl, 51.

20 Vgl. dazu noch 9.5 und 9.6.

21 Ebd.

22 OW R. D.

23 Vgl. 9.2.

24 In OW hingegen gab es 1945 schon 40 Beamte. Dillier, 602f.

25 Vgl. dazu ausführlich Grosser; Garovi.

26 Schläpfer, 205ff.; Tanner.

27 Unter den Mitgliedern befanden sich, wie auch in AI, im Luzernischen oder im Oberwallis, besonders die wenigen Unternehmer, Hoteliers, Akademiker, Zugewanderte und Männer, die dem Katholizismus und dem Klerus gegenüber eine gewisse Distanz einnahmen. Die Liberalen fühlten sich aber ebenso als Katholiken wie ihre politischen Gegner, beschränkten allerdings bisweilen ihre Teilnahme an den religiösen Veranstaltungen auf das kirchlich vorgeschriebene Minimum und besuchten den Gottesdienst nicht zuletzt ihres sozialen Rufs wegen. Auf beiden Seiten soll es keine «Ultras» gegeben haben. Familientraditionen konnten bei der Parteiorientierung eine Rolle spielen, doch gab es auch viele Gegenbeispiele, und Heiraten zwischen konservativen und liberalen Partnern waren keineswegs ungewöhnlich.

28 In der Schweiz die jeweilige Gesamtheit der alteingesessenen Geschlechter einer Gemeinde, ohne die nach 1848 Zugezogenen. Vgl. zur Gemeindeautonomie und den verschiedenen Körperschaften in OW noch den Beitrag von Imfeld in Hugger, Handbuch, 531–541.

29 OW R. D.

30 Die von Weiss, 332, diagnostizierte Ablehnung des Staates in der ländlichen Bevölkerung, vor allem in der Innerschweiz, müsste man wohl etwas genauer auf den Bund beziehen, weniger auf den Kanton.

31 Ihre Funktionen wurden teilweise von den Bezirken übernommen, andere verblieben beim Kanton.

32 Deswegen gibt es auch nur das Bürgerrecht von Appenzell und Oberegg.

33 Zur Feuerschau vgl. Grosser, 402ff., 513f. Zu den Holzkorporationen Inauen J., Holzkorporationen; zu den Allmendkorporationen Fässler. Vgl. auch den Beitrag von Hürlemann in Hugger, Handbuch, 565–572.

34 Damals trat der jahrzehntelang die Partei führende und bestimmende Industrielle Beat Kölbener (1889–1948) zurück. Ihr Presseorgan, der «Anzeiger vom Alpstein», erschien dank dem Engagement ihres Druckers Jakober, eines Zugewanderten, in immer grösseren Abständen noch bis 1972.

35 Vgl. 2.3.

36 Schürmann nimmt in seiner bis ins 19. Jahrhundert reichenden Arbeit über AI eine im 18. Jahrhundert einsetzende starke Polarisierung der Bevölkerung an und bringt viele Indizien dazu bei. Ob diese Ungleichheit in späteren Zeiten wieder gemildert wurde, lässt sich mangels Datengrundlagen nicht entscheiden, ist aber wahrscheinlich. Vgl. zum ganzen Fragenkomplex noch Fässler.

37 Mit einem noch stärker diskriminierenden Begriff «Riedzattler» genannt (nach Manser Joe, 22: Zattli = unordentlicher Mensch). Vgl. zum Ried und den übrigen Korporationen für die Armen noch Fässler.

38 Die Geiger, Sutter, Fässler, Bischofberger, Rusch und Dähler.

39 Imf VV, 297; Imf Kerns, 39f. und 156. Das System existierte nicht nur in der Hauptkirche in Sarnen, sondern auch anderswo (Alpnach, Kerns). Für die «Chremmli» und sogar für die Ratsherrenstühle (die auch der Ehefrau einen besonderen Platz einräumten) musste eine Taxe bezahlt werden. In AI kannte man diese Einrichtung schon lange nicht mehr, bloss am Landgemeindegottesdienst waren für die Behörden mit rotem Tuch überzogene vordere Bankplätze reserviert. Einen speziellen Sitz besass dort nur der Kirchenpfleger. AI H. S.

40 OW hatte teil an sämtlichen Gemeinen Herrschaften, AI nur an einer, dem Rheintal, wo es wegen der Teilung des Landes nur alle 26 Jahre einen Landvogt stellen konnte.

41 Vgl. 10.1. In OW gab es mehrere protestantische Kirchen..

42 Zu den historisch gewachsenen kirchlichen Verhältnissen im Bistum St. Gallen und Kanton AI: Bischof; Huber; Stark; ders., Heimat; Wild. Für OW sei neben Garovi, 207ff., und Dillier, 634ff., vor allem auf die beiden grossen Werke von Imfeld verwiesen.

43 Vgl. dazu Grosser, Geschichte, 109ff. und 413ff.; Stark, 78ff.; Garovi, 208f. Dieser Zustand dauert bis heute an, obschon in der Vergangenheit vor allem in OW verschiedentlich Versuche zu einer Neuregelung unternommen wurden (vgl. etwa Dillier, 639f.; Imf Kerns, 227ff.). Vgl. zu den Rechtsverhältnissen in AI, anlässlich der Bischofswahl, noch HK 26. 1. und 23. 2. 1957. Der Kanton zahlte erst seit 1962 einen freiwilligen Beitrag von jährlich 6000 Franken an die bischöfliche Mensa.

44 Zahlen nach Status cleri. Die Obwaldner Geistlichen hat Omlin mit kurzen biografischen Angaben zusammengestellt; zu Kerns vgl. zusätzlich Imf Kerns.

45 Dies war übrigens auch im protestantischen Ausserrhoden der Fall. Schläpfer, 464ff.

46 In AI die Stosswallfahrt und die Fronleichnamsprozession, in OW das Bruder-Klaus-Fest, in beiden die Landeswallfahrt nach Einsiedeln.

47 In feierlicher Form jedoch erst seit 1954 auf Initiative des Pfarrers Wild.

48 Für das Sarner Frauenkloster, das von Engelberg hieher transferiert worden war, amtete der Abt von Engelberg als Schirmherr.

49 Stark, 169f; Enq Nachtrag 238a.

50 Nach dem Kirchenpatron, dem Heiligen Mauritius. Zu den Stiftmessen vgl. ausführlich 8.7.

51 Flüe. Zur Mädchenbildung in OW Furrer, 62ff.

52 Fritzsche, 167ff.

53 Zu den beiden letzteren noch Imf Kerns, 86ff.

54 Vgl. 9.2.

55 Mit der auf das 18. Jahrhundert zurückgehenden Heimindustrie identifizierten sich die meisten Ausserrhoder eher als mit den bäuerlichen Bräuchen, die zum Teil erst in neuerer Zeit und durch Anstösse von aussen bewusst gepflegt und als Attraktion herausgestellt wurden, mithin eher Folklorismus sind. Tanner; AR A. T.

56 Für das Entlebuch z. B. gibt Kaufmann, 46, noch für 1970 40 % landwirtschaftlich Tätige an.

57 Witzig, 92ff.

58 Zur inneralpinen Wirtschaft ausführlich Mathieu, vgl. ferner noch Witzig, 77ff.

59 Im Wallis gab es noch nach 1945 einige Dörfer ohne Zufahrtsstrassen für Motorfahrzeuge.

60 Zahlen bei Siegen Jos., 54.

61 Bellwald/Guzzi.

62 Kuonen.

63 In Graubünden war er nur im protestantischen Teil alt, im Deutschwallis etwa in Zermatt und im Saaser Tal.

64 Zur kirchlichen Lage im Tessin Macconi.

65 Antonietti; Siegen Joh.

66 Weiss, 107.

67 Kurz/Lerch; Bierbrauer.

68 Ming H., 246.

69 Bonstetten, bes. 61ff.

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