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Unterscheidung Musikpädagogik – Musikdidaktik

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Bei der Unterscheidung zwischen Musikpädagogik und Musikdidaktik geht es um die Zuweisung von Aufgaben und die Bestimmung bzw. Abgrenzung von Inhalten. Eine etymologische Bestimmung des Wortes ‚Didaktik‘ hilft nur wenig weiter. Der Begriff stammt vom gr. διδάσκειν, was so viel wie unterrichten, lehren, aber auch belehrt, unterrichtet werden, sich aneignen heißt. Das dazu gehörige Nomen δίδαξις bedeutet dementsprechend Lehre, Unterweisung, Unterricht. Im Vergleich zu den Bestimmungen, die von dem Wort Pädagogik ausgingen, können wir an dieser Stelle festhalten, dass es in beiden Fällen um eine absichtliche Veränderung von Menschen geht, und zwar dahingehend, dass sie sich Erscheinungen der Welt in neuer Weise oder neuen Erscheinungen der Welt zuwenden. Im Unterschied zum Pädagogischen richtet sich aber das Didaktische mehr auf bestimmte Formen und bestimmte Modi dieser Zuwendung: und zwar auf solche, die mit mehr oder weniger institutionalisierten Weisen der Interaktion und Kommunikation, also Lehren im Sinne von Unterricht, verbunden sind.

Zurückzuweisen ist insofern z.B. die Auffassung Wolfgang Rüdigers,

„die Vorstellungen, die wir uns von einem Stücke machen und die in dem Maße wachsen, in dem wir uns möglichst eindringlich um das Stück bemühen, es vielfältig erschließen, mit ihm ‚sprechen‘, seine Wesensart ergründen, wie es gemacht ist und warum“

seien didaktisch (Rüdiger, o. J., S. 2). Wir haben es hier mit einem Vorgang zu tun, bei dem Aspekte von ‚Lehre‘ und ‚Unterricht‘ keine Rolle spielen und den wir im Allgemeinen als Interpretation bezeichnen. Interpretation findet zwar in didaktischen Zusammenhängen statt: Etwa dann, wenn man einen Inhalt daraufhin untersucht, welche seiner Aspekte für Lehren und Lernen geeignet und sinnvoll sind; Interpretation aber mit Didaktik gleichzusetzen, führt zu einer Erweiterung des Begriffs, der ihn für musikpädagogische Zusammenhänge unbrauchbar macht.

Die Schwierigkeiten der Abgrenzung zwischen Musikpädagogik und Musikdidaktik zeigen sich in zwei Äußerungen des Musikpädagogen Karl Heinrich Ehrenforth. Er beschrieb 1977 die Aufgabe der Musikpädagogik – um sie von derjenigen der Musikdidaktik zu unterscheiden – folgendermaßen:

„So ist eine kooperative Arbeitsteilung zwischen Musikpädagogik und Musikdidaktik anzustreben, die dem gemeinsamen Ziel einer ‚Theorie der Musikerziehung‘ gewidmet ist. Der Musikpädagogik wären dann folgende Aufgaben zuzuordnen: a) die empirisch-sozialwissenschaftlich-psychologische Ermittlung der musikkulturellen Bedingungen und Voraussetzungen des Musiklernens (dies in enger Zusammenarbeit mit Musikpsychologie und Musiksoziologie) und b) die Aufarbeitung und Verarbeitung der von den anthropologischen und soziologischen Nachbarwissenschaften erzielten Erkenntnisse und Theorien, soweit sie für eine ‚Theorie der Musikerziehung‘ förderlich und von Nutzen sind. Der Musikdidaktik wäre aufgetragen a) alle Aspekte der unterrichtlichen Vermittlung von Musik zu bedenken und aufeinander zu beziehen und b) Zielvorstellungen musikalischer Bildung zu entwickeln, die ihre entscheidenden Maßstäbe aus der Antwort auf die Frage gewinnen muss, was die Musik als geschichtliches und gegenwärtiges Phänomen unaustauschbar und über die Offenheit allgemeiner Lernzielvorstellungen hinaus zur Personwerdung des Menschen beitragen kann“ (Ehrenforth, 1977, S. 98).

Unklar bleibt hier, wovon eine „Theorie der Musikerziehung“ handeln soll, sind doch die Aufarbeitung des kulturellen Kontextes und der anthropogenen und sozialen Bedingungen der Musikpädagogik, die Entwicklung der entsprechenden Ziele aber der Musikdidaktik aufgetragen. Musikpädagogik und Musikdidaktik wären damit zwei zwar unterscheidbare, aber voneinander abhängige Disziplinen: Die Musikdidaktik hinge von den Ergebnissen der Musikpädagogik ab, da diese die Notwendigkeiten und Möglichkeiten musikalischer Bildung zu eruieren hätte; umgekehrt hätte sich aber die Musikpädagogik auf die Musikdidaktik zu beziehen, da diese aus den Aspekten unterrichtlicher Vermittlung die Fragestellungen – u.a. die nach Begründungen für Zielvorstellungen des Musikunterrichts – zu entwickeln habe. Der Musikpädagogik ginge es nach Ehrenforth nicht um den Vollzug des Lehr/Lernprozesses, sondern um dessen Bedingungen und Voraussetzungen. Der Vollzug gehörte in den Bereich der Musikdidaktik, und zwar im Akt des Bedenkens und aufeinander Beziehens sowie in der Entwicklung einer auf die Lernenden bezogenen Intentionalität. Wie dies geschehen soll, ohne an der Aufarbeitung von Erkenntnissen von Kulturwissenschaft, Soziologie und Anthropologie beteiligt zu sein (dies sei ja Aufgaben- bzw. Arbeitsfeld der Musikpädagogik) bleibt unklar. Und da mit dem Erziehungsgedanken – die Rede ist von Musikerziehung – das ethische Moment von Unterricht als ein durch musikpädagogisches und musikdidaktisches Nachdenken zu fundierender theoretischer Bereich der Reflexion angesprochen wird, wird das Gestrüpp noch undurchdringlicher: Offenbar soll die Musikpädagogik Aussagen über einen Beitrag der Musik zur „Personwerdung“ machen, deren inhaltliche Verwirklichung die Musikdidaktik vornimmt, ohne am musikpädagogischen Denken u.a. über deren Legitimität und Angemessenheit teilzuhaben.

Das Unstimmige dieser Konstruktion schien Ehrenforth erkannt zu haben, denn ein Jahr später hieß es:

„Es wäre wünschenswert, die Begriffe ‚Musikerziehung‘, ‚Musikdidaktik‘ und ‚Musikpädagogik‘ trennschärfer zu verwenden, wenn auch erhebliche Schwierigkeiten dem noch entgegenzustehen scheinen. Es wäre denkbar, den Begriff ‚Musikerziehung‘ grundsätzlich dem Gesamt der musikerzieherischen Praxis zuzuweisen, während vorläufig die Begriffe ‚Musikdidaktik‘ und ‚Musikpäda-gogik‘ beide als Bezeichnungen von Wissenschaft gelten, deren Abgrenzungen weder möglich noch sinnvoll erscheinen. Darüber hinaus hat sich eingebürgert, den Begriff ‚Musikpädagogik‘ im bildungs- und kulturpolitischen Raum als Sammelbegriff für Theorie und Praxis der Musikerziehung zu gebrauchen, während im Gegenüber zur Musikwissenschaft der gleiche Begriff als Bezeichnung eines Wissenschaftszweiges Verwendung findet, der mit dem Begriff ‚Musikdidaktik‘ offensichtlich nicht hinreichend umschrieben zu sein scheint“ (Ehrenforth, 1978, S. 197).

Einführung in die Musikpädagogik

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