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Starke Frauen werden auf dem Dorf allem zum Trotz noch immer an ihrer Körperstärke gemessen. Erst recht, wenn sie als Mann in Erscheinung treten.

Mal der Reihe nach: Das Dorf hat nämlich eine Fußballmannschaft. Sie existiert erst seit einigen Jahren. Doktor Reiter, ansonsten wenig vertraut mit Ballspielen, hat es sich dennoch nicht nehmen lassen, mithilfe eines Grafikers das ursprünglich angedachte stumpfe, lediglich aus einem Rautenschild und dem Namen des Vereins bestehende Wappen durch eine stilisierte Siegesgöttin zu ersetzen. Diese erst wird dem Namen des

FC Viktoria

wirklich gerecht. Die Umschrift per aspera ad astra5 suggeriert außerdem verwegene Ziele. Aber das muss in Augenblicken pathetischer Selbstbesinnung niemanden stören.

Die Wirklichkeit sieht freilich so aus: Das hiesige Spielfeld ist eine unschöne Mischung aus Schotter und Wildwuchs. Und wenn man dann noch weiß, dass es dem Verein kaum einmal gelingt, überhaupt elf Spieler auf den Platz zu bringen, weshalb sie zwar in der untersten Spielklasse mitmischen dürfen, aber eben nur zu elft, andernfalls das Spiel mit 0:3 gegen sie gewertet wird, verwundert es einen nicht, dass sie mit weitem Abstand am Tabellenende verharren.

Man hat versucht, dieses Manko dadurch auszugleichen, dass man die jeweils ein, zwei oder drei fehlenden Spieler durch den ersten und zweiten Vorsitzenden, zur Not noch den Kassierer ersetzt hat. Denn wie im Amateurfußball häufig zu beobachten, verlassen Spieler, weil sie mit den Entscheidungen des Schiedsrichters hadern, mit Kraftausdrücken, wegwerfenden Handbewegungen und mit gespielter Entrüstung gerne vorzeitig den Platz. Wenn nichts anderes hilft, mimen sie sogar schwerere Verletzungen.

Das ist nicht nur wegen des erheblichen Altersunterschieds innerhalb der Mannschaft, sondern auch der falschen auf dem Spielberichtsbogen eingetragenen Namen bei den Ligaoffiziellen ruchbar geworden. Man hat sich deswegen, um einer möglichen Sperre zu entgehen, im Verein zusammengesetzt und beraten.

Der Vorsitzende, Spargelbauer Helfried Masch, sein Vize, Julius Bommerland, ein städtischer Angestellter in der Kreisstadt, Albert Künzing, Kassierer und Packer bei Schleckes, schließlich Max Molka, Trainer und Wirt des örtlichen Dorfkrugs, verfolgen seither eine Idee. Molka ist es gewesen, der sie aufgetischt hat. Er bezeichnet sich gern als Taktikfuchs und untermauert diesen (einzig von ihm selbst am Leben erhaltenen) Ruf damit, dass er seine Trainingseinheiten im Schankraum seiner Kneipe abhält und dort eine Tafel aufstellt, auf die er ekstatische Schnittmusterbögen kritzelt. Das erste Bier ist immer gratis und dadurch ein gewisser Anreiz für die Kicker überhaupt mal zu erscheinen. Länger als dieses eine Bier bleibt freilich selten einer.

Molkas Idee scheint, wie er selbst an dieser Stelle einräumt, durchaus abseitig. Aber schlimmer könne es mit dem Verein eh nicht kommen, meint er, die Jungs hielten sich einfach nicht an seine taktischen Vorgaben.

Masch, Bommerland und Künzing räuspern sich jedes Mal bei diesem eingestreuten Vorwurf.

Also passt auf, sagt Molka, ich habe da an eine Verstärkung gedacht, die nicht bei uns ansässig ist, jedenfalls dürfte niemand sie im Umkreis hier kennen.

Und?

Molka schließt kurz die Augen und sagt: Eine Frau.

Was?

Die Rede ist von Gabi Sonnenstern. Rein optisch gleicht sie dem Klischee einer Kampflesbe. Aber das ist eine Unterstellung, die von ihrer bulligen Gestalt herrührt, ihrem burschikosen Gesicht und der heiseren, am Ende scheinbar durch Hormonbehandlungen tiefer gelegten Stimme. Fakt ist, dass Gabi Sonnenstern in ihrer Frauenliga Torschützenkönigin ist und das mit weitem Abstand. Molka hat sie auch deswegen angesprochen, weil sie – er blinzelt beflissen – einen flachen Busen hat.

Masch, Bommerland und Künzing dämmert was. Du willst sie doch nicht etwa …

Genau das will er. Aber sie macht es nicht umsonst, meint er. Pro Tor, das sie erzielt, verlangt sie – Einstiegspreis – fünfundzwanzig Euro. Plus Anfahrt und Maskenbildnerei. Aber kein Problem, um die kümmert sich meine Frau. Sie malt auch die Ostereier immer so schön an, kann er sich nicht verkneifen hinzuzufügen.

Masch, Bommerland und Künzing wiegen die Köpfe. Per aspera … Molka reißt die Augen auf, macht ein Gesicht, als sei das die große Chance. Sie nicken es schließlich ab.

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