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Blauweiß, der Großbauer, destilliert einen vierzigprozentigen Wodka, den er selbstverliebt

Der Blauweiße

nennt. Ein zugehöriger Werbeslogan lautet Himmlisch (auf blauem Grund) Rein (auf weißem Grund). Das reizt die Spötter. Sie nennen den Blauweißen »diese Waschmittelbrühe« und schlagen vor, noch etwas Kohlensäure zuzusetzen, damit's auch ordentlich schäumt.

Blauweiß reagiert flexibel. Er sucht eine Werbeagentur auf. Daraus lässt sich was machen, sagen sie dort. Und dann machen sie was draus.

Himmlisch Rein ist nun eine neue und größere Werbeanzeige überschrieben. Eine pausbäckige Bauernmagd mit weitem Rock und langer Schürze will die Blauweißflasche in einen schäumenden Waschbottich gießen. Ein feixender Bilderbuchkosake hat sich jedoch dazwischengeschoben und der Wodka fließt nun statt in den Bottich in das Glas, das er darunterhält. Rettet unseren Besten steht daneben und es folgt ein Aufruf zu einer großen, mit Preisen angereicherten Aktion, bebildert durch eine Gruppe von Leuten, die alle in einen blauen Himmel blicken und dabei ein Wodkaglas in die Höhe halten. Fehlen nur noch die Kinder.

Blauweiß hat es wieder einmal allen gezeigt, mit dem Blauweißen macht er Umsatz.

Doch wird im Ort ein Murren vernehmlich. Es rührt von den oftmals unberechenbaren Landfrauen her. Sie beschweren sich über das Bild der tumben Bauernmagd. So könne man heutigentags keine Frau mehr zum Besten geben, nicht nur in der Stadt hätten die Dinge sich gewandelt. Man rede ja auch kaum noch von Dorfdeppen. Warum schütte so einer nicht den Schnaps ins Waschwasser? Es weht ein Hauch von Feminismus durchs Dorf.

Blauweiß, dem alles zu Ohren kommt, beschwichtigt, wo er kann, meint, man sollte diese Reklame mit Humor begleiten, verteilt hier und dort Probefläschchen und reibt sich sogar die Hände, weil sein Etikett so viel Aufsehen erregt.

Die Sache nimmt jedoch ein ungeahntes Ausmaß an. Denn in einzelnen Familien kommt es bereits zu Verstimmungen. Frauen versuchen den Männern – vergeblich – den Blauweißwodka auszureden. Die pensionierte Dorfschullehrerin Luzi Kumbernuss erwähnt bei der nächsten Zusammenkunft der Landfrauen eine Komödie des altgriechischen Dramatikers Aristophanes, der in einem Stück beschreibt, wie die Frauen aus Athen und Sparta sich zusammentun, um ihre martialischen Ehegatten daran zu hindern, weiter gegeneinander Krieg zu führen3. Ihre weibliche Strategie ist so einfach wie total: Sie verweigern sich den Männern beim Sex.

Natürlich ruft das erst einmal Heiterkeit hervor, dennoch spinnt man diesen Gedanken, von eigenen Fantasien beflügelt, noch ein Stück weiter. Liebesentzug gegen männlichen Wodkawahn – das ist zumindest einen Versuch wert. Blauweiß meint gegensteuern zu können, indem er weiterhin kleine Wodkawerbegeschenke verteilt und darauf vertraut, dass »die Weiber vernünftig bleiben«. Aber denen ist es ernst.

Sie treffen eine Vereinbarung und fahren in die Stadt. Jedes ihrer Autos ist voll besetzt und die Verkäuferin eines Dessousladens wundert sich über einen nie erlebten Ansturm. Sie breitet alle verfügbaren Größen der meist in Schwarz oder Purpur verlangten Teile aus. Zum Schluss bleiben sogar ihre beiden Schaufensterpuppen splitternackt zurück.

An diesem Abend erwartet die Männer, die blauweißen Wodkatrinker, eine verschärfte Form von Triebstau. Viele von ihnen erfahren erst jetzt, welche Reize ihre Frauen ausstrahlen können und sind erregt wie nur bei einem Seitensprung. Zugleich zerschellen sie an der hartnäckigen Sprödigkeit dieser Frauen, die, während sie ihren Männern mit Spitzendessous und hauchzarten Nylonstrümpfen vor der Nase herumtänzeln, Bemerkungen machen, wonach man so etwas ja nicht tragen könne, für Bauernmägde sei das höchst unanständig. Nein, nein, sagen sie und schlüpfen wieder in das, was auf keiner Wäscheleine weiter ins Auge fällt. Dass einige der Kerle sich verzweifelt an die gesammelten Blauweißfläschchen halten, die nun sie retten sollen, passt natürlich ins Bild.

Lange geht das aber nicht gut, auf beiden Seiten nicht. Naturgewalten lassen sich schwerlich aufhalten und so erwacht manche der dörflichen Schlafstuben zu ganz neuem Leben.

Blauweiß, ansonsten allein betört von der blaublütigen Blässe seiner Gattin, will auch die neue Situation zu seinen Gunsten nutzen. Er wird mithilfe seiner Werbeagentur den Blauweißen zum Liebestrank umfunktionieren. Die Frau, die diesmal in den Werbeannoncen erscheint, ist jedenfalls weder mit Zwiebeldutt noch kurzen Puffärmeln und dicken roten Wangen abgebildet. Vielleicht reichen schon ein paar Wölkchen am blauen Himmel samt dem sehnsüchtigen Blick eines Schlagersternchens, das in diversen Supermärkten für Promoauftritte gut sein wird. Mit ein bisschen sanfter Erotik läuft es jedenfalls konfliktfreier ab, Mädchenträume werden wachgerufen, weil die Wölkchen sich wie zufällig zu einem Einhorn formen. Was Hartes soll zum Enthärter werden.

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