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Der mystische Widerstreit von Ewig- und Vergänglichkeit wird an einem typisch ländlichen Produkt sichtbar. Bei einem jungen, noch kinderlosen Ehepaar, ist nämlich ein seltsamer Disput ausgebrochen, nachdem

Emil Knäbling

der Mann, häufiger Eier aus der Tenne holt, ohne die Absicht zu haben, sie zu verkaufen oder zu verzehren.

Konstanze, seine Frau, beobachtet nur, wie er sie mit einer Kanüle aussaugt, dann heißes Wasser, in das er einen Tropfen Spülmittel gegeben hat, einfüllt, schüttelt und das Wasser wieder absaugt. Man könnte vermuten, dass er gerade jetzt um die Osterzeit die Schalen bemalen möchte. Aber Konstanze hat ihn mit so etwas noch nie erlebt, ihr fiele außerdem niemand ein, dem er sie Lust hätte zu schenken. Im Haus werden die tauben Eier hinterher nicht mehr gesehen, dafür erhält Konstanze in einem fort Flüssigei und könnte ohne Ende Kuchen damit backen. Stattdessen ist sie gezwungen, es portionsweise einzufrieren, die Tiefkühltruhe ist mit geknautschten Beutelchen jedoch längst schon überfüllt. Weil Eiweiß und Dotter zuvor nicht geschieden worden sind, kann sie nicht einmal, was sie gerne täte, Eierlikör zubereiten.

Ihrer Frage, was er mit den leeren Eierschalen denn nun mache, weicht Emil jedes Mal aus. Er sagt lediglich, dass er eine Sammlung anlegen würde.

Du sammelst taube Eier?

Früher, meint er, hat man Blumen zwischen Buchseiten gepresst, das war auch nichts anderes. Ich will lediglich das Ei von heute noch in zwanzig Jahren in seinem ursprünglichen Zustand betrachten können, verstehst du? Warum hat man wohl im alten Ägypten Tote mumifiziert?

Konstanze kann Emils Logik nicht ganz folgen, sie sagt: Du sammelst Eier wie andere Bierkrüge oder Briefmarken. Warum tust du das? Unsere Hühner legen jeden Tag welche.

Sie versteht noch weniger seine Antwort, wenn er sagt: Ich will dem organischen Verfall etwas entgegensetzen.

Wie drückt er sich überhaupt neuerdings aus? Konstanze überlegt. Dem organischen Verfall – aber an den leeren Schalenhüllen verfällt doch gar nichts mehr, jedenfalls nicht so bald. Sie sagt ihm das.

Emil sieht sie träumerisch an.

Das stimmt, aber es geht dabei um die äußere Hülle, den schönen Schein. Davon leben wir doch alle ein gutes Stück weit.

Konstanze streicht ihm in mütterlicher Ratlosigkeit übers schüttere Haar.

Mag meine Haut im Lauf der Jahre immer runzliger werden, fährt er fort, die Eier behalten ihren glatten Teint.

Sie fühlt mit ihm, wenn er, dessen Kopfform auffallend einem Ei gleicht, in seiner Kollektion glaubt, weiterleben zu können. Die Eier sind das Spiegelbild seiner ewigen Jugend.

Ein Skelett wird von ihm übrig bleiben, ein Schädelknochen und der wird einstmals als krönender Abschluss in einer langen Reihe von leeren Eierschalen stehen. Archäologen werden kaum weniger rätseln, als es Konstanze tut.

LANDLÄUFIG

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