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Bezugsebenen und Methoden der Musikpädagogik

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Der Begriff Musikpädagogik begegnet uns in vier verschiedenen Zusammenhängen, die sich als vier Ebenen musikpädagogischen Denkens und Handelns umreißen lassen (vgl. Kaiser & Nolte, 1989, S. 18). In ihnen kommen sehr unterschiedliche Methoden zur Anwendung. Diese orientieren sich weitgehend am jeweiligen Erkenntnisinteresse. Folgende Ebenen bzw. Felder von „Musikpädagogik“ lassen sich unterscheiden:

1.steht der Begriff für ein Nachdenken und Forschen, das sich primär analytisch – dabei auch komparativ – auf zwei Bereiche der Wirklichkeit richtet: zum einen auf tatsächlich vorfindliche musikpädagogische Praxis, zum anderen aufdie historisch und systematisch beschreibbaren Bedingungen für die Möglichkeit musikpädagogischen Handelns und für das Nachdenken über dessen Grundlagen, nämlich musikpädagogische Theoriebildung. Insoweit es um die Analyse musikpädagogischer Praxis geht – vorzugsweise also um Musikunterricht in seinen verschiedenen Ausprägungen (z.B. schulischer Musikunterricht, Instrumentalunterricht im privaten oder im Bereich der Musikschule, Unterweisung im Internet) – werden primär Methoden der empirischen Forschung angewandt. Vor allem, wenn neue Ideen auftreten, möchte man wissen, mit welchem Erfolg sie verwirklicht wurden, um sie bestätigen, optimieren oder verwerfen zu können. Aufdie-se Weise gerieten in der jüngeren Vergangenheit u.a. Ideen zur Inklusion, das Programm „Jedem Kind ein Instrument“ („JeKi“), Klassenmusizieren, Musikklassen und Komponieren bzw. Musik-Erfinden mit Schüler*innen in den Blick der Forschung. Wenn es dabei primär um individuell relevante Unterrichtsergebnisse wie Einschätzungen oder Befindlichkeiten der am Unterricht Beteiligten geht, kommen primär Methoden der qualitativen Forschung wie z.B. narrative oder leitfragengestützte Interviews zum Tragen. Sie können mit quantitativen, z.B. für Statistiken relevanten Methoden verknüpft werden, die u.a. angewendet werden, wenn es um Fragen der Teilhabe an Musik infolge von Unterrichtserfahrungen geht – z.B. wer ohne und mit Unterricht wann wie oft musiziert, hört oder tanzt – oder um die Auswirkungen sozialer Bedingungen auf die Einstellungen der Lernenden – z.B. die Frage, wie sich ein Migrationshintergrund auf die musikalischen Präferenzen oder die musikbezogene Lernbereitschaft auswirkt. Wer aus historischer Sicht Musikunterricht beschreiben will, hat u.a. schriftliche Dokumente auszulegen: alte Erlasse, Lehrpläne, konzeptionelle Schriften zur Musikpädagogik, Unterrichtsmaterialien usw. Zur Interpretation, Einschätzung, Ein- bzw. Zuordnung solcher Quellen finden Methoden der Hermeneutik Anwendung. Wo es um das Anliegen geht, Musikpädagogik systematisch zu erfassen, wo also über ein System bzw. eine systematische Fundierung des Denkens über den Zusammenhang der musikpädagogisch relevanten Teilbereiche nachgedacht wird, wird eine Methodik in Anschlag gebracht, die man als philosophisch insoweit bezeichnen kann, als sie sich der Verfasstheit von Erkenntnis im weitesten und grundlegenden Sinne widmet. Im angelsächsischen Sprachgebrauch wird dieser Teilbereich auch als ‚philosophyofmusical education‘ bezeichnet. Zu ihr gehört wesentlich jener Bereich der Musikpädagogik, der als ‚Systematische Musikpädagogik‘ oder ‚Allgemeine Musikpädagogik‘ bezeichnet werden kann. Er befasst sich mit grundsätzlichen Fragen: mit Voraussetzungen, Bedingungen und Folgen musikpädagogischen Denkens und Handelns und mit den bereits gewonnenen Antworten aufdiese Fragen. Durch Systematische Musikpädagogik wird versucht, auf der Grundlage u.a. erkenntnistheoretischer, ästhetischer und soziologischer Einsichten musikpädagogischem Denken eine geordnete Orientierung zu verleihen. Zu ihren Intentionen gehört auch die Ausarbeitung einer einschlägigen Wissenschaftstheorie. Da in verschiedenen Ländern unterschiedliche Vorstellungen von musikalischer Erziehung und Bildung bestehen, gibt es auch einen als ‚vergleichende Musikpädagogik‘ bezeichneten Bereich, der sich der Aufarbeitung dieser nationalen Positionen widmet. Dabei geraten unterschiedliche Musiken, differierende Musikbegriffe, unterschiedliche Einschätzungen musikalischer ‚Sachverhalte‘ und unterschiedliche musikpädagogische Positionen in den Blick, weil Menschen in unterschiedlichen Kontexten unterschiedlich denken. Diese Kontexte können unter bestimmten Umständen ‚Kultur‘ genannt werden, und unterschiedliche Kulturen sind es denn letztlich auch, auf die Differenzen zwischen musikpädagogischen Vorstellungen in verschiedenen Ländern zurückzuführen sind.

2.steht der Begriff für ein Nachdenken und Forschen, das sich primär konstruktiv auf eine künftige musikpädagogische Praxis richtet, und zwar primär im Modus des Nachdenkens – weniger des empirischen Forschens – über diese Praxis. Oft ist ein solches Nachdenken auf die Struktur und den Gehalt von Konzepten für Unterricht oder musikpädagogische Konzeptionen gerichtet und kann in neue konzeptionelle Vorschläge einmünden. Dabei geht es fundamental darum, wie den verschiedensten Ansprüchen, die an Lehren, Lernen und Bildung im Zusammenhang mit Musik vor allem im institutionellen Zusammenhang gestellt werden, möglichst ausgewogen gerecht werden kann. Erwartungen, Wünsche und Forderungen der Lernenden, der Lehrenden, der Elternschaft, der kulturellen Institutionen, der Politik und der Wissenschaften – insbesondere der Musik- und Kulturwissenschaften, aber auch der aktuellen Musikpädagogik – sind dabei zu berücksichtigen. Insoweit dabei bereits vorliegende Positionen ausgewertet werden, um sie zu kritisieren, zu optimieren oder um Alternativen zu gewinnen, können z.B. Prinzipien des Verfahrens der Diskursanalyse angewendet werden, um herauszustellen, was Andere aus welchen Gründen gedacht haben (zusammenfassend Wirmer, 2020). Bei einer solchen Analyse wird nicht nur nach Interdependenzen zwischen einzelnen Positionen und den Strukturen dieser Beziehungen gefragt, sondern auch nach deren Abhängigkeit z.B. von Machtverhältnissen oder hegemonialem Denken.

3.wird der Begriff für jenen Bereich praktischer Tätigkeiten gebraucht, mit denen es anderen ermöglicht wird, im Umgang mit Musik ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten zu verbessern, also Musik zu lernen und sich musikalisch bzw. musikbezogen zu bilden: Dazu gehört primär der schulische und außerschulische Musikunterricht.

4.findet der Begriff auch Anwendung im Zusammenhang mit Tätigkeiten, die zwar mit Musik und Pädagogik verbunden werden können, jedoch nicht spezifisch auf Bildung oder Ausbildung ausgerichtet sind (z.B. Prozesse informeller musikalischer und musikbezogener Bildung durch den einschlägigen Gebrauch digitaler Medien, Bemühungen um gemeinsames Musizieren im Rahmen von ‚Community music‘, Komponist*innen als Pädagog*innen bzw. Werke als klingende Musikpädagogik; vgl. dazu z.B. Schatt, 1991; Kloppenburg, 2002; Mertens, 2013).

Überlegungen zur Unterscheidung zwischen den genannten Bereichen haben insbesondere in den 1970er-Jahren im musikpädagogischen Denken eine große Rolle gespielt. Sie dienten der Selbstfindung einer noch jungen Disziplin und entsprangen dem Ringen um die Fundierung von Musikpädagogik als einer selbständigen Wissenschaft. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Musikpädagogik und Musikdidaktik war dabei von erheblichem Belang, gab es doch Stimmen, die beides als Unterabteilungen anderer Wissenschaften sahen, insbesondere der (historischen und systematischen) Musikwissenschaft.2

Einführung in die Musikpädagogik

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