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Baumgarten

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Der Weg, den Bodmer und Breitinger gegen die Phantasie- und Sinnenfeindlichkeit der Frühaufklärung eingeschlagen hatten, wurde insbesondere von Alexander Gottlieb Baumgarten weiterbegangen. Auch Baumgarten, dessen in lateinischer Sprache erschienenem Hauptwerk Aesthetica (1750) die Etablierung des Begriff s der Ästhetik für die Lehre von der Erkenntnis des Schönen zu verdanken ist (gr. ‚aisthesis‘ bedeutet sinnliche Wahrnehmung), war noch insofern von der Philosophie Wolffs abhängig, als er von dessen Unterscheidung zwischen einem oberen, als Vernunfttätigkeit beschriebenen und einem unteren als einem von den Sinnesorganen geleiteten Erkenntnisvermögen ausging und dabei die Ästhetik der unteren Erkenntnislehre zuordnete. Die Ästhetik ist für ihn eine Schwester der Logik, eine ‚ratio inferior‘, eine Entsprechung der Vernunft auf dem niedrigeren Niveau des Empfindungslebens. Ihre Aufgabe ist es, diesen Bereich in einer Weise zu ordnen, die den Operationen der Vernunft verwandt und doch ihr gegenüber relativ autonom ist. Die Ästhetik besitzt ihren eigenen Diskurs und ihre eigene Logik, sie ist Wissenschaft der intuitivanschauenden, der sinnlichen Erkenntnis, deren Regeln analog zu denen der Vernunft deduziert werden können. Das Entscheidende dieses hier nicht näher auszuführenden Ansatzes liegt darin, dass mit ihm versucht wird, die Aufklärung auf das ganze unerschlossene Gebiet der Empfindungen auszudehnen und dieses systematisch zu bearbeiten und gleichzeitig die Kunst aus der Dominanz der Ratio zu befreien und ihr ihren eigenen Bereich zuzuweisen. Dem entspricht Baumgartens ebenfalls in der Aesthetica geäußerte Ablehnung der moralischen Zweckmäßigkeit der Kunst, die zwar nicht die guten Sitten antasten solle, aber doch in der Wahl der Stoffe und in der Darstellung frei von philosophischer Erkenntnis und moralischen Vorschriften sein müsse, keinesfalls also abstrakte Botschaften zu vermitteln habe, vielmehr allein der Wahrheit des sinnlich Wahrnehmbaren verpflichtet sei. Über die von den Sinnen geleitete, sensitive Erkenntnis des Schönen verfügt nach Baumgarten vor allem der Künstler selbst.52 Denn er besitzt nicht nur eine große Schärfe der Sinnesorgane, sondern auch ein seelisches Vermögen, das ihm erlaubt, das Wahrgenommene richtig zu beurteilen und auszuwerten. Dazu kommt eine produktive Einbildungskraft, die von intellektuellen Fähigkeiten kontrolliert wird. Darüber hinaus aber hat der wahre Künstler, wenn er sich als Schaffender betätigt, den ‚impetus aestheticus‘, die Begeisterung, ohne die kein überzeugendes Kunstwerk zustande kommt. Damit mischt sich Baumgarten in die Diskussion über das Genie ein, die wie diejenige über die Mimesis das Zeitalter durchzieht und früher als in Deutschland schon in Frankreich und England geführt wurde. Während die Franzosen, allen voran Jean Baptiste Dubos (Réflexions critiques sur la poèsie et la peinture, 1719), das Genie einer Person als glückliches Gleichgewicht aller Kräfte begriffen, in dieser Auffassung von Gottsched begleitet, gaben die Engländer vor allem im Hinblick auf Shakespeare dem Begriff die Konnotation des Originalen (am ausgeprägtesten schließlich bei Edward Young, Conjectures of Original Composition, 1759). In Deutschland war der Begriff zunächst im Sinn von lat. ‚ingenium‘ als Fähigkeit oder Talent verwendet worden. Durch den Einfluss der Engländer und nicht zuletzt durch Baumgartens Vorstellung vom Enthusiasmus des Künstlers nahm der Begriff eine andere Bedeutung an. Schon für Lessing hatte das Genie alle ‚Regeln in sich‘, bis man in den folgenden Jahrzehnten schließlich die Schöpferkraft des Genies pries, Genie nicht mehr hatte, sondern war. – Auch im Hinblick auf die Einschätzung des dichterischen Kunstwerks wirkte Baumgarten innovativ und richtungweisend. Während es bis dahin üblich war, die Schönheit als die in Erscheinung tretende Vollkommenheit zu verstehen, gleichsam als sinnliche – und deswegen allerdings auch immer unvollkommen bleibende – Repräsentation der letztlich intelligiblen, nur durch den Geist zu erfassenden Vollkommenheit, definiert Baumgarten Schönheit nicht als Erscheinung der Vollkommenheit, sondern als Vollkommenheit der Erscheinungen, als Reichtum an Sinnlichkeit. Dieser Reichtum, der keineswegs auf Vollständigkeit zielt, ergibt sich aus dem Erfassen individueller Merkmale. Die ausschlaggebende Rolle des Individuellen bei Baumgarten, durch das für ihn auch das Hässliche kunstfähig wird, und das damit zugleich sich ausdrückende Misstrauen gegenüber allem Regelhaften erwiesen sich als einflussreich vor allem für die Kunstauffassungen der Stürmer und Dränger, auf Herder, Lenz und den jungen Goethe.

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