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Vorbemerkung

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Es gibt so etwas wie ein universelles Prinzip, um emotionale Probleme zu bewältigen! Viele Menschen verfügen intuitiv darüber. Hocheffektive Meditationstechniken wenden es seit Tausenden von Jahren an, ohne dass man bisher ausreichend seine Grundlagen definiert hätte. Die Verhaltenstherapie hat das Grundprinzip nach dem Zweiten Weltkrieg wiederentdeckt. Aber erst mit der praktischen Umsetzung von Einsichten aus der neuen Psychologie der Emotionalen Intelligenz wurde seine universelle Geltung und Wirksamkeit erkannt – es wurde systematisiert zur „Technik des desensibilisierenden Blicks“.

Dazu war es erforderlich, Begriffe wie Gefühl, Emotion, Affekt und Stimmung – und damit auch unser Verständnis von Werten und Wert- und Sinnerfahrungen – neu zu definieren und ihre wesentlichsten Eigenschaften herauszuarbeiten. Fast nebenher erlernt man dabei auch die Grundlagen eines anderen Lebensverständnisses, das sich durch immer mehr emotionale Qualität, durch Leichtigkeit, Leistungssteigerung, Selbstmotivation und eine neue Art von Konfliktbewältigung auszeichnet.

Anders als Entspannungstechniken wie Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung oder vorwiegend kognitive Mentaltechniken zielt diese Methode bei emotionalen Konflikten ohne Umwege direkt ins Zentrum der uns am meisten bedrängenden Probleme …

Und was mindestens genauso wichtig ist: Wir verfügen damit zum ersten Mal in der Geschichte der Mentaltechniken über ein psychologisch klar definiertes mentales Instrument, das sich „in Aktion“, also innerhalb unserer Tagesaktivitäten, im Stress, in der Arbeit, im Gespräch, beim Vortrag, bei schwierigen Verhandlungen und Verkaufsgesprächen, im Sport – vor allem auch bei Herausforderungen, die umgehendes Handeln erfordern – sekundenschnell einsetzen lässt.

Man benötigt dazu also keine Entspannungs- oder Imaginationsübungen. Solche Vorübungen dienen lediglich der Vorbereitung, um das Prinzip des neutralisierenden Blicks zu verstehen. Später wird die Technik ohne Versenkungs- und Entspannungsübungen praktiziert.

Dazu ist in problematischen Situationen oft nur noch eine einzige, kurze innere Wendung erforderlich. Unsere Einführung folgt dabei einer inzwischen bewährten lernpädagogischen Strategie, die man „perspektivistisch“ nennen könnte: Die wichtigsten Punkte werden nicht in einer einzigen Formulierung, in einem „Arbeitsgang“ vermittelt – wobei dann möglicherweise das Wesentliche überlesen oder wieder vergessen werden könnte –, sondern nur, so weit es nach dem jeweiligen Kenntnisstand geboten ist.

Verschiedene Beschreibungen, wechselnde Gesichtspunkte und Wiederholungen verdeutlichen und festigen danach das Wissen über die Technik des desensibilisierenden Blicks und die Theorie der Emotionalen Intelligenz immer mehr, aus der diese neue und hochwirksame Methode der Konfliktbewältigung entwickelt wurde.

Seit Daniel Golemans bahnbrechendem Buch Emotionale Intelligenz, 1995 (deutsch 1996) gibt es zwar ein Fülle von Büchern und Ratgebern, die sich mehr oder weniger kompetent mit dem Thema befassen, was wir tun sollten um „emotional intelligent“ zu handeln. Doch dürfte vielen Lesern und Experten kaum entgangen sein, dass die meisten nur wenig brauchbare Möglichkeiten zur praktischen Umsetzung bieten.

Ähnlich wie beim Neurolinguistischen Programmieren (NLP), einer Methode, deren Wirksamkeit z.B. das Nachrichtenmagazin FOCUS nicht ohne gute Gründe in Zweifel zieht, zeigt sich auch bei Ratgebern zur emotionalen Intelligenz, dass es sich meist um theoretisch überfrachtete und dabei trotzdem merkwürdig vage bleibende Darstellungen handelt, mit den sich im Alltag wenig anfangen lässt.

Stellvertretend für diese Vagheit und Unbestimmtheit bei aller grundsätzlichen Richtigkeit mag ein Zitat aus Daniel Golemans Emotionale Intelligenz stehen. Dabei bezieht sich Goleman auf die Regeln des so genannten Self Science Curriculums, das den Regeln emotionaler Intelligenz entspricht:

Umgang mit Gefühlen – das ‘Selbstgespräch’ auf negative Botschaften wie etwa stumme Kränkungen überwachen; erkennen, was hinter einem Gefühl steckt (z.B. die Verletzung hinter dem Zorn); Wege finden, um mit Befürchtungen und Ängsten, Zorn und Traurigkeit fertig zu werden“.

Wer, so darf man hier mit Recht fragen, wird nach solchen durchaus zutreffenden und emotional intelligenten Hinweisen nun auch tatsächlich „Wege finden“, um mit seinen Gefühlen fertig zu werden? Simpler gefragt: Was genau sollen wir praktisch tun?

Analysiert man, woran es eigentlich liegt, dass Einsichten über unsere emotionalen Probleme zu so wenig alltagstauglichen Ergebnissen führen, dann findet man einerseits eine allgegenwärtige Begriffsverwirrung und andererseits – soweit Probleme doch klar erfasst werden – mangelndes Wissen, wie man diese Erkenntnisse umsetzen kann und welches eigentlich das genaue Ziel solcher inneren Veränderung sein sollte.

Besonderer Wert wurde daher in diesem Ratgeber wieder darauf gelegt, keine isolierte Mentaltechnik zur Bewältigung emotionaler Konflikte zu vermitteln, sondern in möglichst anschaulicher und begrifflich überzeugender Weise zu den Grundeinsichten emotionaler Intelligenz hinzuführen.

Wir werden angeleitet, unsere Aufmerksamkeit auf die wirklich entscheidenden Bedingungen unseres Lebens einzustellen, zu „fokussieren“, wie wir in diesem Ratgeber sagen werden: nämlich auf Wert und Sinn, auf Gefühl und Emotion.

Denn nur ausreichendes Basiswissen bewahrt uns vor Missverständnissen. Und nur von grundsätzlichen Einstellungsänderungen sind langfristige positive Veränderungen zu erwarten.

Um Ihnen den Unterschied zwischen solchem „Basiswissen“ und typischen Regeln, die gewöhnlich als emotional intelligentes Verhalten verstanden werden, noch weiter zu verdeutlichen, hier einige zusätzliche Verhaltensgrundsätze „emotionaler Intelligenz“, diesmal für den Umgang mit Vorgesetzten und Mitarbeitern“:

– Autoritäres und rechthaberisches Verhalten überflüssig machen durch Eingehen auf Argumente.

Vertrauen bilden durch aktives Zuhören, Rückmeldung und ehrlichen Austausch.

Auf Gefühle von Mitarbeitern oder Vorgesetzten eingehen und trotzdem Grenzen ziehen und sich nicht vereinnahmen lassen.

Offen Meinungen äußern, ohne andere zu verletzen oder zu blockieren.

Schwächen anderer weniger direkt, als durch Schwierigkeit der zu lösenden Probleme sichtbar werden lassen.

Solche Regeln charakterisieren zweifellos genauso wie das von Goleman verwendete Self Science Curriculum emotional intelligentes Verhalten. Dies gilt für Unternehmen ebenso wie für Schule und Ausbildung, aber auch in anderen Bereichen wie Diskussionen und künstlerischer Zusammenarbeit. Die Umsetzung derartiger Regeln ist wünschenswert.

Deshalb noch einmal: Wie lassen sie sich umsetzen? Durch einfache Appelle? Durch Überredung? Durch Schulung? Durch bloße Entscheidungen der Beteiligten? Durch Nachahmen von Vorbildern? Durch Sympathieübertragung?

Alle genannten Faktoren können daran beteiligt sein, dass solche Regeln realisiert werden. Wie die Erfahrung zeigt, lässt sich die Motivation dazu jedoch ungleich nachhaltiger verstärken, wenn wir eine grundsätzliche Umorientierung erreichen. Und diese Umorientierung ist „existenzieller“ und begrifflicher, psychologisch-philosophischer Natur:

Wenn es uns nämlich besser gelingt, zu verstehen, warum und wozu wir leben, was – jenseits aller Ideologien – den Wert und allgemeinen Lebenssinn über den individuellen Sinn jedes Einzelnen hinaus ausmacht, genauer: was die Emotion, das Gefühl, die Stimmung, die Leidenschaft für eine Sache attraktiv und erstrebenswert werden lässt und was den evidenten Wert solcher Erfahrungen begründet – kurzum, worin denn eigentlich das Wertvollsein unserer Lebenserfahrungen liegt, dann erhalten wir damit ein mentales Kriterium, ein Steuerungs- und Bewertungsinstrument, das geeignet ist, solche Regeln wie die der Zusammenarbeit tatsächlich als für unser eigenes Fühlen nützliche Instrumente einzusetzen.

Wir wissen dann, wozu wir das tun sollen, was die Regeln propagieren.

Mit der besseren Klärung solcher Grundlagen werden dann plötzlich auch – fast schon möchte man sagen: zwangsläufig – die technischen Möglichkeiten deutlich, wie man Gefühle verändert. Die Technik des desensibilisierenden Blicks ist eines dieser grundlegenden Instrumente.

ANMERKUNG

Das Verfahren, dass wir bei einem so wichtigen Thema wie der Bedeutung von Gefühlen und Bewertungen einsetzen, ist aus den Geisteswissenschaften als „perspektivistisch“ bekannt (Nietzsche, Ortega y Gasset). Wundern Sie sich also nicht, wenn wir, wie oben bereits erwähnt, die wesentlichen Strukturen des Fühlens aus immer neuen Perspektiven betrachten. Bei Befragungen vieler Seminarteilnehmern hat sich gezeigt, dass kaum jemand den Stellenwert des Fühlens richtig einzuschätzen vermag, wenn er den Zusammenhang nicht an ausreichend vielen Beispielen kennengelernt hat.

Stehen Sie drüber!

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