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Georgios Apostolopoulos

Náoussa, Paros

Georgios Apostolopoulos fand den Zettel von Sophia auf dem großen Küchentisch liegend. Er möge noch Gurken und Tomaten holen, damit sie das Abendessen für ihre Pensionsgäste zubereiten konnte. Das war eigentlich nicht ihre Art, denn normalerweise hätte sie das schnell selbst erledigt, aber Georgios wusste, dass sie seit ein paar Tagen Probleme mit ihrem Rücken hatte. Er übernahm das gerne, denn er fand zunehmend Gefallen an seinem prächtig gedeihenden Nutzgarten, der mittlerweile eine beträchtliche Ernte hervorbrachte. So sehr er das elterliche Anwesen noch vor nicht allzu langer Zeit verachtet hatte, empfand er es jetzt nach der umfangreichen Umgestaltung als einen wahren Glücksfall. Jeden Tag mehr genoss er es, diesen Schritt gewagt zu haben. Besonders das Einbringen von eigenem Obst und Gemüse hatte für ihn eine ganz neue Bedeutung bekommen.

Das mit dem Gemüse passte gut, so konnte er außerdem noch schnell nach dem Bewässerungssystem seines Gartens schauen. Seine alte Kinderfrau hatte ihm schon heute Morgen von einem verstopften Ventil berichtet. Mittlerweile hatte sich zwischen den beiden wieder alles sehr gut eingespielt, nachdem sie im Sommer dieses Jahres endlich ihr Gästehaus nach aufwändigen Umbauarbeiten eröffnet hatten. Fast ein Jahr lang hatte es gedauert, bis alle sechs Zimmer des großen Hauses so hergerichtet waren, wie es ihren Vorstellungen entsprach. Im Juni 2012 hatten die Arbeiten in seinem Elternhaus begonnen. Zusammen mit Louis hatte er fast zwei Monate an dem Konzept gewerkelt. Für den Architekten war es eine große Herausforderung gewesen, einen großzügigen separaten Wohnbereich für sich und seinen Lebensgefährten zu gestalten, sowie neben den sechs Gästezimmern noch genügend Platz für ihre alte Perle Sophia zu schaffen. Gemäß dem Testament seiner verstorbenen Mutter Maroula hatte sie lebenslanges Wohnrecht auf dem Apostolopoulou-Anwesen.

Dank seines Erbes war zum Glück genügend Geld vorhanden, sodass sie sogar in eine neue Küche investieren konnten. Das war eines der schwierigsten Kapitel bei dem Großprojekt gewesen, denn Sophia die ehemalige Haushälterin des Apostolopoulou-Clans, konnte und wollte nicht einsehen, warum ihre über die Jahre so liebgewonnene Küche nun einer neuen weichen sollte. Sie war doch fast vierzig Jahre so gut in der alten zurechtgekommen. Wie ein störrischer Maulesel hatte sie auf die Nachricht reagiert und nur der geduldigen Art von Louis war es zu verdanken, dass sie schließlich einlenkte und einer Veränderung zustimmte. Er war der Vermittler zwischen den beiden und die neue Küchenanschaffung war nicht die einzige Meinungsverschiedenheit gewesen, die er souverän geschlichtet hatte. Die alten Wunden zwischen Georgios und Sophia rissen in der ersten Zeit immer wieder auf, und es dauerte manchmal eine ganze Weile, bis man wieder zu einem normalen Miteinander fand. Das war nicht einfach für die betagte Dame, jahrelang hatte sie zwischen Georgios mit seinem exzessiven Lebensstil und seiner Mutter gestanden. Erst nach deren Tod und nachdem Georgios zur Besinnung gekommen war, hatte es eine langsame Annäherung gegeben. Jetzt liebte sie es für die Urlaubsgäste und ihre beiden Männer zu kochen. Das war schon immer ihre Leidenschaft gewesen und sie spürte, dass sie auch mit ihren 67 Jahren noch gebraucht wurde.

»Es kommt kein Wasser am hinteren Verteiler,« hatte sie Georgios in der Früh zugerufen, als dieser gerade nach Parikia fahren wollte um ein paar Besorgungen zu machen. Der große Garten, der ganz in der Nähe des zum Grundstück gehörigen, weitläufigen Olivenhains angelegt worden war, war von Anfang an ein wesentlicher Teil ihres Konzeptes, denn nur so konnten sie ihren Gästen auch schmackhaftes Obst und Gemüse aus eigenem Anbau anbieten. Für eine ausreichende Bewässerung der Nutzpflanzen sorgte ein aufwändig verzweigtes Rohrnetz, welches von einem großen in der Erde verbauten Kunststofftank am oberen Bereich des Geländes gespeist wurde. Dieser wurde zwei bis dreimal im Jahr von einer alten Zisterne befüllt, die früher das große Anwesen auch mit Trinkwasser versorgt hatte. Zu diesem Zeitpunkt lag das Apostoulópoulos-Areal noch weit weg von dem öffentlichen Trinkwassernetz und Georgios Vater hatte seinerzeit viel Geld investiert, um die lange Versorgungs­leitung bis zu dem alten Wasserspeicher bauen zu lassen.

Im Zuge der Umbaumaßnahmen von ihrem Gästehaus hatten sie sich auch Gedanken über ein neues Trinkwasserversorgungskonzept gemacht, zumal sie jetzt Touristen zu versorgen hatten und ihnen hygienisch einwandfreies Wasser zur Verfügung stellen mussten. So standen sie vor der schwierigen Entscheidung, entweder das Gehöft an das öffentliche Versorgungsnetz anzuschließen, oder in eine eigene autarke Wasseraufbereitung zu investieren. Nach reiflicher Überlegung hatten sie sich für Letzteres entschieden, zumal auch mehr und mehr durchsickerte, dass die öffentliche Trinkwasserversorgung auf den Kykladen in Kürze privatisiert werden sollte. Als dann noch der Vertreter der Firma OsmoTec einige Referenzen aufweisen konnte, war das Projekt besiegelt und wurde als eine der ersten Baumaßnahmen umgesetzt. Das war bereits im letzten Jahr erfolgt, und Louis war nach einer umfangreichen Schulung in der Lage, die Umkehrosmose-Anlage zu bedienen. Sie waren zufrieden mit ihrer Entscheidung, und bisher hatte es keinerlei Ausfälle gegeben. Die letzte Wartung bescheinigte ihnen einen einwandfreien Betrieb der Anlage, und das erwarteten sie auch von der zweiten Wartung, die in dieser Woche durchgeführt werden sollte. Die Module waren ausschließlich für die Hausversorgung ausgelegt, für die Bewässerung des großen Gartens und der Olivenhaine hatten sie ja noch den Anschluss an die alte Zisterne.

Das neu verlegte weitreichende Bewässerungssystem für den Garten hatte vier Verteiler, von denen jeweils kleinere Leitungen in die verschiedenen Bereiche der Anpflanzungen führten. Systematisch lief er von unten beginnend die einzelnen Verteilerstationen ab und musste schnell feststellen, dass an beiden unteren Knotenpunkten nur ein schwaches Rinnsal tröpfelte. Sophia hatte also Recht und demnach musste die Ursache wohl weiter oberhalb liegen, überlegte Georgios, während er schnell ein paar Tomaten und Gurken abpflückte, auf die Sofia bestimmt schon ungeduldig wartete. Aber auch die Überprüfung der oberen Verteiler brachte ihn nicht weiter, also konnte es eigentlich nur an dem großen Zwischenspeicher liegen, der bestimmt nur neu befüllt werden musste.

Kurzerhand lief er zu dem großen kreisförmigen Deckel, welcher einen Zugang zu dem unterirdischen Tank zuließ, und holte sich einen Maulschlüssel aus dem nahe gelegenen Geräteschuppen, um die schwere Stahlklappe zu öffnen. Er löste die vier großen Schrauben und klappte schwerfällig den Deckel nach oben. Mit Hilfe eines langen Stabes konnte er recht schnell erkennen, dass tatsächlich der gesamte Tank leergelaufen war, was zunächst für ihn kein größeres Problem darstellte. Jetzt kannte er die Ursache und musste nur noch den großen Schieber öffnen, um den Zwischentank mit frischem Wasser aus der alten Zisterne neu zu befüllen. Das würde eine ganze Weile in Anspruch nehmen, aber dann hätte er wieder genügend Wasser für die nächsten Monate. Geschwind holte er den klobigen Vierkant aus dem alten Schuppen.

Es wurde langsam heiß und er begann zu schwitzen, als er mit Kraft begann den verrosteten Schieber aufzudrehen. Ächzend drehte er Umdrehung um Umdrehung und der Spalt des schweren Ventils wurde langsam größer, während Georgios auf das zischende Geräusch des einströmenden Wassers wartete.

Doch es tat sich nichts, selbst als er den Absperrschieber vollständig geöffnet hatte, hörte er nur ein leichtes Glucksen, keine Spur eines rauschenden Wasserschwalls. Georgios wischte sich die Schweißperlen von der Stirn. Verdammt, hier musste etwas anderes vorliegen, was außerhalb seines Grundstückes lag. Vielleicht führte man gerade Wartungsarbeiten durch und hatte nur kurzfristig die Wasserversorgung unterbrochen, dachte er, als er ansetzte das schwergängige Ventil wieder zu schließen. Er würde sogleich in Parikia bei der zuständigen Behörde anrufen um den Grund der Unterbrechung zu erfahren, jetzt musste er aber zunächst schnellstens zurück um Sofia das angeforderte Gemüse zu bringen.

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