Читать книгу Mehr recht als billig - Kriminalroman - Peter Werkstätter - Страница 7

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Lache nicht über die Dummheit der anderen! Sie ist deine Chance

(Henry Ford)

Am vereinbarten Mittwochmorgen nahm Volker Selketal, mit den vorbereiteten Schriftsätzen des Vertragsentwurfes für seine juristische Beratungstätigkeit im Unternehmen Secury Tex Aue, nun schon zum zweiten Mal im Beratungsraum eben dieser Firma Platz. Im Gegensatz zum ersten Treffen war die Geschäftsführung bereits anwesend. Sie empfingen den Juristen in gleicher Besetzung wie wenige Tage vorher.

Selketal überreichte jeweils ein Exemplar des Vertrages an seine neuen Geschäftspartner und bat sie, den Schriftsatz in aller Ruhe zu prüfen und eventuelle Änderungsvorschläge oder Ergänzungswünsche anzumerken.

Nach zirka 10 Minuten brach Lutger Krings als ranghöchster Unternehmensvertreter das Schweigen. „Bis auf zwei kleine Formulierungsdetails, die aber keine inhaltliche Relevanz haben, gibt es meinerseits keine Anmerkungen. Offenbar haben wir uns in unserem ersten Gespräch ausgezeichnet verstanden. Gibt es von ihnen anders lautende Einschätzungen bezüglich des Vertragstextes?“, wandte er sich an seine Partner.

Verena Korthe verneinte das sofort. Offenbar hatte sie die beiden Ungereimtheiten in der Formulierung nicht bemerkt und war bemüht, daraus keine Peinlichkeit entstehen zu lassen. Kai Jäger nickte nur und untermauerte mit einer Geste in Richtung seiner Chefs, dass damit alles gesagt sei.

Lutger Krings bat daraufhin seine Sekretärin mit einem Stenoblock zum Diktat. Er war diesbezüglich noch „Old School – belastet“ und hatte sich in seiner gesamten beruflichen Laufbahn nur Sekretariatspersonal mit Kenntnissen in Stenografie ausgewählt.

Er diktierte die zwei geänderten Textstellen sehr formulierungssicher und erstaunlich zügig.

Nachdem er sich mit einem Blick in die Runde die Zustimmung der anderen Beratungsteilnehmer für seine Korrekturen eingeholt hatte, traten sie in eine kleine Beratungspause ein.

„Wie sind sie denn auf meine Kanzlei gestoßen, ihr Unternehmen ist ja über 50 km von Plauen entfernt und hier gibt es doch auch reichlich Juristen?“, erkundigte sich der Anwalt.

„Eigentlich auf Umwegen“, antwortete der Betriebsleiter. „Ich habe einen guten Bekannten in Treuen im Vogtland und der hat während eines Einkaufsbummels in den Kolonnaden von Plauen ihr Büro entdeckt. Da er wusste, dass wir einen Fachanwalt für Wirtschaftsrecht suchen und diese im Erzgebirge noch dünn gesät sind, hat er mir ihre Kontaktdaten zugemailt. Ich werde ihm am kommenden Wochenende beim Fußballspiel im neuen Erzgebirgsstadion dafür ein frisch gezapftes Bier spendieren. Ich hoffe, die Halbzeitstimmung im VIP Bereich des FC Erzgebirge Aue ist entsprechend gut – unsere Mannschaft spielt gegen Dynamo Dresden.“

„Ja, der Fachanwalt für internationales Wirtschaftsrecht ist noch nicht verbreitet in Deutschland. Er wurde erst im Jahre 2013 durch die Bundesanwaltskammer als 21. Fachanwaltschaft zugelassen. Insofern hat sich ihr Bekannter durchaus sein Bier verdient“, erwiderte der Anwalt.

In diesem Moment betrat die Sekretärin das Beratungszimmer und legte zwei Dokumente in Unterschriftsmappen korrekt geordnet ihrem Chef vor. Luger Krings gab ein Exemplar an Volker Selketal weiter. Beide prüften noch einmal den korrigierten Inhalt, unterzeichneten und tauschten dann die Unterschriftsmappen. Nachdem beide Exemplare beidseitig unterzeichnet waren, der Vertrag mit einem Glas Sekt besiegelt und per Handschlag bekräftigt worden war, bot Lutger Krings seinem neuen Geschäftspartner einen Betriebsrundgang an. Dieser war jetzt, nach Unterzeichnung der im Vertrag integrierten Geheimhaltungsklausel, erst möglich.

Während des Rundganges öffnete der Generalmanager von Secury Tex einen der verschlossenen Büroräume.

„Hier können Sie in aller Ruhe ihre Arbeiten vor Ort erledigen. Der Raum steht ausschließlich ihnen zur Verfügung und ist mit dem wichtigsten Büroequipment ausgestattet. Wenn sie noch etwas benötigen, sagen sie es bitte Herrn Jäger, er wird sich entsprechend kümmern.“ Kai Jäger lächelte dienstbeflissen und nickte bestätigend. Sprechen schien nicht so sein Hobby zu sein – zumindest in Gegenwart seiner Heeresleitung.

Der Produktionsdurchlauf beeindruckte Selketal sehr. Das Premiumprodukt, was ausschließlich in einem gesicherten Trakt gefertigt wurde, schien auch die Cashcow des Unternehmens zu sein. Es handelte sich dabei um einen gasdichten Chemikalienschutzanzug vom Typ 1. Diese Persönliche Schutzausrüstung schirmt den Träger komplett gegen fast jede radiologisch, chemisch oder bakteriologisch kontaminierte Umgebung ab.

Krings erklärte nicht ohne Stolz, dass Chemikalienschutzanzüge in der bei ihnen hergestellten Qualität auf dem Weltmarkt nur von sehr wenigen Herstellern angeboten würden. Zwar erfüllten alle zugelassenen Produzenten die geforderten und standardisierten Belastungskriterien, aber die CSA seien keineswegs gegen alle Stoffe resistent. Die Hersteller sind deshalb verpflichtet, mit jedem Anzug eine Beständigkeitsliste auszuliefern, um vor jedem Einsatz die Schutzwirkung des CSA bezüglich der vorhandenen Gefahrstoffe überprüfen zu können. Diese Resistenzliste sei bei ihren Produkten sehr umfangreich und stellte für viele Bereiche ein Alleinstellungsmerkmal dar, was den vergleichsweise hohen Preis gegenüber zahlreicher Konkurrenzprodukte, zum Glück auch in den Augen ihrer Kunden, rechtfertigte.

Der Betriebsrundgang wurde seitens der Geschäftsführung auch genutzt, den Anwalt mit einigen Schlüsselfunktionsträgern bekannt zu machen, die zumindest seine grobe Aufgabenstellung und damit den Grund für Selketals Präsenz im Unternehmen kennen sollten.

Nach zirka einer Stunde saß die Gruppe wieder im Beratungsraum. „Wenn sich aus ihrer Sicht, Herr Selketal, für den Moment keine weiteren Fragen ergeben, hätte ich – vorausgesetzt sie haben noch die Zeit dafür – gleich eine erste Aufgabe. Diese hat sich erst in der vergangenen Woche durch ein Schreiben der Sächsischen Aufbaubank ergeben. Unserer Bitte um Aufschub des Abgabetermines für einen Verwendungsnachweis, wurde nicht entsprochen. Fairerweise muss ich sagen, unserer erneuten Bitte, denn ein Aufschub wurde uns bereits gewährt. Leider hat uns der nicht geplante, vorzeitige Eintritt eines erfahrenen Kollegen in den Ruhestand, in eine prekäre Situation gebracht. Die Inanspruchnahme der Rentenregelung zum Ausscheiden mit 63 Jahren mag zwar für die betreffenden Kollegen ein Segen sein – für den Arbeitgeber ist sie zumeist ein Problem. Personalplanung wird so häufig zur Lotterie.

Da uns Herr Jäger, der anteilig die Aufgaben des verrenteten Kollegen übernommen hat, aber erst seit einem Monat zur Verfügung steht, ist einiges liegen geblieben. Trotz seiner guten fachlichen Ausbildung mussten wir ihm ein Mindestmaß an Einarbeitungszeit zugestehen, so dass Herr Jäger erst in den letzten drei Tagen den Verwendungsnachweis erstellen konnte. Da er das erste Mal mit diesem Förderprogramm befasst war, wäre sicher eine zweite Meinung aus juristischer Sicht zu seiner Vorlage von Vorteil und würde mich sehr beruhigen.“

Volker Selketal, der sich vorgenommen hatte, diesen Einstieg in die westsächsische Wirtschaft unbedingt erfolgreich zu gestalten, sagte sofort zu. „Ich habe mir den heutigen Tag für ihr Unternehmen freigemacht und hatte ohnehin vor, mich in einige Vertragsgegenstände einzulesen. Nun wird es eben gleich konkret, was auch seinen Charme hat.“

Lutger Krings bedankte sich sichtlich erleichtert und bat Verena Korthe, den Anwalt in sein Büro zu begleiten und mit allen erforderlichen Unterlagen auszustatten. Minuten später kämpfte sich der Anwalt durch den, nicht immer leicht verständlichen Antrag, zu dem betreffenden Forschungsprojekt.

Er hatte keine große Erfahrung auf diesem Gebiet und versuchte sich ausschließlich auf die förderungsrelevanten Sachverhalte zu konzentrieren. Den wissenschaftlichen Inhalt vermochte er nicht einmal im Ansatz zu verstehen und verließ sich dort vollinhaltlich auf die Verfasser der Texte.

Nach zwei Stunden intensiver Durchsicht von Antrag, Zwischenberichten und dem Entwurf des Verwendungsnachweises, bediente sich Selketal aus dem zwischenzeitlich gebrachten Thermoskrug. Auf dem Tablett waren liebevoll zwei Tassen, Zuckerbehälter, Milchkännchen und ein Teller mit Gebäck hergerichtet. Der Kaffee war noch heiß und duftete verführerisch.

Aus juristischer Sicht hatte er zunächst nichts zu beanstanden gehabt – bis er noch einmal das Einreichungsdatum des Antrages und den Eingang des Zuwendungsbescheides mit dem Aktivitätenplan des ersten Zwischenberichtes abgeglichen hatte. Dabei war dem Anwalt aufgefallen, dass zwischen Antragstellung und Zustellung des Förderbescheides drei Monate lagen, was zunächst bei einem zuwendungsfähigen Mittelumfang von 1,8 Mio EUR und einer Förderquote von bis zu 50 % nicht außergewöhnlich war.

Nachdenklich stimmte ihn jedoch ein Anstrich im Aktivitätenplan aus dem hervorging, dass bereits sieben Wochen nach Antragstellung, vertraglich bindende Lieferungen von Versuchsmaterialien eines Herstellers Technischer Spezialgewebe, ausgelöst wurden. Dies wäre nicht förderschädlich, wenn im Anschreiben zum Antrag um die Erteilung der Genehmigung zu einem „Vorfristigen Maßnahmebeginn“ gebeten worden wäre. In der Regel wird dem stattgegeben und relativ zeitnah ein Schreiben von der SAB versandt, wo der Antrag „dem Grunde nach“ als förderfähig eingestuft und der „Vorfristige Maßnahmebeginn“ genehmigt wird.

Sowohl der Passus im Anschreiben, als auch das Bestätigungsschreiben der Aufbaubank fehlten in den Unterlagen.

Da Volker Selketal nicht schon am ersten Tag seine Mandantschaft verängstigen wollte und eine Prüfung des Zuwendungsbescheides in aller Regel mehrere Wochen dauerte, beschloss er, zunächst diesen Sachverhalt nicht zu hinterfragen. Zu ändern war es ohnehin nicht mehr, denn das Material war längst verarbeitet und die dafür beantragte Förderquote ausgezahlt.

Der Kasinowechsel hatte dem Spieler tatsächlich Glück gebracht.

Nachdem er drei desaströse Nächte im MGM Grand ertragen musste, nahm er am darauffolgenden Abend gegen 22.30 Uhr an einem Black Jack Tisch im Caesar’s Palace Platz. Dieser Hotel– Kasino – Komplex gehört, neben dem Mirage, zu den Klassikern in Las Vegas Vergnügungsszene. Die monumentale Anlage war im altrömischen Stil erbaut und im Inneren der etwa 15.000 Quadratmeter einnehmenden Räumlichkeiten des Kasinos, ließen viele Details den Besucher in die Zeit 100 v. Chr., als Julius Cäsar geboren wurde, hineinträumen. Vielleicht war es für eine Glücksspielstätte ein gutes Omen, dass Cäsar einst den Rubikon, die Grenze seines Amtsbereichs, mit den Worten „Alea iacta est“ (der Würfel ist gefallen) überquerte und damit Rom den Krieg erklärte. Es war auch denkbar, dass der Anblick der römischen Legionäre in den Pavillons oder Kleopatra, die zu fortgeschrittener Zeit am Arm von Markus Antonius in perfekter Inszenierung durch das Kasino schritt, den Spieler inspiriert hatten.

Genau in diesem Moment begann nämlich seine Glückssträhne und hielt bis in die Morgenstunden an. Dennoch war er sich bewusst, das Schwert des Damokles konnte bereits in der nächsten Nacht seine Glückssträhne durchtrennen, war es doch nur an einem dünnen Pferdehaar befestigt, wie die Sage berichtet. Schnell schob er diese Gedanken beiseite und genoss das gute Gefühl, Gewinner zu sein.

Er setzte sich an einen der prunkvollen römischen Brunnen und beobachtete, wie in einigen Forum Shops das Leben erwachte. Die meisten der über 160 Geschäfte und Restaurants, die an der Shoppingmeile des nördlichen Strip wie bunte Perlen an einer Kette aufgereiht waren, boten ihre Waren und Dienste rund um die Uhr an. Man konnte sich seinen Einkauf oder einen Restaurantbesuch zu einer bestimmten Tageszeit auswählen, da sich die Etablissements unter einem künstlichen Himmel befanden, der den Tagesablauf von der Morgendämmerung bis zum Abend simulierte.

Er ließ die beeindruckende Architektur auf sich wirken. Das Gefühl von Glück und Zufriedenheit versetzte ihn in einen euphorischen Zustand. Sein kalter, merkwürdig entrückter Gesichtsausdruck wirkte starr und dämonisch.

Der Spieler fasste an seine linke Brustseite, als wolle er sich vergewissern, ob das pralle Bündel mit den gewonnenen 120000 USD real vorhanden war. Damit war der Verlust aus den zurückliegenden Tagen vergessen.

Er streckte sich und schaute im Gehen nach oben in den jetzt wieder frei sichtbaren, mattblauen Morgenhimmel der Wüste Nevadas. Sein Blick blieb an Julius Cäsar hängen, der von einer Säule auf ihn herunterzublicken schien. Man konnte glauben, er beobachte den stop and go – Verkehr, der am Strip nie zum Erliegen kam.

Der Spieler liebte diese Retortenstadt nicht, war aber von ihr beeindruckt. Noch zwei Tage verblieben ihm hier, dann musste er zurück. In der kommenden Nacht würde er noch einmal sein Glück einfordern – oder besser, seine Spielstrategie, die er für perfekt erachtete, zu seinem Vorteil zu nutzen versuchen.

Er hatte das Buch „Beat the Dealer“ des amerikanischen Mathematikers Edward O. Thorp mehrfach gelesen und war felsenfest davon überzeugt, dass man mit Hilfe des darin beschriebenen Spielsystems einen Vorteil als Spieler gegenüber der Spielbank erlangte. Es gab wohl auch Ausnahmen, aber diesen Gedanken schob er schnell und energisch von sich. Er glaubte unbeirrbar daran, dass er in zwei Tagen in Los Angeles eine Maschine der Delta Airlines als wohlhabender und glücklicher Mann besteigen und zu gegebener Zeit in 10000 Meter Höhe einen guten Kentucky Bourbon genießen würde.

Dann musste der nächste Schritt folgen, eine weitere Bewährungsprobe. Diesen Sieg konnte er allerdings nicht erspielen. Er musste ihn erkämpfen, mit allen denkbaren Mitteln.

Der Spieler hatte jetzt wieder diesen krankhaft geistesabwesenden Blick, der so gar nicht zu seinem biederen Äußeren passte.

Dr. Jörg Leifeld hatte seit jenen denkwürdigen Tagen, an denen er mit Volker Selketal in eine gemeinsame Sozietät eingetreten war, keinen persönlichen Kontakt mehr zu seinem Anwaltskollegen gehabt.

Er war sehr verärgert und – was bei seinem egozentrischen Charakter verwunderte – auch verunsichert. Wie würde es weitergehen, wann war die nächste Forderung von Volker fällig, war es ein Fass ohne Boden oder würde Selketal beruflich Fuß fassen und seine Erpressung einstellen?

An Letzteres konnte er nicht recht glauben, denn offenbar war der Finanzbedarf seines ehemaligen Studienfreundes exorbitant hoch. Allein die Honorare, die über seine Kanzlei im Unterauftrag an die Kanzlei von Volker überwiesen wurden, lagen im Bereich von 110.000 EUR. Das hätte problemlos für die Finanzierung der von Selketal benannten Ausgaben im Zusammenhang mit seinem Umzug ausgereicht. Auch die maximal 400.- EUR Leasinggebühren für seinen neuen Audi machten das „Kraut nicht fett“. Hinzu kam, dass ihm sein neuer Mandant der Dresdner Halbleiterfirma, für die Selketal auch auf seine Vermittlung hin tätig war, vertraulich von einer internen Begebenheit berichtet hatte, die seine Aufmerksamkeit hervorrief.

Volker war auf eine Unkorrektheit bei der Abrechnung eines, von der Europäischen Union geförderten Projektes, im Rahmen seiner internen Betriebsprüfung gestoßen. Die Gefahr einer Rückzahlungsforderung war groß, wäre aber für den Konzern, gegenüber dem zu erwartenden Gesichtsverlust seines Unternehmens beim Fördermittelgeber, die kleinere Sorge.

Selketal hatte nach Aussage des Chefs der Dresdner Halbleiterfirma eine offenbar sehr aufwändige Lösung des Problems „auf kleinem Dienstweg“, wie Selketal ausdrücklich betont hätte, gefunden. Diese „Gefälligkeit“ hatte dem Anwalt ein Sonderhonorar des Konzerns in Höhe von 50.000.- EUR beschert.

Wenn Volker in diesem Tempo weiterhin sein Geld ausgab, musste Leifeld kein Prophet sein, um schon in Bälde einen neuen Vorstoß von seinem Spezi zu erwarten. Ja, das musste er sich eingestehen – er hatte Selketal stark unterschätzt.

Es galt nun, energisch zu reagieren – nur wie? Für ein offizielles Vorgehen gegen diese eindeutige Erpressung sah er keinerlei Möglichkeit. Auch die Zahlung einer größeren Summe als Gegenleistung für die Herausgabe der SD – Card war weggeworfenes Geld, da eine Kopie sicher bereits notariell hinterlegt war. Damit konnte er jegliches restriktive Vorgehen gegen Selketal vergessen.

Die einzige Chance, die er sah, bestand darin, etwas im Leben von Volker zu finden, was um nichts auf der Welt gegenüber der Öffentlichkeit bekannt werden durfte.

Das war die viel zitierte „Nadel im Heuhaufen“.

***

Volker Selketal hatte in den zurückliegenden zwei Wochen insgesamt fünf Tage im Unternehmen Secury Tex Aue zugebracht. Das entspricht in etwa dem vertraglich vereinbarten Umfang, wenngleich die Präsenz in der Firma nicht immer erforderlich war.

Nachdenklich hat ihn bei der Durchsicht der Unterlagen mehrerer Förderprojekte der Sachstand gestimmt, dass offenbar mit den Förderrichtlinien sehr leichtfertig verfahren wurde. Oder besser gesagt, vereinzelte Vorgänge nur unvollständig dokumentiert wurden.

Da diese Fälle vor dem Eintritt von Kai Jäger in die Firma bearbeitet wurden, bat Volker Herrn Krings darum, die in einem Nebenraum gelagerten Ordner des ehemaligen, als erfahrener Wirtschaftsingenieur langjährig im Unternehmen tätig gewesenen Mitarbeiters, einsehen zu dürfen. Er begründete diese Bitte damit, dass es ihm sehr helfen würde, Beispiele für abgeschlossene Projekte zu analysieren, bei denen bereits geprüfte und bestätigte Verwendungsnachweise vorlagen.

Da Lutger Krings die glaubhaft systematische und gewissenhafte Arbeitsweise des Anwalts gefiel, hatte er selbstverständlich keine Einwände gegen die Sichtung dieser Akten. Außerdem wurde ihm vertraglich ohnehin der uneingeschränkte Zugang zu betrieblichen Vorgängen gewährt. Nur die Personalakten, wie auch Löhne und Gehälter der Mitarbeiter, waren davon ausgeschlossen.

Er begann am Morgen des darauffolgenden Tages mit der Durchsicht der Dokumente. Es waren etwa zwanzig laufende Meter an Ordnern, die in vier Aktenschränken untergebracht waren. Durch den großen Umfang der Projektunterlagen beschränkte sich Selketal zunächst darauf, jeden Ordner aufzuschlagen und den groben Inhalt zu ermitteln. Der frühere Verantwortliche für diesen Bereich hieß Peter Kirchhoff und der Anwalt musste ihm schon nach dem Öffnen der ersten fünf Akten ein hohes Maß an Ordnung und Übersichtlichkeit attestieren. Jeder Order und auch dazwischen abgelegte dünnere Hefter waren mit einem Deckblatt versehen, was den Leser mit einem Blick über den wesentlichen Inhalt informierte.

Nach ca. zwei Stunden hielt er einen, zirka eineinhalb Zentimeter starken Hefter in den Händen. Dieser war ihm auch deshalb aufgefallen, weil er liegend in einem separaten Fach mit einer Reihe von gedruckten Förderrichtlinien der Europäischen Union, des Bundes und des Freistaates Sachsen deponiert war. Der Inhalt dieses Dokumentes fesselte ihn sofort und da er am Mittag dringend in seiner Kanzlei anwesend sein musste, schob er es nachdenklich in seinen Aktenkoffer.

Er konnte nicht sagen warum, aber er platzierte einen anderen Hefter ähnlicher Stärke auf dem obenliegenden Bundesanzeiger des Stapels von Amtsblättern und stellte zufrieden fest, dass kein optischer Unterschied zur ursprünglichen Anordnung der Dokumente erkennbar war. Mit dem guten Gefühl, den Schlüssel für einen erfolgreichen Einstieg bei Secury Tex gefunden zu haben, verschloss er die Schränke und fuhr mit einem Taxi in seine Kanzlei. Diesen Service hatte ihn Herr Krings angeboten und er war froh darüber, weil er ja zurzeit keine Fahrerlaubnis besaß.

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