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Ungünstige Familie – düstere Zukunft

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Nur in zehn Prozent aller Fälle schreckt ein ungünstiges Milieu die jungen Menschen ab. Zehn Prozent der Kinder von kettenrauchenden Eltern werden leidenschaftliche Nichtraucher, zehn Prozent der Kinder aus bildungsfernen Familien machen Abitur und studieren; sie wollen zielstrebig aus ihrem „Elend“ heraus und nach oben kommen. Leider färbt in 90 Prozent der Fälle ein ungünstiges Milieu ab, meist durch das, was wir Modelllernen nennen. Die Ergebnisse der WORLD VISION Kinderstudie des Bielefelder Universitätsprofessors Klaus Hurrelmann bestätigen im Jahr 2007, was wir eigentlich schon lange wissen: Schüler aus sozial schwachen Familien kommen nur selten zu einem guten Schulabschluss, sie finden allzu oft keinen Ausbildungsplatz, sie haben riesige Existenz- und Zukunftsängste, und sie landen überrepräsentativ oft später in Armut. Da in unserer Gesellschaft nicht mehr so viele gering qualifizierte Arbeitnehmer benötigt werden wie noch vor 50 Jahren, enden viele Menschen als Hartz-IV-Empfänger, während es andererseits an Ingenieuren mangelt und immer häufiger hochqualifizierte Fachkräfte, zum Beispiel aus Asien, angeworben werden müssen. Wenn das Institut der Deutschen Wirtschaft, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag und die Arbeitgeberverbände mittlerweile sagen, dass es sich der Wirtschaftsstandort Deutschland nicht länger leisten kann, begabte junge Menschen auf das Abstellgleis Hauptschule zu schieben und dann Experten im Ausland anwerben muss, dann ist das höchst ungewohnter Beifall für eine längere Grundschule, die in Schleswig-Holstein und Berlin Gemeinschaftsschule heißt, für eine zusammengelegte Haupt- und Realschule (Regionalschule) und auch für die Integrierte Gesamtschule. In Hamburg erhält die Initiative „Eine Schule für Alle“ mittlerweile großen Zulauf und große Zustimmung, obgleich oder weil sich in der Hansestadt sogar die SPD für ein schulisches Zwei-Säulen-Modell mit „Stadtteilschule“ und Gymnasium entschieden hat.

Fachleute sagen schon lange, was die WORLD VISION Kinderstudie fordert: Wir brauchen deutlich längere Grundschulzeiten (weltweit sind acht-, neun-, zehn- oder zwölfjährige üblich) und Ganztagsschulen, denn Lernen braucht Zeit, Üben, Anwenden, Wiederholen und Rhythmisierung. Lernen braucht aber auch in der Schule einen Ausgleich für das, was die Familie nicht hinkriegt, nämlich Erziehung, Förderung und Bildung. Die 40 Jahre alte Forderung nach „Chancengleichheit“ ist nämlich immer noch weit von der Realität entfernt, wenn wohlhabende Eltern ihrem Kind Nachhilfe ermöglichen können, mit der es zum Abitur kommt, ein gut begabter Junge aus einer armen Familie aber in der Jugendarbeitslosigkeit landet, weil seine Eltern ihn nicht fördern können, also weil sie keinen Nachhilfeunterricht bezahlen können und weil es weder eine Ganztagsschule in der Nähe gibt noch eine Gemeinschaftsschule, die mitreißende Lerneffekte zu organisieren vermag.

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